Wohnen, wo die Schriftsteller-Legende als Junge lebte: Familie Weigang und ihr Leben mit Erich Kästner

Dresden - Mitten im Hechtviertel liegt der Altbau, den Katrin Weigang (54) und ihre Familie mit viel Herzblut saniert haben. Doch die türkisgrüne Farbe ist nicht die einzige Besonderheit des fünfstöckigen Mietshauses in der Hechtstraße 28: Schriftsteller Erich Kästner (1899-1974) ging hier als Junge ein und aus!

Heute wohnen 17 Familien im und hinter dem grünen Vorderhaus.
Heute wohnen 17 Familien im und hinter dem grünen Vorderhaus.  © Petra Hornig

"Wir gehen davon aus, dass das Haus in den 1870er-Jahren errichtet wurde", sagt Weigang, während sie vorsichtig durch einen Ordner mit Folien und alten Dokumenten blättert.

In Archiven und dem Grundbuch konnten sie und Freund Enrico Seifarth (56) nur wenig über die Anfangszeit des Hauses herausfinden. "Vieles ging durch den Krieg verloren."

Doch über eine Episode wissen die beiden bestens Bescheid: Sowohl das grüne Vorderhaus als auch das sich anschließende Gebäudeensemble, bestehend aus Innenhof, Seitenhaus, Hinterhaus und Garagen, waren jahrzehntelang Eigentum der Familie Kästner!

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Unter der Ägide von Erichs Lieblingsonkel Franz Augustin wurde der Komplex als Fleischerei, Gärtnerei und später sogar als königliche Zucht für bis zu 64 Pferde genutzt.

Das Haus wurde vermutlich in den 1870er-Jahren errichtet.
Das Haus wurde vermutlich in den 1870er-Jahren errichtet.  © Petra Hornig
Der Hinterhof wurde für viele verschiedene Zwecke genutzt. In den Gebäuden links kamen Pferde unter.
Der Hinterhof wurde für viele verschiedene Zwecke genutzt. In den Gebäuden links kamen Pferde unter.  © Petra Hornig
Katrin Weigang (54) und Lebensgefährte Enrico Seifarth (56) werden häufig auf ihre Vorgänger angesprochen.
Katrin Weigang (54) und Lebensgefährte Enrico Seifarth (56) werden häufig auf ihre Vorgänger angesprochen.  © Petra Hornig
Erichs Onkel Franz Augustin lebte bis 1918 auf dem Grundstück.
Erichs Onkel Franz Augustin lebte bis 1918 auf dem Grundstück.  © Petra Hornig
"Jahre der Flickschusterei": Unter anderem mit Brettern von polnischen Transportkisten baute Weigangs Opa die Gebäude für seine Familie aus.
"Jahre der Flickschusterei": Unter anderem mit Brettern von polnischen Transportkisten baute Weigangs Opa die Gebäude für seine Familie aus.  © Petra Hornig
Schriftsteller Erich Kästner (1899-1974) ging als Junge in der Hechtstraße ein und aus.
Schriftsteller Erich Kästner (1899-1974) ging als Junge in der Hechtstraße ein und aus.  © Petra Hornig

Heute dürfen 17 Mietparteien das Gelände im "Hecht" ihr Zuhause nennen

In "Als ich ein kleiner Junge war" (1957) finden sich Hinweise auf Erichs Besuche beim Onkel im "Hecht".
In "Als ich ein kleiner Junge war" (1957) finden sich Hinweise auf Erichs Besuche beim Onkel im "Hecht".  © Petra Hornig

Auf der anderen Seite der Hechtstraße hatte Onkel Paul sein Geschäft. Trotzdem zog es den kleinen Erich häufiger zu Ersterem, wie im Werk "Als ich ein kleiner Junge war" (1957, Kapitel 12) zu lesen ist: "Der saugrobe Onkel Franz gefiel mir besser als der hochnoble Onkel Paul. [...] Zwischen seinen Knechten und Pferden fühlte ich mich wie zu Hause."

Nachdem Franz ein stattliches Vermögen anhäufte, verließ dieser 1918 seine Wirkungsstätte, bezog eine Villa am Albertplatz. In der Zwischenkriegszeit wohnten Arbeiterfamilien in den Gebäuden. 1937 dann der Eigentümerwechsel: Katrin Weigangs Großvater kauft die Objekte, zieht mit Frau und Kind in das Seitenhaus ein, welches die Familie in den 1950er-Jahren ausbaut.

"Es folgten Jahre der Flickschusterei" erinnert sich Weigang an den Materialmangel zu Ostzeiten. Nach 1990 der nächste Kraftakt: Die Familie schlägt westdeutsche Kaufangebote aus, nimmt selbst Kredite auf, modernisiert die Häuser von oben bis unten.

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Heute dürfen 17 Mietparteien das Gelände im "Hecht" ihr Zuhause nennen. "Wir haben hier eine tolle Hausgemeinschaft", sagt Weigang nach Jahren der Entbehrungen zufrieden. Dieses Durchhaltevermögen und das Ergebnis hätten bestimmt auch dem alten Erich gefallen.

Titelfoto: Bildmontage: Petra Hornig

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