Im Land des Lächelns: "Der Freischütz" feiert Premiere auf der Felsenbühne Rathen
Von Lutz Stordel
Rathen - Die Premiere am Freitag, dem 23. Juni, musste schlechten Wetters wegen nach der Wolfsschluchtszene abgebrochen werden. Einen Tag später ging alles klar, die Neuinszenierung von Webers Oper "Der Freischütz" in Regie von Landesbühnen-Intendant Manuel Schöbel (62) auf der neuen Felsenbühne Rathen konnte durchgespielt werden.
Oper Open Air kann manches nicht sein: ein musikalisch filigranes Ereignis, das gibt der Ort nicht her.
Szenisches Experimentieren, dies erwartet das Publikum nicht. Und wenn der Freischütz auf der Felsenbühne ballert, muss auch kein szenisches Feuerwerk herauskommen. Dass Webers Oper dann nahe an der Operette chargiert, aber auch nicht.
Was haben diese Brautjungfern nur Backstage genommen: Lachgas? Jedenfalls sind die Mädels eher vom "Land des Lächelns" hereingeschwebt.
Gute Miene zum bösen Spiel? Nein, Doppelbödigkeit ist nicht die Basis der neuen Freischütz-Produktion.
Szenischer Hingucker: der teuflische Samiel, verkleidet als "Edward mit den Scherenhänden", eskortiert von vier spinnenartigen Begleitern.
Und wann gab es bei Weber schon einmal Pferde? Effektvoll und bedrohlich eingesetzt in der Wolfsschluchtszene, wenn die befackelte Reiterin durch den Graben rast.
Die goldene Mitte?
Leider vergeht bis zur Wolfsschluchtszene über eine Stunde. Auf der Uhr. Gefühlt sind es mindestens drei.
Wenn die Dämmerung noch nicht eingesetzt hat, wenn Lichteffekte keine Chance haben - und das alberne Libretto von Friedrich Kind die Handlung bremst, dann zieht sich der Abend auf der kargen Bühne doch recht in die Länge.
Ok: Kuno hat einen Rollator, es gibt etwas derbe Gesten, aber Rathen ist nun auch kein Pilgerort für Freunde des Kammerspiels.
Wer weit weg von der Szene sitzt, muss schließlich auch noch etwas mitbekommen.
Die Wahl des Sitzplatzes: nicht unerheblich für das Theatererlebnis. In den rechten Blöcken stimmt weder Akustik noch Blickwinkel. Lieber mittige Plätze kaufen.
Und auf denen wird sie dann sichtbar, nach der Pause, die Theatermagie. Wenn die Kugeln gegossen werden.
„Freischütz“ in Rathen: Der abgeschaffte Probeschuss
Schon als Kind hat der Rezensent hier den "Freischütz" gesehen, in den Siebzigern des letzten Jahrhunderts.
Als Erinnerung ist nur diese Szene geblieben, und nur wegen dieser gehört Webers Oper zu Rathen. Und vielleicht überhaupt noch auf Spielpläne. Und diese Szene hat das Ensemble wieder gemeistert: rauchig, knallig, bunt. Einfach stark.
Aber vieles plätschert dahin, das Orchester ist mitunter leiser als die Bässe der Techno-Freaks, die in irgendeiner nahegelegenen Boofe auf Party geschaltet haben.
Selbst die Amseln mischen sich in manche Dialoge ein. Der Abend, wenig spannungsgeladen, mitunter etwas oberflächlich und harmoniesüchtig. Aber das Werk geht ja auch gut aus.
Der Probeschuss wird abgeschafft, eigentlich.
Aber Samiel und seine dienende Wirtin rekrutieren im Finale neue Spinnenwesen - was auch notwendig ist: "Der Freischütz" steht in dieser Saison noch sechsmal auf dem Spielplan.
Titelfoto: Martin Förster