Interview mit Peter Kahane: So ist "Stubbe"-Star Wolfgang Stumph wirklich!

Dresden - Am 31. Januar wird er 75 Jahre alt, Wolfgang Stumph. Zum Geburtstag, fast zum Reinfeiern, strahlt das ZDF am heutigen Samstagbend (20.15 Uhr) einen neuen "Stubbe" aus: "Tödliche Hilfe". Nach 50 Folgen der 2014 beendeten Serie ist dieser Film das zweite "Stubbe"-Special.

Wolfgang Stumph (heute noch 74) und Peter Kahane (71) im Sommer am Rande von Dreharbeiten in Dresden.
Wolfgang Stumph (heute noch 74) und Peter Kahane (71) im Sommer am Rande von Dreharbeiten in Dresden.  © privat/Stumph

Der Kommissar befindet sich in Rente, doch nicht im Ruhestand. Das Drehbuch schrieb der Regisseur Peter Kahane (71), Miterfinder der Stubbe-Figur und langjähriger Weggefährte des Schauspielers. Wenige in der Branche kennen Wolfgang Stumph so gut wie Kahane. Insofern ist er der richtige Gesprächspartner für ein Interview zum Dreivierteljahrhundertsten des Stars.

TAG24: Herr Kahane, wer hatte als Erstes die Idee zur Stubbe-Figur, Sie oder Wolfgang Stumph?

Peter Kahane: Als ich den Auftrag bekam, eine Drehbuchreihe für Wolfgang Stumph zu entwickeln, gab es schon einige Eckpunkte für das Projekt, das Alfried Nehring, der damalige Producer, bereits gemeinsam mit Wolfgang verabredet hatte: Die Filme sollten gleichzeitig Krimi und Familiengeschichte sein und die Handlung sollte hauptsächlich in Hamburg spielen. Klar war auch, dass die Stubbe-Figur dicht am Darsteller entwickelt werden sollte.

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Wolfgang Stumph ist ja ein typischer Volksschauspieler. Die sind in der Regel beim Spiel sehr bei sich, für die muss man gar keinen neuen Typus erfinden. Sollte man jedenfalls nicht.

Meine Aufgabe war es also, mit weiteren Ideen die gegebene Figur anzureichern, ihr spezielle Eigenheiten zu geben. Handlung und Szenen mussten so geschrieben werden, dass sie den besonderen Charakter und die Möglichkeiten des Darstellers hervorheben. Dazu musste ich Wolfgang natürlich erst mal kennenlernen. Aber das ging schnell, wir verstanden uns sofort.

TAG24: Welche Eigenschaften, die Sie mit Stumph verbinden, haben Sie Stubbe auf den Leib geschrieben?

Peter Kahane: Na zuerst sind beide, also sowohl Stumph als auch Stubbe, "Familienmenschen". Das bildet sich fast 1:1 ab. Dieser Begriff umschließt für mich Eigenschaften wie Warmherzigkeit und Treue auf der einen Seite und Konfliktbereitschaft auf der anderen.

Stubbe kann streiten, kann nachgeben, kann stur sein – vermutlich (ich bin ja nicht immer dabei) wie im Leben. Für den Film sind diese Konflikte, die er mit allen seinen Partnern, vor allem mit seiner Filmtochter Christiane, ausgetragen hat, sehr wichtig, sonst wäre ja alles nur langweilig. So hoch die Wellen aber auch schlagen, am Ende spürt man Liebe und Nähe. Da sind wir wieder bei Stumph.

Außerdem habe ich immer Wert darauf gelegt, Stubbes sozialen und beruflichen Instinkt zu beschreiben. Stubbe ist ein Menschenkenner, das hat ihn auch zu einem erfolgreichen Polizisten werden lassen. Das macht auch einen Teil von Stumphs Erfolg aus.

Andere Teile des Erfolgs von Stumph/Stubbe sind eine gewisse Schlitzohrigkeit (besonders denen gegenüber, die ihn unterschätzen) und eine ziemliche Hartnäckigkeit. Das alles mischt sich mit großer Loyalität, mit Verbindlichkeit, Charme und Witz. Es sind die lebensnahen Widersprüche, die den Stubbe für mich immer wieder interessant gemacht haben.

So haben sich Wolfgang Stumph und Peter Kahane kennengelernt

Wolfgang Stumph (74) bei Dreharbeiten in Dresden.
Wolfgang Stumph (74) bei Dreharbeiten in Dresden.  © Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa

TAG24: Stumph möchte gern über viele Dinge die Kontrolle haben. Wie stark hat er Ihnen in die Drehbücher hineingewirkt?

Peter Kahane: Es gibt den verbreiteten Irrtum, dass ein Drehbuch wie ein Geniestreich in der Abgeschiedenheit eines Autorenstübchens entsteht. Nein, Drehbücher, insbesondere für Fernsehfilme, entstehen in einem Prozess, bei dem mehrere Personen mitreden, Wünsche anmelden, Kritik üben. Das sind die Auftraggeber, also der Redakteur der jeweiligen Fernsehstation, der Produzent, irgendwann auch der Regisseur. Zuerst redet man über eine Ideenskizze, dann über das Exposé, das Treatment und dann erst über das Drehbuch. Und nicht nur einmal.

Drehbucharbeit ist Teamarbeit, auch wenn es nur einen Autor gibt. Der muss sich mit seinen Argumenten gegen Kritik durchsetzen – oder sie akzeptieren. Oder aus dem Projekt aussteigen, was eher die Ausnahme ist. Meine Handschrift als Autor habe ich in diesem Prozess nie geändert.

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Ganz selten reden auch Hauptdarsteller mit, Stumph lässt sich das nicht nehmen. Er ist von Anfang an dabei. Das ist für mich als Autor kein Problem – ich nehme gern an, was mich inspiriert. Aber genauso lehne ich ab, was mir nicht gefällt. Mit guten Argumenten natürlich.

Stumph hört da genau hin, er weiß, dass es mir nicht um Autoreneitelkeit geht. Und er hat Vertrauen in meine Arbeit. Gegenseitiges Vertrauen ist übrigens die Grundlage unserer Zusammenarbeit.

TAG24: Stumphs große Karriere begann nach Wende und Wiedervereinigung, Sie hatten schon eine zu DDR-Zeiten. Wie und wann haben Sie sich kennengelernt?

Peter Kahane: Das war 1993 oder 1994. Die Polyphon produzierte damals mit Wolfgang Stumph sehr erfolgreich die satirische Serie "Salto Postale". Jetzt wollte man eine Reihe entwickeln, die neben den üblichen Krimielementen auch Familiäres und Komisches erzählt. Ein Mischgenre.

Ich hatte in dieser Zeit für die gleiche Firma Drehbücher für den "Polizeiruf 110" geschrieben. Der Producer kannte mich also. Und er kannte und mochte auch meine DEFA-Filme. Offenbar versprach er sich etwas von dieser Mischung.

Ich gebe zu, dass ich einen Moment gezögert habe, das Angebot anzunehmen: Für mich sind Satire und Komödie unvereinbar, bin kein großer Satirefreund. Und Wolfgang Stumph war damals in meinen Augen eher ein Satiriker als ein Schauspieler. Aber dann war ich doch neugierig.

Gegensätze ziehen sich an: "Ja, wir sind sehr unterschiedlich"

Schauspieler Wolfgang Stump wird am Sonntag 75 Jahre alt.
Schauspieler Wolfgang Stump wird am Sonntag 75 Jahre alt.  © Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa

TAG24: Wann hat es künstlerisch gefunkt zwischen Ihnen beiden?

Peter Kahane: Als ich begriffen habe, dass Wolfgang Stumph offen ist für meine Art, die Dinge des Lebens zu beschreiben.

TAG24: War da immer eitel Sonnenschein zwischen Ihnen oder hat es auch mal gekracht?

Peter Kahane: Natürlich gab es auch mal Krach, aber das war eher die Ausnahme. Wir hingen beide immer viel zu sehr an der Sache, um unsere Energien in Streitigkeiten zu verlieren. Außerdem: Wolfgang kann gar nicht richtig streiten. Da kenne ich viel größere Zanktalente.

Natürlich gibt es manchmal auch Grundsätzliches, was geklärt werden muss. Oder eben nicht geklärt werden kann. In dem Fall muss man harte Entscheidungen treffen. Aber oft sind es einfach nur Missverständnisse und Ängste. Die kann man ausräumen, vor allem, wenn man so viel Vertrauen haben kann, wie wir zueinander haben.

TAG24: Sie sind Berliner, Stumph ist Sachse. Sie kommen vom Kino, er vom Kabarett. Gleich und gleich gesellt sich gern, passt also nicht. Sind es die Gegensätze, die sich anziehen?

Peter Kahane: Ja, wir sind wirklich sehr unterschiedlich. Aber gerade das hat die Zusammenarbeit interessant gemacht. Mit der Zeit ist da ein großer gegenseitiger Respekt gewachsen. Und Freundschaft, die über die Arbeit hinausgeht.

TAG24: Das Stubbe-Universum verzeichnet Sie 20-mal als Drehbuchautor und elfmal als Regisseur - sind weitere Stubbe-Filme in Planung, an denen Sie mitzuwirken gedenken?

Peter Kahane: Im Moment habe ich leider keine Zeit für ein neues Stubbe-Projekt. Ich arbeite an einem Spielfilmprojekt und einer Miniserie, bin damit ganz ausgefüllt. Was danach kommt, weiß ich nicht. Mal sehen.

Darum geht es im neuen "Stubbe"

Wolfgang Stumph (Stubbe) mit Tochter Stephanie (Christiane) und Heike Trinker (Marlene, l.) in "Tödliche Hilfe".
Wolfgang Stumph (Stubbe) mit Tochter Stephanie (Christiane) und Heike Trinker (Marlene, l.) in "Tödliche Hilfe".  © ZDF/Rudolf Wernicke.

Der "Stubbe"-Film "Tödliche Hilfe" dreht sich um kriminelle Aktivitäten in der Altenpflege.

Stubbes Tochter Christiane (Stephanie Stumph), die als freischaffende Journalistin in Hamburg lebt, wird von einem Dresdner Jugendfreund um Hilfe gebeten. Dessen Mutter ist unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen, nun wirft der Sohn dem lokalen Pflegedienst Diebstahl und Mord vor.

Christiane will ihre Recherchen vorm Vater verbergen, aber das geht gründlich schief. Der Rentner-Kommissar schaltet sich ein.

An der Seite von Wolfgang Stumph steht auch diesmal Heike Trinker, die Stubbes Lebensgefährtin Marlene spielt. Regie führt Andreas Herzog (53).

Das ist Peter Kahane

Peter Kahane wurde am 30. Mai 1949 in Prag geboren und wuchs in Berlin auf. Er erwarb das Lehrer-Diplom für die Sprachen Russisch und Französisch, bevor er in Berlin-Babelsberg Regie studierte.

In den frühen 80er-Jahren heuerte er bei der DEFA an. Sein bekanntester Film aus jener Zeit war 1984 "Ete und Ali" mit Jörg Schüttauf. Nach der Wiedervereinigung arbeite er hauptsächlich für das Fernsehen, aber auch fürs Kino.

Mit Wolfgang Stumph in der Hauptrolle entstand 1999 der Film "Bis zum Horizont und weiter", 2008 verfilmte er das Jugendbuch "Die rote Zora". Kahanes langlebigstes Projekt als Drehbuchautor ist die Krimiserie "Stubbe - Von Fall zu Fall". Bei einigen Folgen führte er auch Regie.

Der Künstler ist verheiratet und hat zwei Söhne.

Titelfoto: privat/Stumph

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