Der Letzte seiner Art: Das ist Sachsens einziger Landkartenmaler

Bad Schandau - Wenn Rolf Böhm (63) in der Natur wandert, dann saugt er die Landschaft auf. Sorgfältig notiert sich der Bad Schandauer Wege, Klettergipfel, Denksteine - und manchmal sogar Misthaufen. Er ist Sachsens einziger professioneller Landkartenzeichner.

Im heimischen Arbeitszimmer: Rolf Böhm (63) ist Sachsens einziger professioneller Landkartenzeichner.
Im heimischen Arbeitszimmer: Rolf Böhm (63) ist Sachsens einziger professioneller Landkartenzeichner.  © Falk Förster

Seit 30 Jahren zeichnet Böhm Wanderkarten, kartografiert Landschaft und Routen in der Sächsischen Schweiz, im Zittauer Gebirge und Tharandter Wald.

Dafür durchkämmt er wochenlang die Natur, hält dabei Pfade, Brücken, Gasthäuser auf Papier fest. Zu Hause im Kirnitzschtal zeichnet er alles händisch mit Pinsel, Feder und Tinte in verschiedenen Farben auf seinen Wanderkarten ein.

"Es gibt so viel zu entdecken. Die Landschaft erzählt Geschichten", schwärmt Böhm. "Im Polenztal habe ich erst kürzlich einen alten Bahndamm von 1945 entdeckt und in der Karte vermerkt. Der wurde offenbar noch von Häftlingen vorm Kriegsende gebaut, sollte ein neues Industriegebiet erschließen."

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Aber auch den neuen Bauabschnitt der Schmalspurbahn bei Lohsdorf hat er eingetragen. Kaum etwas entgeht ihm und seinen Karten: verschobene Feuerstellen, neue Bänke, vom Borkenkäfer zerstörte Wälder, verschwundene Pfade.

"Die Natur verändert sich langsam, aber unaufhörlich", sagt er. Darum bringt er neue Auflagen mit Hunderten Änderungen heraus - und arbeitet an einer bis zu zwei Jahren.

Mit Feder zeichnet der Kartograf sorgfältig alles auf seiner Karte ein.
Mit Feder zeichnet der Kartograf sorgfältig alles auf seiner Karte ein.  © Falk Förster
An einer Wanderkarte arbeitet er bis zu zwei Jahre.
An einer Wanderkarte arbeitet er bis zu zwei Jahre.  © Falk Förster
Schon über 20 Wanderkarten hat Böhm veröffentlicht, manche in mehrmals aktualisierter Auflage.
Schon über 20 Wanderkarten hat Böhm veröffentlicht, manche in mehrmals aktualisierter Auflage.  © Falk Förster
Böhm (l.) im Jahr 1982 während einer Kartografen-Exkursion auf Rügen.
Böhm (l.) im Jahr 1982 während einer Kartografen-Exkursion auf Rügen.  © Repro: Falk Förster

Böhm machte seine Lehre in Dresden

Wochenlang erkundet er die Gebiete für seine Karten, trägt Veränderungen wie neue, verfallene oder gesperrte Brücken ein.
Wochenlang erkundet er die Gebiete für seine Karten, trägt Veränderungen wie neue, verfallene oder gesperrte Brücken ein.  © Falk Förster

"Ich war schon als Jugendlicher gerne wandern, klettern, boofen", erinnert sich Böhm. Auch für Wandertage mit der Schule und meinen Kletterverein malte ich Karten. Als ich Robinson Crusoe las, musste ich erst mal eine Karte der Insel machen."

Nach der Lehre zum Landkartenzeichner im VEB Kombinat Geodäsie und Kartografie in Dresden studierte er Kartografie, zeichnete dann bei der NVA in Schwerin geheime Kriegskarten mit Gefechtsstellungen und Panzerstraßen. Nach der Wende machte er sich selbstständig.

"Damals gab es nur rudimentäre Karten, es war ja in der DDR vieles geheim oder wurde nicht veröffentlicht", so Böhm. Seitdem brachte er über 20 handgezeichnete Wanderkarten heraus, vervielfältigte die digital am Computer, verkaufte über 800.000 Stück, sogar bis nach Peru.

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Am beliebtesten sind die Wanderkarten Bastei und Königstein. Böhm selbst mag Stolpen am liebsten. "Da ist herrliches, altes Land, einsame Natur", freut er sich. Böhm zeichnet auch praktische Tipps für Wanderer in seine Karten ein, warnt etwa vor aggressiven Radfahrern.

Auch so manche Kuriositäten finden sich: So fand er nach kilometerlangem Laufen einen "riesigen Misthaufen" nahe Ehrenberg - auch dieser ist nun auf der Karte "Brand Hohnstein" vermerkt.

Titelfoto: Falk Förster

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