Er war der erste Tagespapa in Chemnitz: "Wir Tageseltern werden regelrecht ausgehungert"

Chemnitz - Michael Schreinert (53) war 2010 der erste Tagespapa von Chemnitz. Mehr als 50 Kinder hat er in den 13 Jahren betreut. Jetzt muss er schweren Herzens aufgeben.

Von den fünf Kindern, die Michael Schreinert (53) derzeit betreut, bleibt im Herbst nur noch eines übrig. Neuanmeldungen? Fehlanzeige.
Von den fünf Kindern, die Michael Schreinert (53) derzeit betreut, bleibt im Herbst nur noch eines übrig. Neuanmeldungen? Fehlanzeige.  © Uwe Meinhold

"Mir bleibt keine Wahl. Ich habe für den Herbst keine Anmeldungen mehr. Weil so viele Kitas neu eröffnet haben, werden wir Tageseltern regelrecht ausgehungert."

Von den derzeit fünf Knirpsen bliebe dem Tagesvater im September nur noch Karl (1). Dessen Mutter Katja Schumann (41) bangt: "Ich hoffe auf ein Wunder. Karl fühlt sich so wohl. Die kleine Gruppe und frisch gekochtes Essen für die Kinder finden wir ideal."

Ronny Kamprath (46) vom Verein Kindertagespflege Chemnitz kennt das Problem: "In den vergangenen vier Jahren sind 1300 neue Kita-Plätze entstanden, die den Eltern angeboten werden. Da haben es Tageseltern im Umkreis schwer, zumal Eltern oft denken, dass diese Betreuung teurer ist."

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Aktuell gibt es in der Stadt 73 Tagesmütter und -väter. Vor fünf Jahren waren es noch über 100. Kamprath: "Ich weiß, dass weitere Kollegen überlegen aufzuhören, weil es für sie wirtschaftlich nicht mehr darstellbar ist."

Als Michael Schreinert im Jahr 2010 anfing, war er der erste Tagesvater in der Stadt.
Als Michael Schreinert im Jahr 2010 anfing, war er der erste Tagesvater in der Stadt.  © Uwe Meinhold

Eltern haben Wahlrecht über Kita-Portal

Der Grat ist schmal: Maximal fünf Kinder zwischen null und drei Jahren dürfen in der Tagespflege betreut werden. "Bei weniger als vier rechnet es sich nicht mehr", so der Vereins-Chef. "Im Bedarfsplan 2023 bis 2025 werden 75 Kindertagespflegestellen zur Beschlussfassung vorgeschlagen", heißt es von der Stadt.

Für Michael Schreinert ein Widerspruch zur aktuellen Situation: "Wir stehen im Bedarfsplan, halten also eingeplante Plätze vor, haben dazu Verträge mit der Stadt geschlossen. Aber es kommen immer weniger Kinder."

Die Stadtverwaltung verweist auf das Wahlrecht über das Kita-Portal: "Betreuungsplätze werden nur dann über das Jugendamt vermittelt, wenn Eltern in Wunscheinrichtungen keinen Platz erhalten können. Dabei stehen Kitas und Tagespflegestellen gleichberechtigt nebeneinander."

Titelfoto: Uwe Meinhold

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