Chaos bei Ex-Drittliga-Klub: Strafanzeige wegen Betrugs, offene Gehälter, drohender Spielerstreik
Berlin - Harter Tobak im Fall des ehemaligen Drittligisten Viktoria Berlin: Teile des Teams haben in der neuen Saison noch keinen Cent ihres Gehalts gesehen und klagen jetzt vor Gericht. Die Rede ist von Betrug. Selbst ein Spielerstreik steht im Raum.
Diese Vorgänge skizzierte Rechtsanwalt Steffen Golle im Gespräch mit TAG24. Er vertritt nach eigenen Angaben zehn Spieler Viktorias, die seit Saisonbeginn auf ihre Löhne warten.
Dabei wollte Viktoria nach dem Regionalliga-Abstieg eigentlich in der NOFV-Oberliga komplett neu starten, zugleich wurde das vorläufige Insolvenzverfahren Anfang August eingestellt.
Kurz zuvor war die Rückkehr von Rocco Teichmann (39), dem früheren Geschäftsführer des Klubs, verkündet worden. Der alte, neue Hoffnungsträger stellte in Windeseile einen Kader zusammen.
Doch aufgrund Mini-Vorbereitung und der Unausgewogenheit des Kaders - es fehlen unter anderem ein erfahrener Abwehrchef und ein nachgewiesener Torjäger - stellte sich kurzfristig nicht der sportliche Erfolg ein.
Mitte August schied Viktoria aus dem Berliner Landespokal gegen das klassentiefere Polar Pinguin aus, seit Ende August rangiert "Viki" auf dem letzten Tabellenrang der semiprofessionellen Liga.
Spieler und Trainer warten ab dem ersten Monat auf die Gehälter - und werden hingehalten
Doch ab da begannen erst die richtigen Probleme: Auf das August-Salär und - in Einzelfällen Juli-Gehälter - warteten Spieler und Trainer Thomas Kost (56) im September noch.
Zahlungsaufforderungen, Mahnungen und Fristen verstrichen ergebnislos, die Akteure wurden mehrfach vertröstet und hingehalten.
Es war nicht das erste Mal, dass Zahlungsrückstände bei Viktoria existieren. Die Probleme begleiteten die Himmelblauen auch nahezu durch die komplette Vorsaison und Teile der Spielzeit 2023/24.
Im Hintergrund formierte sich eine Gruppe von zehn Spielern um Vizekapitän Anton Kanther (24), die rechtlichen Beistand suchten. Da weder Punkte noch Geld flossen, schnellte die Moral in den Keller.
Mitte Oktober folge das endgültige Zerwürfnis: Dem Teil des Teams, der sich gegen den Gang vors Arbeitsgericht entschieden hatte, wurden die ausstehenden Gehälter nachgezahlt. Den Klägern aus der Mannschaft jedoch nicht!
Die Ungleichbehandlung brachte vor allem Trainer Kost auf die Palme, der ebenso bis heute auf sämtliche Gehälter warten soll. Die Konsequenz: Nach der achten Pleite im neunten Ligaspiel vor einer Woche hatte der erfahrene Fußballlehrer die Faxen dicke und kündigte, wie TAG24 exklusiv berichtete.
Sammelklage vor dem Arbeitsgericht angesetzt
Doch das ist für die Spieler nicht so einfach möglich. Mehrere Monate ohne Einnahmen, Training und Spielbetrieb würden die persönliche Situation drastisch verschlechtern.
Viele Akteure wurden im Sommer mit dem Versprechen geködert, dass die finanziellen Probleme Vergangenheit seien. Im gleichen Zuge wurden durch die Einstellung des Insolvenzverfahrens finanzielle Mittel durch die Gesellschafter freigegeben.
Weshalb die Gehaltszahlungen dennoch nicht zum jeweiligen Monatsende respektive -anfang rausgingen, bleibt ein Geheimnis. Deshalb wird jetzt vor dem Arbeitsgericht geklagt!
Schon vor gut einer Woche endete ein erster vom Verein initiierter außergerichtlicher Vergleich mit einem der Akteure erfolglos.
Für den Großteil der klagenden Spieler ist Anfang November ein Sammeltermin anberaumt, in dem um die ausstehenden Gehälter verhandelt wird. Ein weiterer soll Anfang Dezember folgen.
Strafanzeige wegen Eingehungsbetrug gestellt
Doch damit nicht genug, wie Rechtsanwalt Golle ausführt: "Am 23. Oktober ging eine Strafanzeige wegen Eingehungsbetrug raus" - ein im Profisport überaus unüblicher Vorgang.
Eingehungsbetrug ist eine Sonderform des Betrugs, bei dem der Täter die Absicht oder Befähigung vortäuscht, vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Heruntergebrochen auf die FC Viktoria 1889 Berlin Fußball GmbH:
Die Profiabteilung soll seine sportlichen Angestellten wissentlich getäuscht haben mit Blick auf seine Zahlungsfähigkeit. Ob dem tatsächlich so ist, darüber wird nun ein Staatsanwalt entscheiden.
Die Stimmung ist spätestens seit dem Ausscheiden von Trainer Kost, der im gleichen Boot wie die Spieler sitzt, aber durch einen anderen Rechtsbeistand vertreten wird, am Tiefpunkt.
Derzeit wahrscheinlichstes Szenario: Das Team bestreikt das Heimspiel am 1. November.
Der Stichtag ist kein zufälliger - nach drei Monaten ausbleibenden Gehältern hat ein Arbeitnehmer das Recht gemäß § 273 BGB Zurückbehaltungsrecht die Arbeit zu verweigern. Es wäre der nächste Tiefpunkt im Fall Viktoria Berlins, das 2021/22 noch 3. Liga spielte.
Titelfoto: TAG24/Lukas Schulze

