Der vergessene Chemnitzer Stadtteil: Nikolaivorstadt legte Grundstein

Chemnitz - Zwei neue Ausstellungen im Schloßbergmuseum in Chemnitz - "Metamorphose" und "Klang der Großstadt" - richten den Blick auch auf einen untergegangenen Stadtteil von Chemnitz.

Stefan Thiele (41), Kurator im Schloßbergmuseum, zeigt im Lapidarium einen Stein der zerstörten St.-Nikolaikirche.
Stefan Thiele (41), Kurator im Schloßbergmuseum, zeigt im Lapidarium einen Stein der zerstörten St.-Nikolaikirche.  © Maik Börner

Die im 12. Jahrhundert gegründete Nikolaivorstadt war eine Keimzelle des späteren Chemnitz - und 1844 deren erste Eingemeindung.

Museumskurator Dr. Stefan Thiele (41) kennt alle alten Stadtteile, die heute teilweise vergessen sind: "Mit der Nikolaivorstadt entstand die Johannisvorstadt. Es folgten die Chemnitzer Vorstadt rund um den Moritzhof und die Klostervorstadt an der Kreuzung Innere Kloster-/Theaterstraße. Außerdem gab es im Bereich Müllerstraße das Streitdorf und am heutigen Borssenanger das Borssendorf."

Die Nikolaivorstadt war ein wichtiger Baustein von Chemnitz. Dort gab es vermutlich einen Fernhandelsmarkt am Friedhof der alten Nikolaikirche. Diese wurde 1884 abgebrochen.

Chemnitz: Die spektakulären Rennwagen der DDR im Fahrzeugmuseum in Chemnitz
Chemnitz Kultur & Leute Die spektakulären Rennwagen der DDR im Fahrzeugmuseum in Chemnitz

Der Neubau fiel einem Bombenangriff 1945 zum Opfer. Beide Kirchen standen auf dem Grünstreifen nördlich des Altenheims SenVital.

Die Ausstellungen "Metamorphosen" (F.) und "Der Klang der Großstadt" zeigen das alte Chemnitz vor und nach der Jahrhundertwende.
Die Ausstellungen "Metamorphosen" (F.) und "Der Klang der Großstadt" zeigen das alte Chemnitz vor und nach der Jahrhundertwende.  © Maik Börner
Das Museum Gunzenhauser an der Stollberger Straße war einst Kern der Nikolaivorstadt.
Das Museum Gunzenhauser an der Stollberger Straße war einst Kern der Nikolaivorstadt.  © Maik Börner

SenVital zeigt auch ein Modell der St.-Nikolaikirche

Brigitte Leipart (86) hört im SenVital mit dem Audioguide die Geschichte der Abendmahlskanne aus St. Nikolai.
Brigitte Leipart (86) hört im SenVital mit dem Audioguide die Geschichte der Abendmahlskanne aus St. Nikolai.  © Maik Börner

Die Nikolaivorstadt erstreckte sich von Niklasberg bis Falkeplatz. Ursprung war eine Niklasgasse im Bereich des Museums Gunzenhauser. "Dort am Kappelbach standen später Mühlen", weiß Stefan Thiele.

Er weiß auch: "Schon im 19. Jahrhundert wurde die dörfliche Struktur überbaut."

Das SenVital zeigt neben einer Bilderausstellung aus dem alten Chemnitz ein Modell der St.-Nikolaikirche.

Chemnitz: Mehr als 100 Breakdancer wirbeln über den Chemnitzer Sonnenberg
Chemnitz Kultur & Leute Mehr als 100 Breakdancer wirbeln über den Chemnitzer Sonnenberg

Die Öffnungszeiten im Schloßbergmuseum: dienstags und donnerstags bis sonntags 11 bis 18 Uhr, mittwochs 14 bis 21 Uhr.

Eintritt: 6, ermäßigt 4 Euro, Kinder und Jugendliche frei.

Andreas Knoth (56) zeigt im Seniorenheim SenVital auf das Gemälde mit der St.-Nikolaikirche.
Andreas Knoth (56) zeigt im Seniorenheim SenVital auf das Gemälde mit der St.-Nikolaikirche.  © Maik Börner

Durch das alte Chemnitz

Falkeplatz und St.-Nikolaikirche Ende der 30er-Jahre. Das Gotteshaus wurde 1945 zerstört.
Falkeplatz und St.-Nikolaikirche Ende der 30er-Jahre. Das Gotteshaus wurde 1945 zerstört.  © PR

Kommentar von Bernd Rippert

Betrittst Du ein Museum, mach Dich auf unerwartete Begegnungen gefasst! Mir erging es so am Wochenende, als ich im Schloßbergmuseum die beiden Ausstellungen zum alten Chemnitz besuchte. Ich kann sie nur weiterempfehlen. Sie erlauben einen tiefen Blick in die Zeit vor 100 und mehr Jahren. Sogleich hatte ich den Wunsch, ich könnte eine VR-Brille aufsetzen und durchs alte Chemnitz laufen.

Solche fast echten Zeitsprünge werden schon bald Realität. Stellt Euch vor, Ihr lauft über den prunkvollen Markt mit der Reiterstatue. Ihr erlebt den Gerüstbau für das neue Rathaus. Ein Riesenprojekt. Die Einkaufszentren dort gibt es noch nicht. Dafür herrschaftliche Wohn- und Geschäftshäuser mit fünf bis sechs Etagen. Weiter Richtung Stadthalle, wo einst die mittelalterliche Herrenstraße verlief und unweit das Casinogebäude samt Park die Chemnitzer Oberschicht anlockte.

Die heutige Morgenpost & TAG24 schließlich haben ihren Sitz an der früheren Königsstraße, dem wahren Chemnitzer Zentrum vor 120 Jahren. Vielleicht steht ein Zeitungsjunge vor dem Haus. Schöne Vorstellung.

Titelfoto: PR

Mehr zum Thema Chemnitz Kultur & Leute: