Chemnitz/Lunyuk - Wenn Michael und Nita heute in ihrem kleinen Massagestudio in Chemnitz nebeneinandersitzen, wirkt ihre Nähe selbstverständlich. Ist sie aber nicht. Hinter ihnen liegt ein Weg, der in einem türkischen Hotel begann – und sie über drei Länder geführt hat.
2022 sitzt der Chemnitzer Unternehmer Michael Giersberg (38) im Urlaub auf einer Massageliege. Nita Handayani (27), die aus Bali stammt und in der Türkei arbeitet, massiert schweigend. "Ich war einfach ihr Kunde", sagt er. Doch er kommt am nächsten Tag wieder. Und am übernächsten.
Nita lacht: "Mein Chef dachte schon, da läuft etwas. Aber ich habe gar nichts gemacht." Bei der letzten Massage drückt er ihr seinen Instagram-Namen in die Hand. Nita ignoriert ihn – drei Monate lang. Aus Vorsicht, aus Unsicherheit. Bis sie schließlich "Hi" schreibt.
Michael: "Ich habe gewartet." Es folgen Nachrichten, Videoanrufe, Besuche. "Ich habe gesehen, wie viel er sich bemüht. Das hatte ich nie erlebt", sagt Nita. Doch je näher sie sich kommen, desto klarer wird: Diese Beziehung muss stärker sein als Bürokratie, Grenzen und kulturelle Unterschiede.
2024 heiraten sie, erst standesamtlich in der Türkei. Später reisen sie in Nitas Heimat: ein kleines balinesisches Dorf, abgeschieden zwischen Kokospalmen und Reisfeldern. "Viele dort haben noch nie einen europäischen Mann gesehen", erzählt Nita.
Kinder laufen zuerst weg, kommen dann in Trauben zurück, tuscheln, filmen, lachen. Für Michael ist es wie ein Eintauchen in eine andere Zeit: offene Türen, duftende Räucherstäbchen, Tempelklänge.
Ungewohnte Rituale bei balinesischer Hochzeit
Die Hochzeitszeremonie ist intensiv, voller Rituale, die Generationen überdauert haben. "Sie haben mich in Tücher gewickelt, mir Blumen gereicht, Gebete gesprochen – ich habe einfach mitgemacht", sagt Michael. Ein Moment verändert vieles: Die Familie gibt ihm einen balinesischen Namen – I Gede Purna Bawa. Ein Name, der "Vollständigkeit" und "Neubeginn" bedeutet.
Michael sagt: "Das war ein großer Schritt. Ich habe mich dadurch wirklich aufgenommen gefühlt." Der Priester spuckt symbolisch zur Reinigung zur Seite. Ein Moment, der ihn überrascht. Nita lächelt: "Für meine Familie war es wichtig, dass er das alles akzeptiert. Dadurch haben sie ihn wirklich angenommen."
Heute leben Nita und Michael in Chemnitz und hier beginnt ein ganz eigenes Kapitel. Für Nita ist Deutschland anfangs überwältigend: die Kälte, die Struktur, die Genauigkeit. "In meinem Land essen wir, wenn wir Hunger haben. Hier gibt es Zeiten für alles – sogar für Kuchen", sagt sie lachend.
Chemnitz empfindet sie als ruhig und sauber. "Die Luft ist so anders. Ich habe mich erst an die Stille gewöhnen müssen." Auch die deutschen Gewohnheiten sind für sie ein Lernprozess: Termine, Pünktlichkeit, Formulare. "Hier muss alles offiziell sein. Bei uns macht man vieles spontan."
Nita eröffnet balinesisches Massagestudio in Chemnitz
Dann ist da noch das Essen. Nita entdeckt Döner als Lieblingsgericht. Sauerkraut dagegen? "Das ist schwer für mich. Sehr schwer." Deutsch lernt sie jeden Tag, oft mit Michael – mit Geduld und Humor.
Ihr größter Schritt in Deutschland: Nita eröffnete diese Woche ihr eigenes balinesisches Massagestudio "Sinnesruhe" am Rotdorn 2 in Gablenz. Termine können telefonisch unter 0176/43327798 vereinbart werden.
Ein warmer, heller Raum, weiche Farben, Düfte von Lemongras und Kokos – wie eine stille Insel mitten in der Stadt. "Bei uns ist Massage Gefühl. Energie. Herz. Ich spüre sofort, ob ein Mensch Kraft bringt oder nimmt", sagt Nita. Diese Sensibilität ist für sie kein Konzept, sondern Teil ihrer Kultur. Michael renovierte das gesamte Studio allein, während sie noch in Bali war. "Ich wollte, dass sie hier wirklich Fuß fasst", sagt er ruhig.
Für viele Kunden solle das Studio jetzt ein Ort der Wärme und Ruhe werden – ein Stück Bali, das mitten in Gablenz lebt. Im Alltag prallen zwei Welten aufeinander: manchmal komisch, manchmal herausfordernd, immer lehrreich. Doch beide sagen, dass sie durch ihre Unterschiede wachsen.
Zum Schluss sagt sie einen Satz, der bleibt: "Ich hätte nie gedacht, dass dieser Mann einmal mein Ehemann wird. Aber manchmal führt das Leben dich genau dahin."