Ulrich Wickert: Deswegen weinte Bundeskanzler Schröder beim Schauen meiner Sendung
Leipzig - Journalist und Moderator Ulrich Wickert (82) gilt als das Gesicht der "Tagesthemen" und prägte mit seiner nüchternen, präzisen Art von 1991 bis 2006 das Nachrichtenjournal der ARD wie kein Zweiter. Im "Riverboat" sprach der 82-Jährige am Freitag nun über seine bewegendsten TV-Momente.
"Bei den Tagesthemen musste ich einen Tag vorher anfangen, weil der Krieg in Jugoslawien ausbrach", erinnerte sich Wickert im Gespräch mit Gastgeber Matze Knop (51).
Während seiner Zeit als Moderator der Sendung hätten sich viele Katastrophen ereignet, besonders eingebrannt hätten sich jedoch die Anschläge am 11. September 2001 in New York.
"Ich habe an diesem Tag vier Stunden am Stück moderiert. Ich habe die Bilder der einstürzenden Türme im selben Moment gesehen wie der Zuschauer. Ich erinnere mich, wie man sah, wie die Leute aus den Fenstern sprangen im 100. Stockwerk."
Er habe dies zwar in der Live-Schalte angesprochen, sei jedoch seinem Grundsatz, dass der Moderator "niemals" Gefühle zeigen dürfe, auch an diesem Tag treu geblieben: "Bundeskanzler Gerhard Schröder hat damals in seiner Biografie geschrieben, als er das in meiner Sendung gesehen hat, hat er angefangen zu weinen. Hätte der Moderator auch noch Gefühle gezeigt, hätte es dieses Gefühl beim Zuschauer verstärkt."
Ulrich Wickert: "Wünsche mir weniger Bomben und zerstörte Häuser in den Nachrichten"
Auf die Frage, ob Wickert die "Tagesthemen" aktuell selbst noch gerne schaue antwortete der Journalist und Autor: "Mit Vergnügen!" Erst am Vortag habe er wieder eine hervorragende Sendung gesehen.
"Besonders gut gefallen hat mir ein Stück über den havarierten Öltanker 'Eventin' vor Rügen. Ich wünsche mir eigentlich in den Nachrichten viel weniger Bomben und zerstörte Häuser, sondern Geschichten, die in Deutschland stattfinden, wo man sagt: Ach guck mal, habe ich gar nicht gewusst."
Gastgeber Knop hakte an dieser Stelle nach: "Also würden Sie nicht unbedingt sagen, dass es heute mehr schlechte Nachrichten gibt als früher, sondern dass mehr über Schlechtes berichtet wird?" Wickert verneinte dies jedoch entschieden: "Wir erleben zwar im Augenblick ziemlich schreckliche Dinge, aber die hat es immer gegeben."
Die komplette Folge "Riverboat" seht Ihr jederzeit auf Abruf in der MDR-Mediathek.
Titelfoto: picture alliance / M Gambarini/dpa

