Zwischen Ton und Temperament: Karl-Heinz Richters unverschämte Kunst
Chemnitz - Altes Sportforum, Atelier. Es riecht nach altem Rauch und heißem Kaffee. Karl-Heinz Richter sitzt in einem ausgeblichenen Sessel in seinem Atelier in Chemnitz - überzogen mit Farbflecken, Staub und Erinnerungen. Die Kippe glüht, der Blick funkelt. "Ich hab das extra so gelassen, damit ihr mal seht, wie's bei mir aussieht", grinst der 79-Jährige. "Ist doch ehrlich, oder?"

Ehrlich, das ist ein gutes Wort für diesen Künstler, der sich selbst als Autodidakt bezeichnet, sich lieber mit Ton beschäftigt als mit Trends und seine Werke nicht nach Instagram-Tauglichkeit bewertet.
Sein Ton: derb. Sein Blick: direkt. Seine Kunst: üppig. "Ich bin auf Dicke festgelegt. Ich mach keine Models - ich mach Menschen", sagt er und zieht an der nächsten Zigarette. Seine Skulpturen: große Frauen, pralle Engel, Figuren, bei denen der Hals nicht mehr zu sehen ist.
Richters Biografie liest sich wie ein Umweg mit Pointe: Porzellanformer, hat Marxismus und Sport unterrichtet - "mit der linken Arschbacke, wenn ich ehrlich bin", gerne drüber reden tut er nicht.
Dann ein Beinbruch, Langeweile und Ton in der Hand. Ein Bekannter erkennt sein Talent. Richter bleibt dabei.


Von Chemnitz bis Zürich: Richters Figuren berühren und bleiben im Kopf

Heute hängen seine Engel und Damen in Wohnungen von Chemnitz bis Zürich. Richter hat fast 20 Jahre keine Ausstellung mehr gemacht. "Ich hasse die Öffentlichkeit", knurrt er. "Ich brauche keinen Applaus".
Dabei könnte er viele Geschichten erzählen: von DDR-Zeiten, von Ausstellungen in Luxemburg, von Besuchen bei Buchheim. Stattdessen winkt er ab, schlürft Kaffee, scheucht den Galeristen Benedikt Preis (35) durch den Raum. "Benni, verpack' die ordentlich! Kunst ist kein Umzugsgut!"
Ihm ist es zu verdanken, dass Richter bis 14. Juni seine Werke in der Galerie Schmidt-Rottluff zeigt: "Ich bin ihm zehn Jahre lang auf die Nerven gegangen", lacht Preis. "Seine Figuren treffen einfach einen Nerv und die Leute bleiben wirklich an den Schaufenstern kleben."
Richters Kunst sei unverwechselbar. Und das nicht nur wegen der Körperfülle. "Er zieht die Figuren so weit auseinander, dass die trotzdem noch eine Ästhetik haben", sagt Preis. "Wenn man das Gesicht verdecken würde, würde man an Berge und Täler denken", genau darin liege für ihn das Künstlerische: das Grobe, das bleibt. "Wenn man überlegt, dass er sich das alles selbst beigebracht hat, das ist schon unverwechselbar."
Dennoch zweifelt Richter manchmal an sich und das mit fast 80 Jahren. "Ich mache eine Dame fertig und dann überlege ich doch noch mal." "Vielleicht", sagt er, "ist das gar kein Zeichen von Unsicherheit. Sondern Haltung."
Titelfoto: Bildmontage: Kristin Schmidt