Wagt der Chip-Riese TSMC den Schritt nach Dresden? Die Hinweise verdichten sich!

Dresden - Knapp 50 Milliarden Euro Umsatz, über 50.000 Mitarbeiter: Seit Jahren dominiert TSMC den Weltmarkt für die Herstellung von Computerchips. Nun verdichten sich die Hinweise, dass der taiwanesische Tech-Gigant auch einen Standort in Dresden eröffnen könnte. Was ist dran an den Gerüchten?

TSMC mit Hauptsitz in Hsinchu (Taiwan) zählt zu den weltweit größten Chip-Herstellern.
TSMC mit Hauptsitz in Hsinchu (Taiwan) zählt zu den weltweit größten Chip-Herstellern.  © Chiang Ying-Ying/AP/dpa

Sie sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken: Halbleiter werden in Autos, Smartphones, Solarzellen und Waschmaschinen verbaut.

Ohne die Chips würde es auch die digitale Welt nicht geben. Denn Technologien wie 5G, künstliche Intelligenz oder das Internet sind auf eine wachsende Zahl leistungsfähiger Chips angewiesen.

Umso gespitzter sind in Dresden die Ohren, wenn Details zu potenziellen Plänen von TSMC durchsickern, die Stadt als möglichen Standort einer Fabrik auszuwählen.

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So schreibt etwa DigiTimes Asia über den 1987 von Morris Chang (91) gegründeten Konzern: "TSMC [...] hat beschlossen, gemeinsam mit lokalen Partnern eine Fabrik in Deutschland zu bauen." Die Zeitung mit Sitz in Taiwans Hauptstadt Taipeh beruft sich dabei auf verdeckte Quellen aus der Industrie.

Zudem soll TSMC bereits mehrere Partnerunternehmen gebeten haben, Angebote für Verbrauchsmaterialien und Fabrikausrüstung zur Lieferung nach Deutschland einzureichen, berichtet BusinessKorea.

TSMC-Gründer Morris Chang (91) machte aus seinem Kleinbetrieb ein Imperium.
TSMC-Gründer Morris Chang (91) machte aus seinem Kleinbetrieb ein Imperium.  © Aaron Favila/AP/dpa

In dem Artikel vom 11. April heißt es weiter: "Sie [taiwanesische Quellen, Anm. d. Redaktion] analysierten, dass TSMC das Bauprojekt für die Halbleiterfabrik in Dresden in eine fortgeschrittene Phase gebracht hat."

Es wäre nicht die erste Standort-Sensation für Dresden. Bereits im November vergangenen Jahres kündigte der deutsche Chip-Hersteller Infineon eine Mega-Investition in der Elbmetropole an. Zudem sind Bosch, Globalfoundries und weitere kleinere Zulieferer in der Region um Dresden aktiv.

Branchen-Kenner gehen davon aus, dass die hiesigen Unternehmen und TSMC aber nicht nur in Konkurrenz zueinander stehen, sondern perspektivisch auch miteinander zusammenarbeiten könnten. Als Beispiel wird immer wieder die für Deutschland so wichtige Chip-Herstellung für die Autoindustrie genannt.

Bisher halten sich TSMC, das Rathaus und regionale Branchen-Verbände wie Silicon Saxony mit Stellungnahmen zu einer möglichen Wahl Dresdens als Standort zurück.

Einige Stadträte würden nach TAG24-Informationen die Ansiedlung jedoch ausdrücklich befürworten.

So aufwendig ist die Halbleiter-Produktion

Aus den Wafern, runden Platten aus Silizium (Hintergrund), werden winzige Bauteile für elektronische Geräte geschnitten.
Aus den Wafern, runden Platten aus Silizium (Hintergrund), werden winzige Bauteile für elektronische Geräte geschnitten.  © Harald Tittel/dpa

Halbleiter sind Materialien, die aufgrund ihrer chemischen Struktur eine besondere Fähigkeit haben, Elektrizität zu leiten. Im Gegensatz zu Metallen wie Gold oder Kupfer, die Elektrizität sehr gut leiten, und Isolatoren wie Holz oder Keramik, die Strom fast gar nicht leiten, haben Halbleiter eine Leitfähigkeit zwischen diesen beiden Extremen.

Meistens bestehen Halbleiter aus Silizium. Das Silizium wird geschmolzen und in eine runde Form, "Wafer" genannt, gegossen. Anschließend wird der Wafer glatt geschliffen und mit einer Schicht aus Fotolack bedeckt.

Dann wird der belichtete Fotolack geätzt, um die gewünschte Struktur auf dem Wafer zu erzeugen. Sobald die Bauteile auf dem Wafer hergestellt sind, werden sie durch Schneiden oder Sägen von der Scheibe getrennt und verbaut.

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Die Bauteile ermöglichen in Form von Transistoren, Dioden und Chips die Schaltung und Steuerung von Strom auf kleinstem Raum und in einer Vielzahl von Geräten.

So wichtig sind Chips für Deutschland und die EU

Spätestens seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie hat die Diskussion um die Lieferung und Produktion von Halbleitern an Fahrt gewonnen. Ende 2020 waren die Versorgungsengpässe in Europa so gravierend, dass Autobauer wie Volkswagen zeitweise ihre Produktion einstellen mussten.

Nur eine Handvoll Länder in Asien und Amerika kontrollieren einen Großteil der globalen Chip-Produktion. Dazu zählen hauptsächlich Taiwan, Südkorea, Japan, China und die USA.

Derzeit werden nur rund 10 Prozent der weltweiten Chips in Europa hergestellt. Gleichzeitig verbrauchen die europäischen Volkswirtschaften gemäß Analysen doppelt so viele Chips, wie sie selbst herstellen

Mit dem European Chips Act möchte die EU deshalb die Abhängigkeit vom Ausland verringern.

Für dieses Vorhaben wollen Brüssel und die nationalen Hauptstädte viel Geld lockermachen. Der Gesetzesentwurf sieht mitunter staatliche Förderungen in Höhe von 43 Milliarden Euro vor, um Unternehmen aus der Halbleiter-Industrie für eine Ansiedlung im Binnenmarkt der EU zu gewinnen. Nun wird mit Spannung auf die Verabschiedung des Gesetzes gewartet.

Das Thema beschäftigt auch die Regierung in Deutschland. So war Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (54, FDP) im vergangenen März zu Besuch in Taiwan und besuchte dort TSMC. Das Unternehmen wollte die Visite der Ministerin allerdings nicht bestätigen.

Sachsens Landesregierung möchte ebenfalls mit Taiwan auf Tuchfühlung gehen. Wie nun bekannt wurde, unterzeichnete Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (44, CDU) mit der Inselrepublik ein Kooperationsabkommen, das auch eine mögliche Zusammenarbeit im Bereich der Chip-Produktion zum Inhalt hat.

Wann und wo könnte das Werk gebaut werden?

Analog zur Dresdner Fabrik von Bosch (im Bild) könnte auch der Standort von TSMC aussehen.
Analog zur Dresdner Fabrik von Bosch (im Bild) könnte auch der Standort von TSMC aussehen.  © Jürgen-M. Schulter

Als potenziellen Standort vermuten Beobachter im Umfeld des Rathauses eine Freifläche im Norden der Stadt, nahe dem Flughafen.

Doch ist trotz großer Hoffnungen in der Region die Ansiedlung noch nicht in trockenen Tüchern. Einige Einschätzungen kommen zu dem Schluss, dass sich der Tech-Gigant weiterhin bedeckt halten wird.

Die taiwanesische Analystin Lucy Chen sagte dem Handelsblatt: "TSMC wird in diesem Jahr keine Entscheidung bekannt geben, sondern wahrscheinlich bis zum nächsten Jahr warten."

Joanne Chiao vom Technologieanalysten Trendforce ergänzt: "Ich glaube, sie befinden sich noch im Anfangsstadium der Gespräche." Sie kann sich vorstellen, dass TSMC noch bis 2025 wartet.

Offene Fragen im Hintergrund sind laut Experten noch die genaue Höhe der Subventionen und die Beteiligung möglicher Partner.

Titelfoto: Bildmontage: Jürgen-M. Schulter, Chiang Ying Ying AP/dpa

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