"A Spy Among Friends": Spionage-Drama nach wahren Begebenheiten

London - Jahrelang war ein Mitarbeiter des britischen Geheimdienstes im Kalten Krieg als Doppelagent tätig, bevor er aufflog. Kim Philby belog seine Kollegen und auch seinen besten Freund. Eine Mini-Serie rekonstruiert seine Geschichte mit einigen künstlerischen Freiheiten.

Guy Pearce (55, l.) als Kim Philby und Damian Lewis (51) als Nicholas Elliott in "A Spy Among Friends".
Guy Pearce (55, l.) als Kim Philby und Damian Lewis (51) als Nicholas Elliott in "A Spy Among Friends".  © Sam Taylor/Sony Pictures Television/Magenta TV/dpa

Der britische Geheimdienstmitarbeiter Kim Philby gab nach dem Zweiten Weltkrieg jahrelang Staatsgeheimnisse an die Sowjetunion weiter. Nachdem der Doppelagent enttarnt wurde, floh er nach Moskau.

Nun erzählt ein komplexer TV-Mehrteiler in sechs Teilen Philbys spannende Geschichte beziehungsweise das, was man davon weiß oder vermutet.

"A Spy Among Friends" ist seit 9. Dezember im Streaming-Angebot von Magenta TV zu sehen. Das gleichnamige Sachbuch des auf Spionage spezialisierten Bestseller-Autors Ben Macintyre (58) diente dabei als Vorlage und wurde um fiktive Story-Elemente ergänzt.

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Im Mittelpunkt der sechs Folgen steht das letzte Treffen zwischen Kim Philby (Guy Pearce, 55) und seinem ehemaligen SIS/MI6-Kollegen und langjährigen Freund Nicolas Elliott (Damian Lewis, 51).

Elliott muss einerseits mit dem verletzten Stolz klarkommen und damit, dass ihn sein enger Freund über Jahre oder sogar Jahrzehnte belogen hat. Andererseits gerät er selbst in Verdacht, Philby geholfen zu haben.

Misstrauen unter Freunden und Kollegen

Szenenfoto aus der Mini-Serie "A Spy Among Friends" mit Damian Lewis als Nicholas Elliott.
Szenenfoto aus der Mini-Serie "A Spy Among Friends" mit Damian Lewis als Nicholas Elliott.  © Sony Pictures Television

"A Spy Among Friends" spielt auf mehreren zeitlichen Ebenen. Es beginnt mit Elliott, der nach Beirut geschickt wird, um seinen alten Freund zur Rede zu stellen und womöglich sogar zu bekehren.

"Ich habe mir schon gedacht, dass du es bist", sagt Philby, als er die Tür öffnet. Über mehrere Tage im Jahr 1963 versucht Elliott, Philby zu einem Geständnis zu bringen und zu einem Deal zu überreden, bei dem alle Beteiligten ihr Gesicht wahren können. Doch der aufgeflogene Doppelagent taucht plötzlich unter. Auf einem Schiff entkommt er in die Sowjetunion.

Die Gespräche der beiden Männer wurden vom Geheimdienst abgehört und sind später Gegenstand eines zähen Verhörs durch eine nüchterne MI5-Agentin Lily Thomas (Anna Maxwell Martin, 45), das Elliott über sich ergehen lassen muss.

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Die Handlung wechselt zwischen diesen beiden Gesprächen und einem dritten Verhör zwischen Philby und seinem sowjetischen Kontaktmann. Jeder misstraut jedem.

Oberflächlich geht es in den Gesprächen um den Kalten Krieg, unterschwellig um die britische Gesellschaft, Klassen- und Geschlechterunterschiede. Dazu werden zahlreiche Rückblicke gezeigt, die bis in den Zweiten Weltkrieg zurückreichen.

Offizieller Trailer zu "A Spy Among Friends"

Ein treuer Freund, dem Feind ergeben

Das Titelbild der Magenta TV-Mini-Serie "A Spy Among Friends".
Das Titelbild der Magenta TV-Mini-Serie "A Spy Among Friends".  © Bildmontage: Sony Pictures Television

"Homeland"-Star Damian Lewis, der auch Produzent der Serie ist, und der vielseitige Guy Pearce ("Memento", "The King's Speech - Die Rede des Königs") decken in ihren Rollen als Geheimdienstmitarbeiter und zugeknöpfte Angehörige der britischen Oberklasse glaubwürdig 20 bis 30 Jahre ab.

Philbys doppeltes Spiel war für Pearce nach eigener Aussage eine Herausforderung. "Egal, welche Rolle man spielt, eine echte oder fiktive Person, man versucht die Wahrheit über diese Figur rauszufinden", sagt der 55-Jährige der Deutschen Presse-Agentur in London.

Das war bei Philby allerdings fast unmöglich. Wie spielt man jemanden, der selbst allen etwas vorspielte? Wer Philby wirklich war und wie er tickte, wussten rückblickend wohl nicht mal die Menschen, die ihm nahestanden - oder glaubten, dass sie ihm nahestanden.

"Er war ein Spion. Es ist also alles ein bisschen rätselhaft", so Pearce. "Nach meinem Empfinden lebte er in zwei Welten, und ich musste eine Balance zwischen diesen beiden Welten finden." Das ist dem in England geborenen Australier gelungen.

Düsteres Spionage-Drama ohne Klischees

Guy Pearce auf der US-Premiere seines Films "The Rover".
Guy Pearce auf der US-Premiere seines Films "The Rover".  © Alexandra Wyman/Invision/AP

Drehbuchautor Alexander Cary ("Homeland", "Lie To Me") nahm Macintyres Vorlage und ergänzte eigene Ideen. Manche Namen wurden geändert, einige Charaktere und Szenen "für dramatische Zwecke" erfunden, wie es zu Beginn heißt.

Ähnlich wie das royale Drama "The Crown" enthält "A Spy Among Friends" gleichzeitig Szenen, die fast 1:1 nachgestellt wurden, darunter eine Pressekonferenz, die Philby gab, nachdem er das erste Mal verdächtigt wurde.

Der komplexe Aufbau und die vielen Dialoge erfordern vom Zuschauer ein hohes Maß an Aufmerksamkeit. Die verdient die kammerspielartige Mini-Serie über dieses spannende Kapitel des Kalten Krieges auch.

Guy Pearce und Damian Lewis zeigen herausragende schauspielerische Leistungen und machen "A Spy Among Friends" zu einem packenden Drama. Nur die Szenen, die sich um das Privatleben der erfundenen MI5-Agentin Lily Thomas drehen, wirken deplatziert.

"A Spy Among Friends" ist - trotz einer amüsanten Mini-Szene, in der "James Bond"-Erfinder Ian Fleming vorkommt - frei von den üblichen Agentenfilmklischees. Die sechs Folgen sind düster, manchmal trocken, aber mit nostalgischem Zeitkolorit. Ein sehr britisches und absolut faszinierendes Spionage-Drama.

Titelfoto: Sam Taylor/Sony Pictures Television/Magenta TV/dpa

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