Damals eine echte Putz-Revolution! Als ein Staubsauger den Dresdnern den Kopf verdrehte

Dresden - "Krieg dem Staube!" heißt es martialisch in einer Werbebroschüre, die Unternehmer Edmund Kussi (1866-1935) vor 119 Jahren in Dresden verteilte. Er revolutionierte das Putzen in Dresdner Eigenheimen und Amtsstuben, erzählt Archivarin Dr. Sylvia Drebinger-Pieper (40) in unserer Sommerserie "Geheimes Dresden".

So wurde die Staubsauger-Neuheit in Dresden beworben.
So wurde die Staubsauger-Neuheit in Dresden beworben.  © Norbert Neumann

Kussi vertrieb als jüdischer Kaufmann ab 1906 topmoderne Staubsauger in Dresden. Der für damalige Verhältnisse handliche "Atom"-Staubsauger war nur ein Jahr zuvor vom Österreicher Gustav Robert Paalen (1873-1945) nach Europa gebracht worden und eine echte Sensation.

Damals waren Krankheiten wie Tuberkulose oder Pocken auch in Dresden allgegenwärtig und die Angst riesig, zu erkranken.

Archivarin Drebinger-Pieper: "Der Staubsauger versprach, sich endlich aktiv und effektiv gegen Keime schützen zu können. Das bis dato gängige Ausklopfen verbreitete Bakterien mehr, als sie zu bekämpfen."

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Staubsauger waren für Zeitgenossen also revolutionär. Noch dazu, wo der "Atom" auch als Elektromodell verkauft wurde.

In Dresden fand der Apparat etliche Käufer!

Die Putz-Innovation fand großen Anklang bei den Dresdnern, fand Archivarin Dr. Sylvia Drebinger-Pieper (40) heraus.
Die Putz-Innovation fand großen Anklang bei den Dresdnern, fand Archivarin Dr. Sylvia Drebinger-Pieper (40) heraus.  © Norbert Neumann

Kein Schnäppchen: 180 Mark für einen "Atom"-Sauger

Aus heutiger Sicht sperrig, damals topmodern: Der Atom-Staubsauger in Aktion. Hier stauben Hausmädchen gerade einen Wandteppich ab.
Aus heutiger Sicht sperrig, damals topmodern: Der Atom-Staubsauger in Aktion. Hier stauben Hausmädchen gerade einen Wandteppich ab.  © Norbert Neumann

"Das Dresdner Straßenamt hat den Atom angeschafft, um Straßenbahnen zu reinigen", weiß Drebinger-Pieper. Aber nicht nur das Straßenamt stand Schlange vor Kussis Ladengeschäft an der Seestraße 18.

In der Broschüre werden weitere Kunden genannt: darunter die Königliche Eisenbahndirektion, das Telegrafenamt, die Kaiserliche Oberpostdirektion, der Stadtrat und, und, und.

Außerdem Dutzende Privatkäufer wie Kommerzienrat Gustav Hartmann (1842-1910), dessen herrschaftliche Villa Hartmann am Laubegaster Elbufer heute noch steht. Hier wurden Teppiche also schon 1906 nicht ausgeklopft, sondern gesaugt!

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Die Dresdner sprangen an auf den "Atom" - wie viele Geräte sie aber letztlich kauften, ist nicht hinterlegt. Rund 180 Mark kostete der "Atom" mit Kurbelantrieb - beim üblichen Tageslohn von 1,25 bis 4,75 Mark kein Schnäppchen.

Edmund Kussi machte gute Geschäfte, gründete 1911 schließlich die Firma RHEOSTAT für Schaltgeräte und elektrische Widerstände.

Geschichte von Edmund Kussi nimmt traurige Wendung

Mit dieser Lizenz verdiente Unternehmer Edmund Kussi (1866-1935) sein Brot in Dresden.
Mit dieser Lizenz verdiente Unternehmer Edmund Kussi (1866-1935) sein Brot in Dresden.  © Norbert Neumann

Leider nimmt seine Geschichte eine traurige Wendung: Nach seinem Tod wird die Familie Kussi 1938 von den Nazis enteignet, später teils in Auschwitz ermordet und sein Unternehmen in der DDR zum Volkseigentum.

Der "Atom"-Staubsauger, den Edmund Kussi Jahrzehnte vorher vertrieben hatte, war da schon längst von Nachfolgemodellen wie dem AEG Vampyr abgelöst worden.

Weitere spannende Anekdoten aus der Stadtgeschichte finden sich im neuen Buch des Stadtarchivs namens "in civitate nostra Dreseden".

Exklusiv erhältlich im Stadtarchiv Dresden (Preis: 49 Euro) oder per Online-Bestellung unter: www.dresden.de/stadtarchiv-buch.

Titelfoto: Bildmontage: Norbert Neumann

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