Beleidigt und bedroht: So leiden Russen in Chemnitz unter Anfeindungen

Chemnitz - Beleidigungen, Diskriminierung, sogar Todeswünsche: Russischsprachige Mitbürger sehen sich in Chemnitz wegen des Ukraine-Krieges zunehmend mit Rassismus konfrontiert. Ein altbekanntes Problem in neuem Kleid, wie das Chemnitzer Anti-Diskriminierungsbüro erklärt.

Geschockt über so viel Hass: Alexandra Shaburova (27) erhielt die Nachricht "Du sollst sterben".
Geschockt über so viel Hass: Alexandra Shaburova (27) erhielt die Nachricht "Du sollst sterben".  © Maik Börner

Teils im Minutentakt flimmern auf Alexandra Shaburovas (27) Handy die Nachrichten auf. Hilfegesuche aus der russischsprachigen Chemnitzer Community, als deren Sprachrohr die 27-jährige Bloggerin sich versteht.

Aber auch solche, in denen sie selbst zum Opfer des Rassismus wird. Der Inhalt: Aussagen wie "Ihr Russen seid schuldig" oder "Du sollst sterben".

Auf dem Landesamt für Schule und Bildung ist das Problem bereits bekannt. Sprecher Roman Schulz erklärt auf TAG24-Anfrage, dass Kultusminister Christian Piwarz (46, CDU) einen Brief mit Handlungsanweisungen an Schulen und Lehrkräfte verschickte.

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Vorwürfen werde nachgegangen. Sofern sie "konkret mit Ross und Reiter" benannt werden.

Internationale Ereignisse werden häufig genutzt, um Menschen anderer Herkunft zu diskriminieren

Er wird angefeindet: Boris Opochitskiy (29) führt das Restaurant "Tak Tak Tak" und bekam eine schriftliche Beleidigung.
Er wird angefeindet: Boris Opochitskiy (29) führt das Restaurant "Tak Tak Tak" und bekam eine schriftliche Beleidigung.  © Maik Börner

Boris Opochitskiy (29) macht die Entwicklung wütend. Auch er hatte schon Post im Briefkasten seines russischen Restaurants "Tak Tak Tak". "Darin stand irgendwas von Putin und Verbrecher. Ich weiß es nicht mehr ganz genau, ich habe den Brief sofort weggeschmissen."

Doch sehe Opochitskiy, der seit 1998 in Chemnitz lebt, seine Bemühungen torpediert: "Ziel meines Restaurants war, den Menschen die russische Kultur näherzubringen. Ohne Politik, ohne Vorurteile."

Jan Diebold (38) vom Antidiskriminierungsbüro Chemnitz kennt das Phänomen: "Wir beobachteten es schon in anderen Situationen. Wenn internationale Ereignisse benutzt werden, um Menschen anderer Herkunft zu diskriminieren."

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Eines der jüngeren Beispiele war die Anfeindung asiatischer Menschen zu Beginn der Corona-Pandemie. Betroffene können sich an das Antidiskriminierungsbüro unter Tel. 0371/43 30 84 61 wenden.

Jan Diebold (38, m.) arbeitet im Antidiskriminierungsbüro - hier im Foto mit Sozialministerin Petra Köpping (63, SPD, r.), zur Eröffnung der Anlaufstelle.
Jan Diebold (38, m.) arbeitet im Antidiskriminierungsbüro - hier im Foto mit Sozialministerin Petra Köpping (63, SPD, r.), zur Eröffnung der Anlaufstelle.  © Maik Börner

Das ist Rassismus!

Kommentar von Bernd Rippert

Kriege bringen stets die niedrigsten Instinkte der Menschen zum Vorschein. Das betrifft nicht nur die Kriegsverbrechen selbst, die wir nun leider in der Ukraine erleben müssen, sondern auch das Verhalten der Menschen drum herum.

Was viele der in Deutschland lebenden Russen derzeit erdulden müssen, geht auf keine Kuhhaut. Beleidigungen, Beschimpfungen, gar Bedrohungen gegen sie sind seit Ausbruch des Ukraine-Krieges an der Tagesordnung - und nicht hinzunehmen!

Was kann der Russe oder die Russin in Chemnitz dafür, wenn der größenwahnsinnige Präsident Russlands einen Krieg vom Zaun bricht? Nichts. So wie hier lebende Muslime nichts für einen Bombenanschlag radikaler Islamisten können. Jede Beleidigung Unschuldiger ist Rassismus oder gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Wer Unschuldige für eine Untat anderer verantwortlich macht, macht sich schuldig.

Ich hoffe, dass alle schnell wieder zur Vernunft kommen. Statt Russen zu beschimpfen, sollten wir sie für Solidaritätsbekundungen für die Ukraine gewinnen. Oder für Proteste gegen Putin.

Titelfoto: Maik Börner

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