Wenig Zuckerbrot und ganz viel Peitsche: So streng ging's in Dresdens Arbeitsanstalt zu

Dresden - Vor 147 Jahren brachte die Stadt Dresden arbeitsscheue, trunksüchtige oder "liederliche" Dresdner in einer geschlossenen Arbeitsanstalt unter. Massive Mauern umgaben das Anstaltsgelände an der Königsbrücker Straße 117-119. Archivarin Mandy Ettelt-Demankowski (43) blickt in unserer Sommerserie "Geheimes Dresden" dahinter.

In der Wäscherei mahnte ein Bibelspruch an der Wand: "Folge nicht deinen bösen Lüsten, sondern brich deinen Willen."
In der Wäscherei mahnte ein Bibelspruch an der Wand: "Folge nicht deinen bösen Lüsten, sondern brich deinen Willen."  © Stadtarchiv Dresden

Schon früher gab es Arbeitshäuser in Dresden, aber keines war so groß und ambitioniert wie dieses. Nach einem Stadtratsbeschluss von 1866 wurde die neue, geschlossene Arbeitsanstalt (Motto: Arbeite und Bete) 1878 in der Albertstadt eröffnet.

"Ziel war, arbeitsscheue Menschen wieder dem Arbeitsleben zuzuführen. Sie sollten der Kommune nicht weiter auf der Tasche liegen", erläutert Mandy Ettelt-Demankowski. Sie fand historische Fotos und Anstaltsakten, die den Alltag der Insassen dokumentieren - und der war streng.

"Täglich wurde zwölf bis 14 Stunden gearbeitet. Beten war jeden Tag Pflicht. Selbst am Sonntag war der Tagesablauf reglementiert. Das Gelände war rund um die Uhr bewacht und eine Flucht unmöglich."

Dresden: Wird das Blaue Wunder zum teuren Fass ohne Boden?
Dresden Lokal Wird das Blaue Wunder zum teuren Fass ohne Boden?
Dresden: Große Verspätungen und Ausfälle am Dresdner Hauptbahnhof: Was war da los?
Dresden Lokal Große Verspätungen und Ausfälle am Dresdner Hauptbahnhof: Was war da los?

Mindestens sechs Monate wurde hier interniert, wer der Stadt als Müßiggänger, Bettler oder Vagabund missfiel. Auch Prostituierte oder "leichte Mädchen" saßen ein.

Bis zu 14 Stunden wurde täglich gearbeitet - etwa im Holzhof, natürlich unter Aufsicht.
Bis zu 14 Stunden wurde täglich gearbeitet - etwa im Holzhof, natürlich unter Aufsicht.  © Petra Hornig
Mandy Ettelt-Demankowski (43) zeigt den Grundriss der Arbeitsanstalt an der Königsbrücker Straße 117-119.
Mandy Ettelt-Demankowski (43) zeigt den Grundriss der Arbeitsanstalt an der Königsbrücker Straße 117-119.  © Petra Hornig

Dresdner Arbeitsanstalt war nicht nur auf Strenge ausgelegt

So sieht das Gebäude-Ensemble heute aus. Vorne steht das damalige Verwaltungsgebäude. In anliegenden Häusern wohnten und werkelten Anstaltsbewohner.
So sieht das Gebäude-Ensemble heute aus. Vorne steht das damalige Verwaltungsgebäude. In anliegenden Häusern wohnten und werkelten Anstaltsbewohner.  © Petra Hornig

Immerhin: Die Arbeiter wurden gering entlohnt und wer sich gut führte, bekam Prämien wie Freigang oder Extra-Essen. Im Gegenzug wurde bestraft, wer sich widersetzte.

"Etwa über Nahrungsentzug oder Arrest. Nach einem Gespräch mit dem Arzt durfte der Direktor die Insassen schlagen", weiß Ettelt-Demankowski.

Sie betont: "Das Regime war nicht nur auf Strenge ausgelegt, sondern sollte ausgewogen sein. Wer wollte, bekam zum Beispiel Musikunterricht. Außerdem trugen die Insassen keine Uniform, wenn sie Freigang hatten. Man sollte ihnen ihren Status nicht ansehen."

Diese Aktenbücher verzeichnen unter anderem Tages- und Speisepläne der Insassen.
Diese Aktenbücher verzeichnen unter anderem Tages- und Speisepläne der Insassen.  © Petra Hornig
Frauen und Männer lebten und arbeiteten voneinander getrennt. Dieses Bild hält eine Singstunde im Frauenhaus fest.
Frauen und Männer lebten und arbeiteten voneinander getrennt. Dieses Bild hält eine Singstunde im Frauenhaus fest.  © Petra Hornig

So wird das Gelände der Dresdner Arbeitsanstalt heute genutzt

Regelmäßiges Beten in der Kapelle war ein Muss.
Regelmäßiges Beten in der Kapelle war ein Muss.  © Petra Hornig

Ausgelegt war die Arbeitsanstalt an der Königsbrücker Straße für hundert Frauen und 250 Männer. Im Verwaltungsgebäude an der Straßenseite wohnte das Anstalts-Personal, in geschlechtergetrennten Detentionshäusern die einsitzenden Männer und Frauen. Sie arbeiteten in der Wäscherei, im Kesselhaus, in der Nähstube oder im Holzhof und fertigten sogar Auftragsarbeiten an.

Dann schloss die Stadt Dresden ihre Arbeitsanstalt im Jahr 1921 für immer. "Warum, geht aus den gefundenen Akten nicht hervor", sagt die Archivarin.

Nach 1921 fungierten die Gebäude unter anderem als Lazarett, Kindergarten oder VEB Steppdeckenwerk. Inzwischen wurden die Gebäude saniert, haben sich Dresdner in Eigentumswohnungen eingerichtet - dort, wo einst "Asoziale" zum Schuften gezwungen wurden.

Gründe für eine Einweisung in die Anstalt waren mannigfaltig. In Schönschrift notierten Mitarbeiter zum Beispiel "Arbeitsscheue", "Müßiggang", "Lüderlichkeit" ...
Gründe für eine Einweisung in die Anstalt waren mannigfaltig. In Schönschrift notierten Mitarbeiter zum Beispiel "Arbeitsscheue", "Müßiggang", "Lüderlichkeit" ...  © Petra Hornig

Weitere spannende Anekdoten aus der Stadtgeschichte finden sich im neuen Buch des Stadtarchivs namens "in civitate nostra Dreseden". Exklusiv erhältlich im Stadtarchiv Dresden (Preis: 49 Euro) oder per Online-Bestellung unter: www.dresden.de/stadtarchiv-buch

Titelfoto: Bildmontage: Stadtarchiv Dresden, Petra Hornig (2)

Mehr zum Thema Dresden Lokal: