Der Alltag einer Ärztin auf der Corona-Station

Dresden - Die Internistin Dr. Julia Fantana (39) behandelt eigentlich Notfälle wie Lungen-, Bauchspeicheldrüsen- und Gallenwegsentzündungen oder Magenblutungen. Bis zum 9. März. Seit sechs Wochen arbeitet sie als Ärztin in der umgebauten Corona-Notaufnahme im Haus 27 der Dresdner Uniklinik.

"Covid-19 bleibt eine gefährliche Krankheit, die tödlich verlaufen kann": Dr. Julia Fantana (38) steht mit selbstgenähtem Mundschutz vor der Corona-Notaufnahme. Die Stoffmaske muss jetzt auf dem gesamten Klinikgelände getragen werden.
"Covid-19 bleibt eine gefährliche Krankheit, die tödlich verlaufen kann": Dr. Julia Fantana (38) steht mit selbstgenähtem Mundschutz vor der Corona-Notaufnahme. Die Stoffmaske muss jetzt auf dem gesamten Klinikgelände getragen werden.  © Holm Helis

"Erst haben wir in der Corona-Ambulanz SARS-CoV-2-Tests durchgeführt - an manchem Tag zwischen 8 und 16 Uhr bis zu 300 Rachenabstriche", erzählt sie.

"Dann habe ich in der Notaufnahme die ersten Covid-19-Erkrankungen diagnostiziert. Die Patienten litten unter Luftnot, trockenem Husten, Gliederschmerzen und teils über 39 Grad hohem Fieber."

Viele kamen gerade aus Italien oder Ischgl aus dem Skiurlaub." 

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Als die Bilder mit den Särgen aus Bergamo kamen, hatten alle Sorge vor italienischen Verhältnissen in der Notaufnahme - zu wenige Intensivbetten, zu wenige Beatmungsplätze, zu wenig Personal."

Die Klinikleitung machte die Corona-Krise zur Chefsache. Sie reservierte eine der zwei Klinik-Notaufnahmen ausschließlich für Corona-Verdachtsfälle, zog Dermatologen, Urologen, Chirurgen und Pflegekräfte aus anderen Kliniken zusammen und sagte aufschiebbare Operationen ab.

Hat der Patient Luftnot und fällt der Test positiv aus, werden die Patienten erst bei Frau Dr. Fantana überwacht. Ist ihr Zustand stabil, werden sie ins Klinik-Haus 81 verlegt, wo früher die Akutgeriatrie (Altersmedizin) untergebracht und Behandlungen am Diabetischen Fuß durchgeführt wurden. Dort wurden zwei Stockwerke extra freigeräumt und ausschließlich für Covid-19-Patienten reserviert.

Wer ins Krankenzimmer geht, muss die volle Schutzausrüstung anziehen

Verschärfte Sicherheitsbedingungen: Nur mit solcher Schutzausrüstung und der persönlichen FFP2-Maske darf Dr. Fantana die isolierten Krankenzimmer der Covid-19-Patienten betreten.
Verschärfte Sicherheitsbedingungen: Nur mit solcher Schutzausrüstung und der persönlichen FFP2-Maske darf Dr. Fantana die isolierten Krankenzimmer der Covid-19-Patienten betreten.  © privat/123RF

Auf der Corona-Notaufnahme leitet Dr. Fantana die Patienten-Visiten. "Wer ins Krankenzimmer eines Corona-Patienten geht, muss die volle Schutzausrüstung bestehend aus FFP2-Maske, Schutzbrille, -kittel und Handschuhen anziehen."

"Um sich nicht ständig umziehen zu müssen, sollte man vorher genau überlegen, was man alles mit ins Krankenzimmer nehmen muss." Um Schutzmaterial zu sparen, geht nur noch ein Arzt zur Visite ans Krankenbett.

Die raren FFP2-Schutzmasken werden täglich sterilisiert und bis zu fünfmal wiederverwendet. "Jeder nutzt seine eigene immer wieder, ich die mit meinen Initialen JF", sagt Julia Fantana.

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Auf der Corona-Station liegen die Patienten komplett isoliert in Einzelzimmern. "Weil auch Krankenbesuche verboten wurden, haben wir WLAN-Netze auf den Stationen eingerichtet, damit die Patienten mit ihren Angehörigen skypen können", sagt Dr. Fantana.

Isoliert, einsam und sich bewusst, dass es gegen die neue Krankheit keine zugelassenen Medikamente gibt, sind viele von Todesängsten geplagt. "Manche wollen einfach nur mal mit jemandem reden. Da muss man dann auch mal Emotionen zulassen und immer wieder Mut machen", sagt die Ärztin.

Nicht immer hat die Behandlung Erfolg

"Stay at home": Das gesamte Team der infektiologischen Notaufnahme bat die Bevölkerung, besser zu Hause zu bleiben.
"Stay at home": Das gesamte Team der infektiologischen Notaufnahme bat die Bevölkerung, besser zu Hause zu bleiben.  © privat

Einmal konnte sie zwei Patienten zusammenlegen, als ihre Testergebnisse vorlagen. Beide waren positiv. 

"Sie hatten vor lauter Einsamkeit und Ungewissheit schon fast allen Mut verloren, konnten sich dann aber beim gemeinsamen Atemtraining motivieren."

Oder sie übt mit Patienten, sich zwischendurch auch mal auf den Bauch zu legen, damit die Lunge gleichmäßig belüftet wird.

"Die Ausgangsbeschränkungen waren bitter, aber notwendig. Denn Covid-19 kann tödlich verlaufen, macht manchmal eine künstliche Beatmung notwendig. Und es erkranken längst nicht nur ältere Menschen mit Vorerkrankungen", weiß die Spezialistin.

"Mein jüngster schwer betroffener Patient war erst in den Vierzigern und eigentlich fit, brauchte nur eine Blutdrucktablette am Tag." Er konnte gerettet werden.

Doch nicht immer hat die Behandlung Erfolg. Patienten aus Pflegeheimen und zuletzt zwei Männer (48 und 64 Jahre alt) starben auf der Corona-Station. Eine über 90-jährige Frau wollte nicht leiden, lehnte jegliche lebensverlängernde Maßnahmen ab. "Eine Sterbebegleitung dauert dann zwischen zwölf und 24 Stunden."

Blick in die abgeschirmte Corona-Intensivstation im Universitätsklinikum Dresden. Derzeit werden hier fünf Corona-Patienten behandelt.
Blick in die abgeschirmte Corona-Intensivstation im Universitätsklinikum Dresden. Derzeit werden hier fünf Corona-Patienten behandelt.  © dpa/Sebastian Kahnert
Ankunft im Learjet auf dem Dresdner Flughafen: Weil genügend Intensivbetten frei waren, konnten am 3. April Covid-19-Patienten aus dem französischen Departement Grand Est aufgenommen werden.
Ankunft im Learjet auf dem Dresdner Flughafen: Weil genügend Intensivbetten frei waren, konnten am 3. April Covid-19-Patienten aus dem französischen Departement Grand Est aufgenommen werden.  © imago images/Max Stein
Letzte Rettung Beatmung: Ein an Covid-19 erkrankter Patient liegt in einem Intensivzimmer an einem Beatmungsgerät und einem Dialysegerät im Vordergrund.
Letzte Rettung Beatmung: Ein an Covid-19 erkrankter Patient liegt in einem Intensivzimmer an einem Beatmungsgerät und einem Dialysegerät im Vordergrund.  © dpa/Peter Kneffel
Schnelle Tests bringen Klarheit: In der Corona-Notaufnahme liegen SARS-CoV-2-Testergebnisse innerhalb von vier Stunden vor.
Schnelle Tests bringen Klarheit: In der Corona-Notaufnahme liegen SARS-CoV-2-Testergebnisse innerhalb von vier Stunden vor.  © 123RF

Das Personal fühlt sich sicher, fürchtet keine Ansteckung

Die schnelle Reaktion der Klinikleitung, die Corona-Patientenbereiche streng abzutrennen und die verschärften Hygieneanordnungen zahlten sich aus. "Das Personal fühlt sich sicher, hat keine Angst vor Ansteckung." Das Sicherheitskonzept ging auf. "Bis heute hat sich kein einziger Arzt auf unserer Station mit dem Coronavirus angesteckt."

Dr. Fantana selber lässt sich jede Woche einmal testen. Die Fallzahlen sind nicht explodiert. Die Kurve hat sich abgeflacht. Die Internistin macht Hoffnung: "Die Klinik hat genug Beatmungskapazitäten frei, um sogar Patienten aus Europa aufnehmen zu können. Wir sind gut gerüstet, wenn das Virus jetzt in einem Altersheim ausbrechen würde."

Die nackten Zahlen bestätigen die entspannte Lage. "Aktuell werden bei uns fünf Covid-19-Patienten auf der Intensivstation behandelt", sagt Uniklinik-Sprecher Holger Ostermeyer (58). "Es gibt keinen Corona-Patienten auf Station, nur fünf Verdachtsfälle."

Titelfoto: Holm Helis

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