Auf Befehl der Sowjets: Als im Großen Garten nach Kohle gebohrt werden sollte
Dresden - Im Sommer 1946 ist Dresden ein Trümmermeer, der Mangel an Kohle existenziell. Und ein Behelfsplan gegen die Rohstoffknappheit ohne Skrupel: Die Sowjets wollten am Großen Garten nach Steinkohle bohren lassen! In unserer Sommerserie "Geheimes Dresden" legt Archivar Patrick Maslowski (43) die Beweise auf den Tisch.

Beginnend mit einem Schreiben vom 10. Juli 1946 an das Dresdner Stadtplanungsamt. Darin verlangt die sächsische Landesverwaltung auf Befehl der Sowjetischen Militäradministration (SMA) unmissverständlich, dass man "Bohrungen im westlichen Teil des Großen Gartens in Dresden" durchführen müsse. Es solle festgestellt werden, "ob und in welchem Umfange Steinkohle in abbauwürdiger Beschaffenheit unter der Stadt Dresden ansteht".
Archivar Maslowski erklärt: "Der Anordnung wurde natürlich nicht widersprochen. Von da an waren Stadt-Mitarbeiter und Stadträte mit dem Thema Kohlebohrung am Großen Garten beschäftigt." Dresdens OB Walter Weidauer (1899-1986) stellte das Vorhaben im Stadtrat vor, Ämter begannen zu planen.
Aber nicht ohne Aufregung, erzählt Maslowski: "Stadtplanern dämmerte langsam, dass es Abraumhalden, Bohrtürme und Förderanlagen mitten im Stadtgebiet bräuchte, sollte unter Dresden wirklich abbauwürdige Kohle gefunden werden. Das kollidierte mit ihren eigenen Plänen."
Zwar drängten Landesverwaltung und Sowjets darauf, die Bohrung zügig auszuführen, versahen so manches Schreiben mit der "Bitte um Dringlichkeit". Derweil diskutierte das Rathaus über Details. Zum Beispiel darüber, ob das Bohrloch zu nah an den Fundamenten eines geplanten SED-Parteihauses reichen könne - das dann überhaupt nicht gebaut wurde.
"Schon möglich, dass auf die Art Zeit geschunden wurde", überlegt der Archivar.

Rätsel um versteckte Kohlevorkommen unter Dresden

Woher kam überhaupt die Idee versteckter Kohlevorkommen unter Dresden? Laut Maslowski war die Annahme, das Freitaler Steinkohleflöz könne bis an die Elbe reichen. "Man hätte in dieser Vorstellung quasi von der Südhöhe bis zum Großen Garten reingebaggert - und wahrscheinlich ein bisschen vom Großen Garten weggeknabbert."
Aus heutiger Sicht unvorstellbar - damals, als die Dresdner Innenstadt sowieso zerbombt und praktisch tot war, außerdem riesiger Kohlemangel herrschte, etwas weniger: "Ich denke sowieso nicht, dass die Sowjets angesichts deutscher Verwüstungen in der Sowjetunion viele Skrupel mit einem Kohlerevier in Dresden gehabt haben", sagt Maslowski.
Doch dann ließ das SMA Ende Oktober 1946 von den Plänen ab. Der Grund? Unklar. In einem Telegramm vom 26. Oktober wird das Stadtplanungsamt nur knapp benachrichtigt. "Wir sind genötigt, fürs Erste westlich des Lugau-Oelsnitzer-Steinkohlenreviers eine Tiefbohrung niederzubringen", heißt es.
Später wurden die Pläne nicht wieder aufgerollt und fristen jetzt ihr Dasein als historische Dokumente im Stadtarchiv. Archivar Maslowski: "In der Nachkriegszeit waren sie noch plausibel. Später wären sie politisch nicht mehr durchsetzbar gewesen."
Archiv veröffentlicht neues Buch zur Dresdner Stadtgeschichte

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Titelfoto: Montage: Norbert Neumann, Steffen Füssel