Zwillings-Totgeburten in der DDR? Mutter Yvonne ist sich sicher: "Sie leben!"

Torgau - Es sind schier unglaubliche Geschichten, die mehrere Frauen in einer neuen Doku berichten. Sie haben den Verdacht, dass ihre neugeborenen Kinder in der DDR bewusst für tot erklärt wurden. Viele ihrer Fragen sind noch unbeantwortet - und werden es wohl für immer bleiben.

Yvonne Günther sucht nach ihren verschwundenen Zwillingen.
Yvonne Günther sucht nach ihren verschwundenen Zwillingen.  © RTL

"Als ich gehört habe, dass man Müttern ihr Neugeborenes durch einen vorgetäuschten Tod genommen haben soll, war ich fassungslos. Man erzählt mir viel Abenteuerliches, aber das kann doch gar nicht sein", sagt Juristin Dr. Heidrun Budde (67) in dem RTL+-Format "Entrissen - Die verschwundenen Babys der DDR".

Sie war es auch, die in Akten feststellte, dass es ab September 1969 eine erhöhte Frühsterblichkeit im früheren Osten der Republik gab. "Es gibt so viele Anhaltspunkte und so viele Widersprüche, dass ich davon ausgehe, dass es Vorgänge gibt, wo wirklich Todesfälle vorgetäuscht wurden", sagt Budde.

Vielleicht auch im Fall Yvonne Günther? 1989 brachte sie als damals 17-Jährige eineiige Zwillings-Jungen zur Welt, die sie nach der angeblichen Totgeburt nie zu Gesicht bekommen hat. "Ich suche meine Zwillinge, weil ich den Verdacht habe, dass sie damals nicht verstorben sind. Ich bin mir sicher, dass meine Kinder leben!"

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Ihre Geschichte begann, als sie als Jugendlichen ihren leiblichen Vater gesucht hat und dafür nach Dresden fuhr, wo sie ihn auch fand. Kurz vor ihrer Rückreise wurde sie auf dem dortigen Bahnhof festgenommen und ins Durchgangsheim nach Weißack (Brandenburg) gesteckt. Monatelang war sie dort und hatte keinen Kontakt zu ihrer Mutter.

Entrissen: "Vom Erzieher eine aufs Maul gekriegt oder einen Schlüsselbund in die Fresse"

Der Jugendwerkhof Torgau, in dem Yvonne gefangen gehalten wurde, ist heute eine Gedenkstätte.
Der Jugendwerkhof Torgau, in dem Yvonne gefangen gehalten wurde, ist heute eine Gedenkstätte.  © imago/Star-Media

Dort sei ihr und anderen Minderjährigen mit der Verlegung nach Torgau gedroht worden. Der dortige Jugendwerkhof, eine von 74 Erziehungsanstalten der DDR, in den sie als 15-Jährige auch kam, "war kein Ort für Kinder. Der hätte niemals existieren dürfen. Das war schlimmer als im Knast", erzählt sie.

Sie habe Selbstmordgedanken gehabt, versucht, die eigene Zunge runterzuschlucken, und Putz von den Wänden gegessen. "Ich muss da irgendwie raus, und wenn ich als Leiche da rauskomme", dachte sie: "Man hat sich nur noch den Tod gewünscht."

Es folgte eine weitere Verlegung ins brandenburgische Siethen. Auch dort habe es Gewalt und Missbrauch gegeben. "Du hattest vom Erzieher eine aufs Maul gekriegt oder einen Schlüsselbund in die Fresse, dann haben sie deine Haare genommen und dich gegen die Heizung geschleudert."

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Um eine Blutvergiftung zu bekommen, kratzte sie Kalk von den Wänden und träufelte diesen in offene Wunden.

Während eines genehmigten Urlaubs traf sie sich mit ihrer Torgau-Bekanntschaft Andreas. Direkt beim ersten Sex wurde sie schwanger, sah ihn nach der gemeinsamen Nacht aber nie wieder.

Entrissen - Die verschwundenen Babys der DDR

Das Logo der RTL+-Doku "Entrissen - Die verschwundenen Babys der DDR".
Das Logo der RTL+-Doku "Entrissen - Die verschwundenen Babys der DDR".  © RTL

Eine Frauenärztin stellte Zwillinge bei Yvonne fest. Alles sei in die Wege geleitet worden, dass sie die Kinder in Potsdam abtreiben ließ. Als sie das hörte, floh sie aus der Villa.

Ein oder zwei Tage vor der Entbindung nahm sie weniger Bewegungen in ihrem Bauch wahr und ließ sich im Krankenhaus Paul Gerhardt-Stift in Wittenberg (Sachsen-Anhalt) untersuchen. Dies sei normal, wurde ihr gesagt, bevor sie wieder nach Hause geschickt wurde.

In der Nacht platzte ihre Fruchtblase, Yvonne kam wieder ins Krankenhaus. Während einer Ultraschalluntersuchung sagte man ihr, dass beide Kinder verstorben seien. "Weil ich dann nur noch geweint hab, hat sich eine Schwester auf meinen Bauch gesetzt und geschrien, ich soll mitmachen und pressen."

Die Zwillinge kamen innerhalb von zwei Minuten auf die Welt, berichtet sie in der Doku. Yvonne hörte Babyschreie. Doch ihr wurde gesagt, beide seien tot und es sei besser, die Totgeburten aus psychischen Gründen nicht zu sehen.

In der DDR hat zur damaligen Zeit eine Sektionspflicht bestanden, bestätigt der frühere Gynäkologe Dr. Rainer Kluge, heute Gutachter der Sächsischen Landesärztekammer. Danach sei das Ergebnis mit den Müttern besprochen worden. Nicht aber mit Yvonne. Auch ein Grab für die Zwillinge gibt es nicht, obwohl sich Yvonne dies gewünscht hätte.

Eine Stasi-Akte konnte weit und breit nicht gefunden werden, in der Schwangerschaft und/oder Geburt eingetragen gewesen sein müssten.

"Ich möchte keinen anprangern. Aber es sind 32 Jahre meines Lebens, wo ich meine Kinder suche. Ich möchte einfach Ruhe und einen Seelenfrieden finden", weint Yvonne Günther.

Trailer zur Doku "Entrissen - Die verschwundenen Babys der DDR" (RTL+)

Die vierteilige Doku mit weiteren betroffenen Müttern seht Ihr exklusiv bei RTL+.

Titelfoto: RTL

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