Jahrzehnte prägten Straßenbahnzüge das Stadtbild: Hier fährt die Cargo-Tram zur Verschrottung
Dresden - Das stille Ende einer Ära: Fast 20 Jahre lang gehörte die blaue Cargo-Tram zum Dresdner Stadtbild. Nun werden vier der insgesamt sieben Mittelwagen verschrottet.

Zwischen 2001 und 2020 (mit Unterbrechung von 2016 bis 2017) lieferten die beiden Straßenbahnzüge kleinere Autoteile wie Schrauben und Scheiben vom Güterverkehrszentrum am Bahnhof Friedrichstadt zur Gläsernen Manufaktur.
Die damals von VW für 13 Millionen D-Mark beschafften Wagen aus der Schalker Eisenhütte (Gelsenkirchen) galten als Pionierprojekt städtischer Güterlogistik. Nach Angaben der Dresdner Verkehrsbetriebe ersetzten sie bis zu 65 Lkw-Fahrten pro Tag.
Auch optisch war die Cargo-Tram ein Blickfang – insbesondere für Touristen. Denn die Standardroute führte mitten durchs Zentrum: über den Bahnhof Mitte, entlang von Zwingerteich, Postplatz und Wilsdruffer Straße bis an den Straßburger Platz, der einen zusätzlichen Gleisstrang erhielt. Wegen der Produktionsumstellung bei VW und hoher Wartungskosten wurde der Betrieb vor fünf Jahren endgültig eingestellt.
Für einen symbolischen Kaufpreis übernahmen die DVB das Eigentum der Wolfsburger, stellten die fünf Antriebs- und sieben Mittelwagen auf dem Betriebshof Trachenberger Straße ab. Doch mit der Beschaffung der neuen Stadtbahnwagen wurde der Platz dort zunehmend knapp.


Straßenbahnmuseum sichert sich Mittelwagen

Am Mittwoch wanderten deshalb vier der Mittelwagen per Tieflader vom Abstellgleis auf einen Schrottplatz im Industriegelände.
"Einigen Kollegen blutet das Herz", griff DVB-Sprecher Christian Schmidt (47) die Stimmung im Haus auf. Viele der schwarz-gelben Transporteure sehen in der Cargo-Tram bis heute ein wichtiges Instrument auf dem Weg zur Verkehrswende.
Einen Mittelwagen sicherte sich das Straßenbahnmuseum, die beiden übrigen stehen seit Januar auf dem Betriebshof Waltherstraße (Friedrichstadt). Dort sind auch die fünf eingemotteten Antriebswagen untergebracht.
Immerhin besteht für die "Triebköpfe" noch Hoffnung auf Nachnutzung, etwa als Schienenschleifer, Schneepflug oder "fahrende Gießkanne". "Doch für die Umrüstung fehlt uns das Geld", so Schmidt.


Ein Konzept für morgen - Ein Kommentar von Lennart Zielke

Manche Ideen sind ihrer Zeit voraus - so wie die Cargo-Tram. Als sie 2001 erstmals durchs Stadtzentrum rollte, war das ein echtes Statement.
Eine Straßenbahn, die keine Menschen, sondern Autoteile transportiert? Klingt verrückt, war aber klug. Dresden war wie gemacht für dieses Pionierprojekt.
Die Gläserne Manufaktur frisch gebaut, die TU mit jahrzehntelanger Verkehrsforschung im Rücken und die DVB als technisch starker Betreiber. Was sonst mit dem Lkw quer durch die Innenstadt gekarrt worden wäre, fuhr nun emissionsfrei auf Schienen.
Das war nicht nur ökologisch sinnvoll, es war auch eine mutige Idee mit internationaler Strahlkraft. Kein Stau, keine Abgase, keine Laster an jeder Ecke. Doch dann kam der Wandel. Die Gläserne Manufaktur stellte ihre Produktion um. Die Nachfrage nach den blauen Transporten brach ein.
Aber das macht den 20-jährigen Testlauf nicht überflüssig. Im Gegenteil. Er beweist, dass Güterverkehr auf der Schiene mitten in der Stadt möglich ist. Sollte Deutschland jemals ernsthaft über Reindustrialisierung nachdenken, wird man an solchen Ideen nicht vorbeikommen.
Die Cargo-Tram ist ein Konzept für morgen - nicht von gestern. Sie hält Schwerverkehr auf Reifen aus der Innenstadt fern und entlastet die Umwelt.
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