Antiquitäten-Händler Bernd hat zwei Räuber erschossen: War es wirklich Notwehr?

Leipzig/Celle - Es ist der wohl spektakulärster Fall von Notwehr, den es jemals in Deutschland gab. Bernd Heinrichs (73) hat zwei Männer erschossen, die seinen Antiquitätenladen im niedersächsischen Celle ausrauben wollten. Wie er und Ehefrau Karin (71) die schlimmen Szenen erlebten und warum erst gegen ihn ermittelt wurde...

Bernd Heinrichs (73) sitzt neben seiner Frau Karin (71) und demonstriert, wie er seine Waffe auf einen früheren Einbrecher gehalten hat.
Bernd Heinrichs (73) sitzt neben seiner Frau Karin (71) und demonstriert, wie er seine Waffe auf einen früheren Einbrecher gehalten hat.  © Screenshot/MDR-Mediathek

Zunächst müssen wir 22 Jahre zurückgehen. Am 9. April 1988 wird das Geschäft erstmals überfallen. Bernd Heinrichs hat es gerade verlassen, der Täter fordert Karin auf, sich auf den Boden zu legen und hält ihr eine Waffe an den Kopf. "Ich habe sekündlich gedacht, dass er mich erschießen wird. Ich hatte Todesangst", erzählt sie in der MDR-Reihe "Kripo live - Tätern auf der Spur".

Mit über einer Million D-Mark können die Täter damals entkommen. Sie fliehen nach Polen, wo sie gefunden werden. Ein Polizist sagte den Heinrichs nach der Vernehmung der mutmaßlichen Täter, dass diese wieder nach Celle kommen wollen, "das lohnt sich". Ein Beamter habe ihm geraten, sich zu bewaffnen.

Tatsächlich macht das Ehepaar einen Waffenschein und trainiert seitdem vierteljährlich.

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Einige Zeit später gibt es einen weiteren Einbruch. Mitten in der Nacht steht Bernd Heinrichs einem Ganoven im Flur der über dem Geschäft liegenden Wohnung gegenüber.

Heinrichs richtet die Waffe auf ihn, schießt aber nicht. Das ändert sich im September vergangenen Jahres.

Ein Räuber tarnt sich bei Überfall als Rollstuhlfahrer - und springt die Ehefrau an

Die Spurensicherung am Tatort in der Celler Altstadt im September 2020.
Die Spurensicherung am Tatort in der Celler Altstadt im September 2020.  © Moritz Frankenberg/dpa

Am 14. September klingelt es gegen 15.40 Uhr an dem Antiquitätengeschäft. Aus Sicherheitsgründen ist es verschlossen und kann nur durch die Besitzer geöffnet werden.

Ein Mann im Rollstuhl und dessen Begleiter betreten die Räumlichkeiten. Der Täter im Rollstuhl - Eduard H. - hechtet unter der Corona-Spuckschutzscheibe hindurch, packt Frau Heinrichs Hände, nimmt sie in den Würgegriff.

Ihr Ehemann greift seinen 38er Revolver, fordert den Täter auf, von seiner Frau abzulassen: "Ich habe ihn bedroht und den Hahn gespannt."

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Der zweite Täter - Vladimir T. - sei dazugekommen und habe seine Waffe auf den heute 73-Jährigen gerichtet. Dieser zielt zwischen die Augen des Täters, der seine Frau im Schwitzkasten hat und drückt ab. "Ich wollte ihn nicht umbringen. Ich wollte ihn verletzen, er sollte aufhören." Dem anderen Täter schießt er in die Brust.

"Ihr Dreckschweine, ihr wolltet uns ausnehmen, das habt ihr nun davon", habe der Schütze den am Boden liegenden Verletzten zugerufen. T. starb noch am Tatort, H. Stunden später im Krankenhaus.

Antiquar erschießt zwei Räuber - Totschlag oder Notwehr?

Der Angeklagte (M.) zu Prozessbeginn am 4. Mai 2021. Er soll im September 2020 das Juweliergeschäft der Heinrichs überfallen haben. Zwei weitere Täter wurden bei dem Überfall vom Ladeninhaber in Notwehr erschossen.
Der Angeklagte (M.) zu Prozessbeginn am 4. Mai 2021. Er soll im September 2020 das Juweliergeschäft der Heinrichs überfallen haben. Zwei weitere Täter wurden bei dem Überfall vom Ladeninhaber in Notwehr erschossen.  © Philipp Schulze/dpa

Für Bernd Heinrichs stand fest, dass es Notwehr war. Doch zunächst wird routinemäßig gegen ihn wegen Totschlags ermittelt, das Verfahren aber später eingestellt.

Am 4. Mai - also vor gut zwei Wochen - begann der Prozess gegen Alexej H. (38), der Komplize der beiden getöteten Räuber gewesen sein soll. Acht weitere Termine sind geplant, mit dem Urteil wird Mitte Juli gerechnet.

Todesschütze Heinrichs: "Zwei Menschen erschießen ist nicht einfach. Es tut mir leid, auch für die Hinterbliebenen. Ich hätte sie gern vor Gericht gesehen."

Den ganzen Fall seht Ihr jederzeit auf Abruf in der ARD-Mediathek.

Titelfoto: Bildmontage: Moritz Frankenberg/dpa, Screenshot/MDR-Mediathek

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