Flaggen-Affäre von Chemnitz: Warum hängt zum CSD keine Pride-Flagge vorm Rathaus?

Chemnitz - Es ist ein lautes, buntes Zeichen für Vielfalt, Toleranz und Sichtbarkeit: die Regenbogenflagge. Doch genau dieses Symbol wird am 26. Juli 2025 zum Christopher Street Day nicht vor dem Chemnitzer Rathaus wehen. Das sorgt für heftige Kritik.

Stadtrat Joseph Israel (26, Grüne) fordert eine Pride-Flagge am Chemnitzer Rathaus.  © Ralph Kunz

Oberbürgermeister Sven Schulze (53, SPD), Schirmherr des CSD 2025, hat entschieden: keine Regenbogenflagge am Rathaus! Der Grund? Für ihn zähle die "gelebte Akzeptanz im Alltag mehr als symbolische Handlungen", heißt es in einem offiziellen Statement der Stadt.

Außerdem verweist die Verwaltung auf eine interne Richtlinie, die sich an der Beflaggungsvorschrift des Freistaates Sachsen orientiert. Demnach dürfen nur Flaggen von EU, Bund, Land und Stadt gehisst werden. Beflaggt werde an Feier- und Gedenktagen oder auf besondere Anordnung des OB.

Derzeit wehen überhaupt keine Flaggen am Rathaus. Eine Sprecherin der Stadt erklärt: "Aktuell wird die Beflaggungsordnung aufgrund eines Stadtratsbeschlusses vom 18. Juni überprüft und überarbeitet."

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Dort sind nur die Flaggen von EU, BRD, Land und Stadt vorgesehen.

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OB Sven Schulze (53, SPD) lehnt eine Regenbogenfahne am Rathaus ab.  © Uwe Meinhold

Queeres Netzwerk Chemnitz fordert: "Flagge zeigen"

SPD-Stadtrat Maik Otto (45) setzt sich für das Hissen der Regenbogenflagge am Rathaus zum CSD ein.  © Uwe Meinhold

Doch die Entscheidung stößt vielen sauer auf - auch innerhalb von Schulzes eigener Partei. SPD-Stadtrat Maik Otto (45) findet klare Worte: "Die Beflaggung des Rathauses zum CSD wäre ein sichtbares Zeichen für das Engagement der Stadt. In vielen Städten ist das längst selbstverständlich - auch Chemnitz sollte hier nachziehen."

Richard Auerbach, Mitglied im SPD-Unterbezirksvorstand, wird noch deutlicher: "Dass die Stadtspitze keine Regenbogenflagge hisst, ist unverständlich."

Auch Grünen-Stadtrat Joseph Israel (26) zeigt sich enttäuscht: "Ich bin zutiefst enttäuscht über die fehlende Unterstützung und den mangelnden Rückhalt des OB."

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Bereits im Juni hatte er um ein Gespräch gebeten - vergeblich. Andere Städte wie Leipzig oder Düsseldorf seien da deutlich weiter. Immerhin: Zum CSD wird die Fassade des Hauptbahnhofs in Regenbogenfarben illuminiert und OB Schulze nimmt an der Veranstaltung teil.

Das Queere Netzwerk Chemnitz fordert in einem offenen Brief: "Gerade als Kulturhauptstadt muss Chemnitz jetzt Flagge zeigen - queere Menschen gehören sichtbar zur Stadt und das Rathaus ist der richtige Ort dafür."

Am kommenden Samstag werden zahlreiche Teilnehmer zum CSD in Chemnitz erwartet.  © Uwe Meinhold

Flaggen-Affäre

Kommentar von Sebastian Gogol

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Redakteur Sebastian Gogol (40) fordert ebenfalls ein "Zeichen der Solidarität".  © Kristin Schmidt

Ein kleiner Skandal geht gerade viral: Bei einem Coldplay-Konzert in Massachusetts erwischte die "Kiss-Cam" einen verheirateten Geschäftsführer mit seiner Affäre. Ein privater Fehltritt, der plötzlich zur öffentlichen Affäre wurde. Was das mit Chemnitz zu tun hat?

Auch hier bahnt sich gerade eine Affäre an. Nicht zwischen zwei Menschen, sondern zwischen dem Rathaus und dem CSD. Der offizielle Tenor: Gelebte Akzeptanz sei wichtiger als Symbolik.

Klingt gut auf dem Papier. Aber leider bleibt es auch dort. Denn auch im Jahr 2025 ist die Akzeptanz queerer Menschen alles andere als selbstverständlich. Die Angriffe auf CSDs der vergangenen Jahre zeigen: Toleranz ist vielerorts immer noch keine Realität. In einer Zeit wachsender Anfeindungen ist ein Zeichen der Solidarität kein nettes Extra, sondern dringend notwendig.

In Wahrheit geht es nicht bloß um ein Stück Stoff. Es geht um das, wofür es steht: Würde, Sichtbarkeit, Gleichberechtigung. Werte, die nicht nur auf bunten Bannern stehen, sondern im Grundgesetz verankert sind.

Wer sich Vielfalt auf die Fahnen der Kulturhauptstadt schreibt, sollte sie auch am symbolischsten Ort der Stadt hissen: dem Rathaus.

Wäre es nicht ein starkes Bild, wenn am Samstag die Fotografen mit ihrer "Cam" das Rathaus mit der Regenbogenflagge einfangen könnten? Das wäre eine Affäre mit Happy End.

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