Premiere in Deutschland: Große Schau zur Ukraine-Kunst im Dresdner Albertinum

Dresden - Seit mehr als einem Jahr steht die Ukraine wegen des russischen Angriffskrieges im Fokus. Wenig aber wissen wir über die moderne Kunst und Kultur des geschundenen Landes. Einen Überblick gewähren die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) nun mit der beeindruckenden Ausstellung "Kaleidoskop der Geschichte(n). Ukrainische Kunst 1912-1923" im Albertinum.

SKD-Generaldirektorin Marion Ackermann (58) schreibt dem Thema der Ausstellung "große Emotionalität" zu.
SKD-Generaldirektorin Marion Ackermann (58) schreibt dem Thema der Ausstellung "große Emotionalität" zu.  © Eric Münch

In diesem Umfang sei es den Angaben entsprechend die erste dieser Art in Deutschland. Natürlich wäre es zunächst "nur" eine Kunstausstellung, sagt SKD-Generaldirektorin Marion Ackermann (58), doch gehe es um sehr viel mehr.

Das Thema sei aktuell von großer Emotionalität begleitet. "Wir haben viel zu wenig hingeschaut in Bezug auf die ukrainische Kunst der Moderne und der Gegenwart", so Ackermann.

Aus westlicher Sicht sei es eine "terra incognita", die nun erstmals aufgearbeitet werde, auch mit ganz neuen Arbeiten, die im Auftrag der SKD erst entstanden sind.

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Erstellt wurde die Ausstellung in Zusammenarbeit mit zahlreichen Privatsammlungen und Museen aus Odessa, Kiew und anderen Städten, unterstützt von der Ernst von Siemens Kunststiftung sowie des Auswärtigen Amtes.

Über 30 Millionen Euro zur Förderung ukrainischer Kultur

Emotional aufgewühlt: Die Kuratorinnen Maria Isserlis (M.) und Tatiana Kochubinska (r.) vor Zuhörerinnen und einem Werk von Wiktor Palmow (1888-1929).
Emotional aufgewühlt: Die Kuratorinnen Maria Isserlis (M.) und Tatiana Kochubinska (r.) vor Zuhörerinnen und einem Werk von Wiktor Palmow (1888-1929).  © Steffen Füssel

Dessen Beauftragter für Kulturpolitik, Steffen Rössel, sagt: "Wir erleben seit über einem Jahr den brutalen russischen Angriffskrieg, sehen Bilder, an die wir uns nicht gewöhnen wollen." Dem wolle man entgegentreten und die Tradition der ukrainischen Kunst sichtbar machen.

Auch sollen die ukrainischen Künstler eine Plattform bekommen: "Wir legen Residenzprogramme in Dresden auf, damit sie hier ihre Arbeit in Sicherheit fortsetzen können", so Rössel.

Bisher habe das Auswärtige Amt allein 2022 weit über 30 Millionen Euro zur Förderung ukrainischer Kultur und zum Schutz ukrainischer Künstler ausgegeben.

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Kuratiert wurde die Schau von Maria Isserlis und Tatiana Kochubinska. Sie sagen: "Die Arbeit an dieser Ausstellung hat uns am Leben gehalten und Kraft gegeben."

Vier Hauptthemen prägen die Ausstellung

Die neue Ausstellung im Albertinum kann in vier Hauptthemen kategorisiert werden.
Die neue Ausstellung im Albertinum kann in vier Hauptthemen kategorisiert werden.  © Steffen Füssel

Gezeigt werden auf 1200 Quadratmetern Gemälde, Skulpturen, Fotografien, Installationen, Videoarbeiten und Grafiken von rund 50 Künstlern - davon mehrheitlich Frauen, die die Kunst der Ukraine vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart abbilden.

Sie geben Einblick in die bewegte Geschichte des Landes, den stetigen Kampf um Freiheit, Unabhängigkeit und Identität.

Gegliedert in vier Hauptthemen - "Praktiken des Widerstands", "Erinnerungskultur", "Räume der Freiheit" und "utopische Gedanken über die Zukunft" - entwickeln sich im Stil einer Reise individuelle Mikrokosmen, die von der Komplexität und Vielfalt der heutigen ukrainischen Kunstszene zeugen.

Viele Gemälde stellen Abstraktion dem Strich des sozialistischen Realismus gegenüber, der zeitgenössisch als auch in heutiger Interpretation daherkommt.

Fotoserien, moderne Werke und politische Positionen

Vielfältige Darstellungen: Neben sozialistischen Skulpturen (Vordergrund) findet sich das Seifen-Objekt "Frau mit Blumen" (2019) vor modernen Gemälden.
Vielfältige Darstellungen: Neben sozialistischen Skulpturen (Vordergrund) findet sich das Seifen-Objekt "Frau mit Blumen" (2019) vor modernen Gemälden.  © Steffen Füssel

Eine melancholische, sepiagefärbte Fotoserie von Boris Mikhailov ("Krim-Sublimismus", 1982) zeigt überblendete Aufnahmen junger Ukrainer am Strand.

Moderne Werke arbeiten mit Verblüffung und Witz: So zeigt die junge Künstlerin Anna Zvyagintreva einen "sprechenden Kochtopf" (2022) mit Soundsystem.

Maria Kulikovska stellt in ihrer Arbeit "Frau mit Blumen" (2019) einen lebensgroßen Abdruck ihres Körpers im vergänglichen Werkstoff ballistischer Seife dar, hinter dem wächsernen Äußeren gefüllt mit bunten Blüten - irritierend und schön.

Es finden sich aber auch politische Positionen zur aktuellen Situation der Ukraine.

Die Schau läuft mit umfangreichem Begleitprogramm bis 10. September, wandert danach in die Niederlande. Es sei wichtig, so die Kuratorinnen, dass diese Arbeiten weiter in Europa zu sehen sind - quasi wie im Exil.

Titelfoto: Montage: Steffen Füssel (2)

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