Sabine Bergmann-Pohl über Wende-Frust: "Gewisse Arroganz der Westdeutschen"

Leipzig - Sabine Bergmann-Pohl (77) gilt als letztes Staatsoberhaupt der DDR und hat einen wichtigen Teil zur Wiedervereinigung Deutschlands beigetragen. Im MDR-Riverboat erinnerte sie sich an die aufregende Zeit.

Sabine Bergmann-Pohl (77) saß für die CDU bis 2002 im Bundestag.
Sabine Bergmann-Pohl (77) saß für die CDU bis 2002 im Bundestag.  © IMAGO / STAR-MEDIA

Aushilfe-Moderator Wolfgang Lippert (71) umschrieb die Rolle der heute 77-Jährigen ganz treffend. "Wie war dir zumute, dass du sozusagen als Volkskammer-Präsididentin die DDR abgeschafft hast?", wollte er von der gebürtigen Thüringerin wissen.

"Das war eine irre Nacht. Denn Thomas de Maizière kam den Abend vorher zu mir und sagte: Frau Präsidentin, ich beantrage jetzt eine Sondersitzung. Wir werden heute Nacht mal über eine Wiedervereinigung diskutieren", erinnerte sich Bergmann-Pohl.

Ihr Tag damals begann um 9 Uhr und endete mit dem Beschluss um 3 Uhr nachts. Der Weg dorthin war schwer.

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"Es gab ein Riesendurcheinander und Theater in den Fraktionen. Wir mussten sie alle mit ins Boot nehmen, um eine qualifizierte Mehrheit zu erlangen", beschrieb die CDU-Politikerin die große Herausforderung.

Bergmann-Pohl: "Leute, seid doch stolz!"

Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer. Bis dorthin war es ein langer, steiniger Weg.
Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer. Bis dorthin war es ein langer, steiniger Weg.  © dpa/dpa-Bildfunk

Im Nachgang hatte Bergmann-Pohl sich häufig gefragt, warum sich viele Menschen nach der Wende so schwer mit der Wiedervereinigung getan hatten.

"Da ist so eine gewisse Ignoranz und Arroganz der Westdeutschen gewesen, die ganz wenig über uns wussten, aber sie wussten alles besser und wussten auch, wie die DDR funktioniert. Es ist nie akzeptiert und anerkannt worden, dass sich im Osten ganze Lebensläufe von heute auf morgen verändert haben. Und ich glaube, dieser Frust hält noch an", sinnierte die 77-Jährige.

Sie hingegen blicke optimistisch auf die letzten 30 Jahre zurück. "Ich bin eher ein Optimist, der sagt: Leute, seid doch stolz auf das, was ihr in den vergangenen dreißig Jahren geschafft habt", so Bergmann-Pohl.

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Ihr letztes politisches Amt im Bundestag legte die studierte Ärztin 2002 ab. Seit November 2022 ist sie als Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft e.V. zur Förderung politischer, kultureller und sozialer Beziehungen in Europa tätig.

Titelfoto: IMAGO / STAR-MEDIA

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