"Tagesschau"-Vize erklärt: So soll das Vertrauen der Menschen zurückgewonnen werden

Hamburg - Ehrliche Worte! Seit sechs Jahren ist Helge Fuhst (41) Vize-Chef der "Tagesschau" und "Tagesthemen" beim NDR. In einem Interview hat er nun verraten, welche Fehler der Sender im Umgang mit der Corona-Pandemie gemacht hat und warum es so schwierig ist, mit der AfD zu reden.

"Tagesschau"-Vize Helge Fuhst (41) gibt Fehler in der Berichterstattung im Rahmen der Corona-Pandemie zu.  © Christian Charisius/dpa

Der 41-Jährige war im Format "Zu Tisch mit ..." des Redaktionsnetzwerks Deutschland zu Gast und gab zu, dass man sich derzeit in Dauerkrisen befinden würde, "die größten seit Jahrzehnten" - angefangen mit der Corona-Pandemie, bei der im Rahmen der Berichterstattung nicht alles glattlief.

"Zu Beginn der Pandemie wusste niemand, was passiert. Politik, Gesellschaft, Medien – niemand. Auch wir nicht", erklärte Fuhst. Viel zu lange sei Deutschland im Krisenmodus geblieben, anstatt wieder in den Alltag zurückzukehren und ihn auch zuzulassen.

Aber warum dauerte das letztlich so lange? "Ich glaube, die Mehrheit der Bevölkerung empfand so. Wir haben nicht gegen die Mehrheitsmeinung gesendet. Vielleicht sind wir ein eher ängstliches, vorsichtiges Volk", vermutete der Journalist.

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Dies könnte auch daran liegen, dass in den Medien meist eher negative Nachrichten übermittelt werden. "Das wird oft missverstanden. Viele Zuschauer glauben, wir hätten ein Interesse daran, etwas schlechtzureden", sagte Fuhst.

Doch dem sei nicht so. "Dabei sind wir einfach verpflichtet, Debatten und Positionen abzubilden. Wir machen sie uns nicht zu eigen."

Generell sei es mittlerweile aber kompliziert, Nachrichten "für alle" zu machen. "Die Medienwelt ist extrem fragmentiert. Umso wertvoller sind die letzten TV-Lagerfeuer", erklärte der Vize-Chef. "Wichtig ist dabei: Ein Reporter muss mehr wissen als der Zuschauer – aber er darf ihm nicht das Gefühl geben! Die Menschen sind heute sehr sensibel."

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"Tagesschau"-Vize Helge Fuhst gesteht schwierigen Umgang mit der AfD

Mit Transparenz will die Tagesschau das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen.  © Marcus Brandt/dpa

Sensibel ist auch der Umgang zwischen Ost- und Westdeutschland. "Aber es gab tatsächlich Zeiten, in denen, wie ich finde, der Osten zu kurz kam, ebenso wie der ländliche Raum. Das hat sich allerdings längst geändert. Aber es dauert leider zehnmal so lang, einen Eindruck zu korrigieren, wie ihn zu erzeugen", gab Fuhst zu und betonte, dass es alle Medien betraf.

Wichtig sei es nun, das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen, auch wenn das "mühsame, harte Arbeit" sei, wie er betonte. Dazu seien erste Schritte unternommen worden. "Wir sind als Redaktion viel transparenter geworden und wollen noch mehr Einblicke geben."

Dazu gehört auch, dass man der AfD Sendezeit gebe. "Sie kommt vor, denn sie gehört zur Realität. Aber sie ist keine normale Partei mit ihren diversen extremistischen Positionen und wie sie mit Medien und Journalisten umgeht", erklärte Fuhst. Dennoch berichte man über sie, weil die von den Wählern gewählt worden ist.

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Der Raum wird allerdings klein gehalten. Mit Vertretern anderer Parteien wurden mehr Interviews geführt, allerdings habe sich die Anzahl in diesem Jahr gesteigert. "Im Jahr 2024 hatten wir insgesamt drei Interviews mit AfD-Politikern in den 'Tagesthemen', in diesem Jahr allerdings bereits drei im ersten Halbjahr", so der 41-Jährige.

Der Grund: Gespräche sind mit der Partei äußerst schwierig, weil erst über grundsätzliche Fakten verhandelt werden müsse, so Fuhst. "Aus der AfD gibt es den Vorstoß, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abzuschalten - und das spürt man." Dennoch zeige man sich der Partei in einem gewissen Umfang offen gegenüber.

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