20 Jahre Gerhard Richter Archiv: Museum öffnet die Depot-Schränke

Von Heiko Nemitz

Dresden - Er ist und bleibt das Maß aller Dinge in der internationalen Kunst: Unlängst wurde Gerhard Richter (93) wieder zum weltweit bedeutendsten Künstler gekürt. Anfang der Woche wurde seine Familiengeschichte vom SPIEGEL in neue NS-Verstrickungen gebracht. Nun geht es aber wieder um seine Arbeit: Das Gerhard Richter Archiv im Albertinum wird 20 Jahre alt, öffnet zum Jubiläum die Depotschränke, zeigt seltene und kuriose Werke.

Dietmar Elger (67), Leiter des Gerhard-Richter-Archivs, blickt auf Fotografien des Künstlers aus vielen Jahrzehnten.
Dietmar Elger (67), Leiter des Gerhard-Richter-Archivs, blickt auf Fotografien des Künstlers aus vielen Jahrzehnten.  © Steffen Füssel

Das Gerhard-Richter-Archiv der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) wurde am 1. Februar 2006 auf Anregung des damaligen Generaldirektors Martin Roth (†62) gegründet. Von Anfang an ist Dietmar Elger (67) Leiter des Archivs, Gerhard Richter selbst hatte seinen früheren Sekretär dafür vorgeschlagen.

Seitdem sammelt das Archiv alles über das Leben und Werk Gerhard Richters, in Dresden geboren, seit vielen Jahren in Köln lebend und arbeitend. Die Anfänge des Archivs seien bescheiden gewesen, sagt Elger. Zwei Räume, streckenweise drei: "Gerhard Richter wollte es nicht zu groß haben, es sollte nie pompös sein."

Die Arbeit stütze sich laut Elger auf drei Säulen: Sammeln (Ankäufe, Schenkungen, auch durch Richter selbst, der dem Archiv 2012/13 87 Gemälde schenkte), dazu die Unterstützung anderer Ausstellungen - etwa derzeit in Paris -, sowie die Organisation eigener Projekte wie die nun geöffnete Schau "20 Jahre Gerhard Richter Archiv Werke, Materialien, Kuriosa".

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Heute umfasse der Bestand des Archivs 5700 Publikationen, 2400 Einladungskarten und Farbblätter, 480 Plakate, 120 Fotografien, acht Meter analoge Zeitungsberichte von 1956 bis heute und über 100.000 digitale Artikel seit 2006.

Trotz seines Alters begeistert der Sachse Gerhard Richter (93) immer noch den internationalen Kunstmarkt. (Archivbild)
Trotz seines Alters begeistert der Sachse Gerhard Richter (93) immer noch den internationalen Kunstmarkt. (Archivbild)  © ROBERT MICHAEL / AFP
Spuren in der Pop-Kultur: Das Cover des Vinyl-Albums "Daydream Nation" (1988) der US-Alternative-Rockband Sonic Youth mit Richters "Kerze" (1983), ausgelegt in einer Tisch-Vitrine, ist heute kaum mehr bezahlbar.
Spuren in der Pop-Kultur: Das Cover des Vinyl-Albums "Daydream Nation" (1988) der US-Alternative-Rockband Sonic Youth mit Richters "Kerze" (1983), ausgelegt in einer Tisch-Vitrine, ist heute kaum mehr bezahlbar.  © Steffen Füssel

"Die wurden noch nie gezeigt": Werke offenbaren Gerhard Richter als strengen Kurator

Noch nie gezeigt: Skizzen und Rahmenentwürfe Richters, die zeigen, wie akribisch der Künstler seine Ausstellungen plante.
Noch nie gezeigt: Skizzen und Rahmenentwürfe Richters, die zeigen, wie akribisch der Künstler seine Ausstellungen plante.  © Steffen Füssel

Es werden ausgewählte Werke präsentiert, darunter Fotografien des Künstlers im Atelier aus allen Jahrzehnten, erstellt etwa von Anton Corbijn, Angelika Platen und Alice Springs. Die Schau konzentriere sich auf Dinge, die aufeinander verweisen, sagt Kerstin Küster, langjährige wissenschaftliche Mitarbeiterin des Archivs: "Was in den Vitrinen liegt, spiegelt sich auch an den Wänden."

Etwa das Gemälde seiner Tochter "Betty" (1988), das zahlreiche Romancover ziert. Dazu kommen popkulturelle Spuren auf Plattenhüllen etwa von Sonic Youth, den Pet Shop Boys oder den Toten Hosen, Werkannäherungen in Mathe-Heften und Künstlerbüchern.

Zu sehen sind etwa eine Gestaltung Richters für das Porzellan-Service "Obelisico" (1992) oder der Teppich-Entwurf "1024 Farben" (1988 für Vorwerk). Die Auslegeware darf man betreten, laut Küster muss sie die Ausstellung nicht überstehen.

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Besonders erhellend sind Raummodelle und Planskizzen Richters, mit denen er akribisch Präsentationen vornahm - Rahmungen, Hängung, Installation. Küster: "Die wurden noch nie gezeigt." Sie offenbaren Richter als sowohl strengen, zentimetergenauen Kurator seiner eigenen Ausstellungen, sowie als deren lustvoll-spielerischen Vorbereiter.

Die Schau läuft zunächst bis 18. Januar, danach vom 7. Februar bis 12. April.

Titelfoto: Fotomontage/Steffen Füssel/ROBERT MICHAEL / AFP

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