Juwelen-Coup im Grünen Gewölbe: Sachsen muss Anwälten des Remmo-Clans Millionen zahlen

Dresden - Der im Mai mit fünf Verurteilungen und einem Freispruch zu Ende gegangene Prozess um den Einbruch ins Grüne Gewölbe bekommt einen bitteren Nachgeschmack. Der durch den Juwelen-Coup um rund 89 Millionen Euro geschädigte Freistaat muss den Anwälten des Remmo-Clans auch noch Millionen Euro zahlen. Ursächlich ist eine Kostenentscheidung des Landgerichts zum Adhäsionsantrag.

Die sechs Angeklagten sitzen im Februar mit ihren Anwälten im Verhandlungssaal. Die Verteidiger haben sich dank des nicht entschiedenen Adhäsionsantrages im Prozess viel Geld ersessen.
Die sechs Angeklagten sitzen im Februar mit ihren Anwälten im Verhandlungssaal. Die Verteidiger haben sich dank des nicht entschiedenen Adhäsionsantrages im Prozess viel Geld ersessen.  © Sebastian Kahnert/dpa

Um ihre Schadenersatzansprüche durchzusetzen, hatten die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) im Strafprozess gegen die sechs Remmo-Angeklagten einen Adhäsionsantrag gestellt. Zunächst wurde die komplette Schadenshöhe von 117 Millionen Euro geltend gemacht. Nach Rückgabe mehrerer Beutestücke belief sich der Betrag zuletzt auf rund 89 Millionen Euro.

Darin einberechnet waren unter anderem der Wert der noch immer fehlenden Schmuckstücke, Reparaturkosten für zurückgegebenen Stücke, die teils massiv beschädigt waren, sowie Schadenersatz für Beschädigungen am Residenzschloss und den Vitrinen.

Mit dem Adhäsionsantrag habe man Schadenersatzansprüche sichern und Akteneinsicht erlangen wollen, teilten die SKD damals mit. Doch die Sache wurde zum Rohrkrepierer. Die Strafkammer hielt den Schadenersatz zwar "dem Grunde nach" gerechtfertigt, sah aber von einer Entscheidung ab.

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Dem Strafgericht war die Wertermittlung des Geschmeides schlicht zu aufwendig. Bedeutet: Der Freistaat bekam seine Forderungen im Strafprozess nicht tituliert, sondern muss jetzt den viel aufwendigeren Weg eines Zivilverfahrens gehen.

Bis zu 2,42 Millionen Euro aus der Staatskasse für die Remmo-Verteidiger

Der Vorsitzende Richter Andreas Ziegel - seine Kammer verhandelte den Remmo-Prozess und setzte den Streitwert jetzt auf 117 Millionen Euro fest.
Der Vorsitzende Richter Andreas Ziegel - seine Kammer verhandelte den Remmo-Prozess und setzte den Streitwert jetzt auf 117 Millionen Euro fest.  © Matthias Rietschel/Reuters/Pool/dpa

Mit heftigen Folgen für den Steuerzahler: Denn nach dem Prozess traf die Strafkammer eine Kostenentscheidung, die der Staatskasse teuer zu stehen kommt. Denn der Freistaat bekam als Geschädigter die Verfahrenskosten aufgebrummt! Die richten sich nach der Höhe des Streitwerts.

Und da setzte das Gericht nicht etwa die 89 Millionen Euro an, sondern legte den Streitwert auf die ursprünglich beantragten 117 Millionen Euro fest, wie Landgerichtssprecher Andreas Feron TAG24 bestätigte.

Die genauen Verfahrenskosten hat das Gericht noch nicht ermittelt. Doch allein die zwölf Pflicht- und drei Wahlverteidiger des Remmo-Clans können sich auf einen wahren Geldregen freuen.

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Zwar deckelt das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) den Streitwert bei der Gebührenabrechnung auf maximal 30 Millionen Euro. Doch laut RVG-Rechner können die Remmo-Verteidiger bei einer in Adhäsionsverfahren üblichen 2,0-Verfahrensgebühr bis zu 201.788 Euro netto "zusätzliche Gebühren" abrechnen - pro Anwalt. Macht allein bei zwölf Pflichtverteidigern 2,42 Millionen Euro aus der Staatskasse.

Freistaat legt Beschwerde ein: "Remmo-Anwälte werden von uns keinen Cent bekommen"

Zwei der gestohlenen Schmuckstücke: Der Bruststern des polnischen Weißen Adler-Ordens (l.) gehört zu den wieder aufgefundenen Objekten. Das Brillantkollier der Königin Amalie Auguste (r.) fehlt noch immer.
Zwei der gestohlenen Schmuckstücke: Der Bruststern des polnischen Weißen Adler-Ordens (l.) gehört zu den wieder aufgefundenen Objekten. Das Brillantkollier der Königin Amalie Auguste (r.) fehlt noch immer.  © Bildmontage: Jürgen Karpinski/Grünes Gewölbe

"Die Kostenentscheidung ist darin begründet, dass die Kammer von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag überwiegend abgesehen hat", erklärte Landgerichts-Sprecher Feron. Gegen die Kostenentscheidung habe der Freistaat bereits Beschwerde eingelegt, über die noch nicht entschieden sei.

In Justizkreisen wird der offenbar mit sehr heißer Nadel gestrickte Adhäsionsantrag der SKD hinter vorgehaltener Hand als "Lottogewinn für die Remmo-Anwälte" bezeichnet. Es sei aufgrund der aufwendigen Wertermittlung der Schmuckstücke absehbar gewesen, dass der Antrag keinen Erfolg haben würde, meinte etwa ein altgedienter Staatsanwalt.

Wesentlich optimistischer sieht man die Sache im sächsischen Finanzministerium. "Die Remmo-Anwälte werden von uns keinen Cent bekommen, das wird alles gegen den Schadenersatz aufgerechnet", meinte Ministeriumssprecher Jörg Herold im Telefonat mit TAG24.

Aus Justizkreisen war dazu allerdings zu erfahren, dass einer solchen Aufrechnung das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz entgegensteht.

Das ist ein Adhäsionsverfahren

Das Adhäsionsverfahren gibt Opfern von Straftaten die Möglichkeit, ihre zivilrechtlichen Ansprüche auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld bereits im Strafprozess gegen den oder die Täter durchzusetzen. Geschädigte können sich so ein zweites zeitraubendes und risikobehaftetes Verfahren ersparen.

Bedeutet: Reicht ein Opfer einen Adhäsionsantrag ein, entscheidet das Strafgericht nicht nur über die Freiheits- oder Geldstrafe für den Täter, sondern auch über zivilrechtliche Ansprüche des Opfers einer Straftat. In komplizierten Fällen kann es jedoch vorkommen, dass Strafrichter den Anspruch des Opfers zwar dem Grunde nach feststellen, in der Sache jedoch nicht entscheiden.

Bei Adhäsionsverfahren können sowohl die Anwälte des Opfers als auch die der Angeklagten zusätzliche Gebühren abrechnen. Diese richten sich nach der Höhe des Streitwerts.

Titelfoto: Bildmontage: Sebastian Kahnert/dpa, Matthias Rietschel/Reuters/POOL/dpa

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