Chemnitzer OB Schulze kündigt schwere Schuldenjahre an: "Wir haben ein strukturelles Defizit"

Chemnitz - Oberbürgermeister Sven Schulze (51, SPD) und Kämmerer Ralph Burghart (52, CDU) sagen eine schwierige Finanzlage für Chemnitz voraus. Das Rathaus rechnet in den kommenden Haushalten mit roten Zahlen und einer noch eklatanteren Gesamtverschuldung.

Kämmerer Ralph Burghart (52, CDU) stellte die Eckpunkte der städtischen Haushaltsplanung vor.
Kämmerer Ralph Burghart (52, CDU) stellte die Eckpunkte der städtischen Haushaltsplanung vor.  © Kristin Schmidt

"Wir haben ein strukturelles Defizit", erklärt Finanzbürgermeister Burghart bei der Präsentation der Zahlen. Von 2023 bis 2027 werde die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben jährlich bei rund 50 Millionen Euro liegen.

Um dennoch Investitionen zu tätigen, muss die Stadt Kredite aufnehmen. Lag die Verschuldung 2021 noch bei rund 101 Millionen Euro, wird die sie in diesem Jahr die 170-Millionen-Euro-Marke knacken.

Der Kämmerer begründet diese Entwicklung mit massiv gestiegenen Energiekosten, Tariferhöhungen, höheren Zuschüssen an städtische Töchter und gestiegene Pflicht-Ausgaben für den sozialen Bereich. "Tatsächlich geben wir hier insgesamt mehr Geld aus", sagte er vor dem Hintergrund der hitzigen Debatte um die Einstellung der städtischen Förderung für zahlreiche Einrichtungen und Projekte der Jugendarbeit und Geflüchtetenhilfe.

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Es gehe nicht darum, die Ausgaben zurückzufahren. "Wir müssen den Anstieg der Ausgaben bremsen." Es ergibt sich dennoch ein Problem: Die Träger der Jugendarbeit und Geflüchtetenhilfe planen für das kommende Jahr bereits mit weniger Personal, seit ihnen die Streichung der Gelder verkündet wurde. Die endgültige Entscheidung über den Haushalt wird aber erst im Frühjahr 2023 durch den Stadtrat fallen.

OB Schulze: "Frau Ruscheinsky (Sozialbürgermeisterin; Anm. d. Red.) hat von mir die Aufgabe, genau hierfür eine Lösung zu suchen." Kämmerer Burghart ergänzte, dass das Rathaus für diese Zwischenzeit eine Budgetmöglichkeit finden werde.

"Ich setze auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Stadträten", so Oberbürgermeister Sven Schulze (51, SPD).
"Ich setze auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Stadträten", so Oberbürgermeister Sven Schulze (51, SPD).  © Kristin Schmidt
Rote Zahlen statt rote Münzen im Chemnitzer Stadtsäckel.
Rote Zahlen statt rote Münzen im Chemnitzer Stadtsäckel.  © Peter Zschage

Steigende Ausgaben, sinkende Einnahmen

Städtische Töchter wie die CVAG müssen 2023/2024 mit 48 Millionen Euro bezuschusst werden.
Städtische Töchter wie die CVAG müssen 2023/2024 mit 48 Millionen Euro bezuschusst werden.  © Uwe Meinhold

Krise, Inflation und Mehrausgaben reißen ein großes Loch ins Stadtsäckel. Diese Lücke können laut Einschätzung des Rathauses auch nicht die gestiegenen Einnahmen bei der Gewerbesteuer und höhere Zuweisungen durch den Freistaat stopfen.

So rechnet die Stadt 2023/2024 beispielsweise mit rund 101 Millionen Euro, die sie für die Sozialumlage aufbringen muss (2021/2022: 91 Millionen Euro). Bezuschussungen für die städtischen Töchter wie die CVAG werden 2023/2024 bei 48 Millionen Euro liegen (2021/2022: 34 Millionen Euro).

Beim stark diskutierten Thema der Jugendarbeit steigen die Ausgaben 2023/2024 auf 26,6 Millionen Euro, 2021/2022 waren es 24,6 Millionen Euro.Auf der Einnahmenseite gibt es erfreuliche Entwicklungen. Vergangenes Jahr nahm die Stadt circa 118 Millionen Euro Gewerbesteuer ein (2020: 95 Millionen), für 2023 rechnet das Rathaus mit 108 Millionen Euro.

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Auch die sächsische Finanzspritze wird mit geschätzt 244 Millionen Euro um 13,5 Millionen Euro üppiger ausfallen als ursprünglich veranschlagt.

Sparmaßnahmen vom Jugendamt stehen derzeit in der Kritik.
Sparmaßnahmen vom Jugendamt stehen derzeit in der Kritik.  © Kristin Schmidt

Wer am Ende entscheidet

Kommentar von Gabriel Schwab

Redakteur Gabriel Schwab
Redakteur Gabriel Schwab  © Kristin Schmidt

Am Ende entscheidet der Stadtrat: In der Frage, ob die städtischen Einsparungen bei Einrichtungen und Projekten der Kinder-, Jugend- und Flüchtlingshilfe unvermeidbar sind, ist die städtische Finanzkalkulation noch nicht aussagekräftig. Beantwortet wird diese erst, wenn der konkrete Haushaltsentwurf vorliegt - und zwar von den Kommunalpolitikern.

In der vergangenen Sitzung des Stadtrates gelobten die Fraktionen durch die Bank weg, ein definitives Aus für alle acht Familienzentren und ein befürchtetes Ende für viele Treffs, Einrichtungen und Projekte nicht mitzutragen. Dafür gilt es, allein in der Kinder- und Jugendhilfe einen Betrag von 1,29 Millionen Euro auszugleichen.

Anfang des kommenden Jahres wird den Stadträten der Haushaltsentwurf für die Jahre 2023 und 2024 vorliegen. Dann herrscht Klarheit über den städtischen Vorschlag, wie viel Geld beispielsweise in Straßen, kulturelle Einrichtungen und kommunale Betriebe fließen soll. Erst dann wird es möglich sein, Beträge zwischen den einzelnen Kostenposten hin- und herzujonglieren.

Ob es schlussendlich gelingen wird, das Defizit auszugleichen, zeigt sich frühestens 2023. Am Ende entscheidet der Stadtrat über den Chemnitzer Haushalt. Bleibt nur abzuwarten, ob er sein Versprechen auch halten kann.

Titelfoto: Kristin Schmidt

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