Giftige Gase bei verheerendem Großbrand in Leipzig: "Es hat geknirscht, wir sind über tote Vögel gerollt!"

Leipzig - Es war die größte Brandkatastrophe Leipzigs: Am Morgen des 26. Juni 1986 brach ein Feuer in der Wollkämmerei, seinerzeit einer der wichtigsten DDR-Betriebe, aus. Zwei Frauen ließen in der Halle ihr Leben. Doch die Unwissenheit über die giftigen Gase hätte beinahe noch mehr Opfer gefordert.

Die Wollkämmerei Leipzig war eines der wichtigsten DDR-Betriebe.
Die Wollkämmerei Leipzig war eines der wichtigsten DDR-Betriebe.  © Screenshot/MDR-Mediathek

Jede Faser, die in der DDR getragen wird, hatte damals ihren Ursprung in der Wollkämmerei Leipzig. Standort des Großbetriebes war die Volbedingstraße nördlich des Hauptbahnhofs, unweit der Berliner Brücke.

2500 Mitarbeiter waren in dem 1872 gegründeten Kombinat beschäftigt, in Hochzeiten wurde jährlich Ware im Wert von 1,4 Milliarden Mark produziert.

Doch das Unternehmen sollte 1986 ein schrecklicher Brand heimsuchen, der in der MDR-Sendung "Lebensretter" thematisiert wurde.

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In der Wollkämmerei wurden zu DDR-Zeiten kilometerweise Fäden von Schafwolle mit Kunstfasern vermischt. Die Materialien lagerten im Keller, allein 20 Tonnen Kunstfasern waren dort zu finden.

In jenem Keller brach vor 35 Jahren das Feuer aus.

Gegen 2.30 Uhr wurde die Feuerwehr über dieses in Kenntnis gesetzt. Zunächst war von einem Kabelbrand die Rede. Zahlreiche Feuerwehrmänner machten sich auf den Weg. Unwissend darüber, dass sie in eine potenziell tödliche Falle fahren.

Die Zwillinge Jörg und Reinhard Steffler wurden 1986 im Einsatz getrennt.
Die Zwillinge Jörg und Reinhard Steffler wurden 1986 im Einsatz getrennt.  © Screenshot/MDR-Mediathek

Großbrand in der Leipziger Wollkämmerei: "Es war stockfinster und eine wahnsinnige Hitze!"

War Direktor der Wollkämmerei und wurde aus dem Schlaf gerissen: Wolf-Eckhardt Heindorf.
War Direktor der Wollkämmerei und wurde aus dem Schlaf gerissen: Wolf-Eckhardt Heindorf.  © Screenshot/MDR-Mediathek

Nur fünf Minuten nach der Alarmierung treffen Jörg und Reinhard Steffler als eine der ersten Kräfte am Einsatzort ein.

Die damals 21 Jahre alten eineiigen Zwillinge werden direkt getrennt: Reinhard wurde zum Brandherd geschickt, Jörg bereitete die Pressluftflaschen vor. Er war es auch, der direkt einen beißenden Geruch vernahm: "Man hat etwas eingeatmet, was gefährlich sein konnte."

Reinhard erinnert sich noch, wie heikel der Einsatz war: "Es war stockfinster und eine wahnsinnige Hitze." 1000 Grad betrug die Temperatur zwischenzeitlich.

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Immer mehr Stadtwehren kamen dazu, um die Löschmaßnahmen zu unterstützen. Doch im Keller der Wollkämmerei entwickeln sich dramatische Szenen.

Mehrere Gruppenführer sacken immer wieder zusammen, einer muss vor Schwäche rausgetragen worden. Aber auch andere Kameraden stolpern nach draußen, setzen ihre Schutzmasken ab, haben Atemprobleme, werden ohnmächtig. In den ersten 30 Einsatzminuten fällt so fast die Hälfte der Kräfte aus.

Rechtsmediziner fallen bei Obduktion der beiden weiblichen Leichen um

Mehrere Spatzen fielen tot von einem nahegelegenen Kastanienbaum.
Mehrere Spatzen fielen tot von einem nahegelegenen Kastanienbaum.  © Screenshot/MDR-Mediathek

Peter Heitmann, damals Einsatzleiter des Großfeuers und früherer Branddirektor der Stadt Leipzig, weiß im Nachhinein, wie es zu den Ohnmachtsanfällen kam: "Es entstand Blausäure in einer unheimlich hohen Konzentration."

Aber wie kann es sein, dass die Feuerwehrmänner trotz getragener Atemschutzmasken umkippten?

Später kommt heraus: Auf ihren schweißnassen Gesichtern sind Einsatzkräften die Masken verrutscht, wodurch sie die giftigen Dämpfe eingeatmet haben müssen.

Tödlich endet der Brand auch für Lebewesen, die sich gar nicht in dem Gebäude befinden. Mehrere Spatzen fallen tot von einem Kastanienbaum auf dem Werksgelände.

Das bemerken auch viele anfahrende Feuerwehrleute: "Es hat geknirscht, wir sind über tote Vögel gerollt", erzählt einer der Steffler-Zwillinge.

Nach der zunächst unübersichtlichen Lage wurde den Kameraden von zwei noch vermissten Frauen berichtet, die zum Zeitpunkt des Brandes Pause machen. Sie werden auf dem Hallenboden liegend gefunden. Doch für sie kommt jede Hilfe zu spät.

Bei der Obduktion fielen sogar die Rechtsmediziner um, nachdem sie die beiden Körper geöffnet hatten, aus denen die Gase austraten.

Die MDR-Folge "Lebensretter" seht Ihr auf Abruf in der Mediathek.

Titelfoto: Bildmontage: Screenshot/MDR-Mediathek

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