"Bussi Bussi" statt Brauchtum: Tegernsee-Doku pinkelt Reichen ans Bein
Tegernsee - Eine Dokumentation über den Kulturwandel am Tegernsee sorgt für Aufruhr. Statt zünftiges Brauchtum regiert heuer am "Lago Di Bonzo" die "Bussi-Bussi-Gesellschaft" - ein Graus für alle Einheimischen.
Der Film "Kampf um den Tegernsee - Reichtum frisst Brauchtum" wurde inzwischen auf YouTube über 100.000 Mal aufgerufen. Die Resonanz auf die Darstellung von Filmemacher Claus Elßmann (62) ist überwältigend.
Viele Anwohner fühlen sich in ihren Eindrücken bestätigt: Inzwischen zählt nur das Geld. "Aus einer dörflichen Idylle wird eine Bastion für Luxus und Dekadenz", heißt es im Film.
Das trifft den Nerv der Einheimischen, die sich von den "Zuagroasten" überrannt fühlen, erklärt Elßmann im Interview mit dem Münchner Merkur. Die Folgen: Verkehrschaos, Preiswucher und Pseudo-Brauchtum.
Auf exklusiven Events, wie Käfers Almauftrieb im Gut Kaltenbrunn, heißt es "sehen und gesehen werden" - für schlappe 200 Euro pro Sitzplatz. Partybaron Michael Käfer (67) betont, dass sich die Bevölkerungsschichten am Tegernsee gut mischen würden.
Ein Eindruck, den nicht alle teilen: "Die haben da nur ihr Geld geparkt und machen uns Einheimischen das Leben schwer", sagt Anwohner Josef Bogner.
Doku auf YouTube: "Reichtum frisst Brauchtum - Kampf um den Tegernsee"
Nur noch Schampus und Schickeria: Einheimische ätzen unter Preiswucher am Tegernsee
Aus dem Tegernseer Bräustüberl ist inzwischen ein kommerzieller Gastrotempel geworden. Mit lokalen Weißwurst-Zuzlern lässt sich diese Maschine kaum füttern, deshalb karren nun Reisebusse die Touristen an. "Man muss mit der Zeit gehen", findet Wirt Peter Hubert (57), der auf verschiedenen Kanälen persönlich für sein Etablissement wirbt.
Auch Charakter, wie der "Fischer vom Tegernsee" sind den Ortsansässigen ein Dorn im Auge. Wirt Christoph von Preysing (42) gibt sich selbst traditionell, beglückt in seinen Restaurants aber die Schickeria mit teurem Champagner. Einheimische beschreiben die Location als "Schandfleck mit Schampus-Partys".
Leben, wo andere feiern, ist eh längst nicht mehr möglich. "Wir haben Quadratmeterpreise bis über 10.000 Euro", berichtet Heimatführer Thomas Tomaschek. Bezahlen können das nur "Scheichs und Oligarchen", so Tomaschek, der die Entwicklung als "nicht nachhaltig" beschreibt.
"Der Düsseldorfer Industrielle wird uns hier nicht die bayerische Kultur bewahren".
Reiche rümpfen die Nasen: Tegernsee-Doku bereits abgemahnt
Statt authentischer Kultur gibt es am Tegernsee alpenländische Folklore als Kostüm. Mit Integration ins Brauchtum hat das nichts mehr zu tun. Elßmann wehrt sich mit seinem Film gegen die "Invasion der Münchner Bussi-Bussi-Gesellschaft". Dabei geht es ihm nicht nur um den Verlust von Grund und Boden, sondern auch um den Verlust von menschlichen Werten wie Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit.
Dass er ausspricht, was viele denken, stößt an. Eine erste Abmahnung für den Film habe er bereits bekommen. "Die kam von der Rechtsanwältin des Veranstalters eines Society-Events. Hier sieht man ganz klar, dass diese Klientel alles in die Waagschale wirft, um keinen Kratzer im Image zuzulassen", verrät Elßmann.
Titelfoto: Stefan Puchner/dpa

