40 Jahre HipHop in Deutschland: Überraschende Städte, alte Stars und ein Führerscheinproblem?

Hamburg - "Hiphop - Made in Germany", eine 40-jährige Geschichte, die erzählt werden muss. Frankfurt, Hamburg, Berlin und auch (Überraschung) Heidelberg werden in der vierteiligen NDR-Dokumentation unter die Lupe genommen.

"Bad Bitch"-Rapperin Eunique (28) und Beginner-Mitbegründer Denyo (47) brettern durch Hamburg und die 90er.
"Bad Bitch"-Rapperin Eunique (28) und Beginner-Mitbegründer Denyo (47) brettern durch Hamburg und die 90er.  © NDR/Benedict Meyer zu Strohe

Mit dabei sind unter anderem die Artists Eko Fresh (40), Liz (25), Smudo (55), Eunique (28), Ali Bumaye (39), Ebow (23), Denyo (47), König Boris (49) und Disarstar (30). Aber auch Gregor Gysi (76) und Michel Friedman (67) kommen zu Wort.

Das Projekt habe die Macher lange beschäftigt, so Redakteur Florian Müller (44) gegenüber TAG24 im Rahmen der Doku-Release-Party im Bahnhof St. Pauli in Hamburg. Rund drei Jahre, bestätigte Redakteurin Domenica Berger.

Anspruch auf Vollständigkeit erheben die Macher nicht. "Es war nicht die Idee, eine Enzyklopädie zu machen, da es natürlich wahnsinnig viele Künstlerinnen und Künstler gibt, die es verdient hätten, auch in dieser Doku zu sein. Unser Ansatz war ja ein anderer. Es war die Idee, die Jahrzehnte zu erzählen aus den jeweiligen Städten raus", so Müller.

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"Natürlich gibt es ganz viel, das parallel stattgefunden hat, aber deswegen ist es erst mal ein Heidelberg-zentrierter Blick, ein Hamburg-zentrierter Blick, ein Berlin-zentrierter Blick und ein Frankfurt-zentrierter Blick."

Domenica Berger: "Auch Soziolog:innen sind dabei, die das Ganze ein bisschen aus der Meta-Ebene betrachten, um dann eben ein rundes Bild zu zeigen."

50 Protagonisten blicken auf die Geschichte des Hiphops zurück

Rapperin Liz (25) begleitet das deutsche Kult-Rap-Duo Celo & Abdi bei ihrem Roadtrip durch Frankfurt. Das Besondere: Keiner der drei hat einen Führerschein, weshalb die Artists durch die Banken-Hochburg mit einem "Car-Trailer" gezogen wurden.
Rapperin Liz (25) begleitet das deutsche Kult-Rap-Duo Celo & Abdi bei ihrem Roadtrip durch Frankfurt. Das Besondere: Keiner der drei hat einen Führerschein, weshalb die Artists durch die Banken-Hochburg mit einem "Car-Trailer" gezogen wurden.  © NDR/Luke Bliedtner

Rund 80 Protagonisten seien angefragt worden. In die Doku geschafft hätten es am Ende 50.

Herausfordernd waren unter anderem die Terminkalender der Rap-Größen. Es sei auch nicht unbedingt das Genre, wo Termine immer eingehalten werden, so Berger. "Termine und Drehs wurden abgesagt ... Das ist im Endeffekt die Essenz, die wir da herausgearbeitet haben."

Nicht die einzige Hürde, die es zu nehmen galt. Die Geschichte des Hiphops wird in Frankfurt von Liz und dem Kult-Rap-Duo Celo & Abdi erzählt, die, wie ihre Kollegen auch, in einem Auto durch die Stadt fahren (sollten).

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Blöd nur, wenn die dann gar keinen Führerschein haben. Kurz vor den Dreharbeiten erfuhren die Macher erst von der Problematik und mussten schleunigst umdisponieren. Die Lösung: Kurzerhand wurde das Auto auf einen "Car-Trailer" gesetzt und mit einer weiteren Kamera ausgestattet.

Spielten Vorurteile seitens der Protagonisten gegenüber dem Sender keine Rolle? "Also wenn, dann spielte es keine Rolle, weil die ARD keine Rolle für sie spielt in deren Realität." Ihre Kanäle seien Instagram oder YouTube. "Deshalb war es ihnen ein Stück weit egal, beziehungsweise der Antrieb war nicht so hoch, zuzusagen und dabei zu sein."

Das galt aber natürlich nicht für alle Rapper: "Zum Beispiel Denyo war sofort dabei, gut, ist auch eine andere Generation", räumte Domenica Berger ein.

Große Überraschung: Auch Heidelberg ist dabei

Die Rapperin Antifuchs (34) besucht Martin Stieber (51) und Toni-L (54) auf deren Roadtrip durch Heidelberg. Für sie ist es ein Muss, die Pioniere in dem Hiphop-geschichtsträchtigen Ort zu besuchen.
Die Rapperin Antifuchs (34) besucht Martin Stieber (51) und Toni-L (54) auf deren Roadtrip durch Heidelberg. Für sie ist es ein Muss, die Pioniere in dem Hiphop-geschichtsträchtigen Ort zu besuchen.  © NDR/David Meister

Für Heidelberg hätten sich die Macher bewusst entschieden. "Es gab ja viele Städte zur damaligen Zeit, in denen Hiphop groß wurde, Heidelberg war nicht die einzige Stadt, aber es war eine ganz wichtige Stadt. (...) Die haben die Leute gar nicht so auf dem Schirm, obwohl Advanced Chemistry und viele daher kommen", erklärte Domenica Berger im Gespräch.

Wichtig sei es den Redakteuren gewesen, Themen in der Dokumentation zu beleuchten, die nachweislich eine große Rolle in den vergangenen 40 Jahren der Zeitgeschichte gespielt haben.

"Das Thema Rassismus war uns sehr wichtig", so Florian Müller. "Nicht, weil wir es kunstvoll draufgepappt haben, sondern weil es einfach immanent ist. Weil sich Hiphop von dem Beginn in Amerika, aber auch in Deutschland, mit Rassismus auseinandersetzt. Es war schon sehr spannend, wie das durch die unterschiedlichen Dekaden immer wieder ein Thema ist und natürlich auch gerade aktuell ist."

Ein weiteres wichtiges Thema in der Doku: die Rolle der Frauen im Hiphop. "Sowohl was die Texte betrifft als auch überhaupt die Sichtbarkeit, das Stattfinden, weil sich da in den letzten Jahren viel verändert hat. (...) Kämpfen gegen Widerstände, gegen Sexismus ..."

Ebenfalls interessant: viele Punkte durch Hiphop-Texte reflektiert zu sehen. "Auseinandersetzung mit Kapitalismus, mit Luxus, Realness, Antisemitismus ... Und da spielt Hiphop mal eine glorreiche, mal eine weniger glorreiche Rolle."

Die Dokuserie der Gebrüder Beetz Filmproduktion in Koproduktion mit NDR und SWR läuft seit dem 23. Januar in der ARD Mediathek und am 26. Januar sowie 2. und 9. Februar im NDR Fernsehen.

Titelfoto: NDR/Luke Bliedtner

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