Altes Polizeipräsidium: "Lost Place" soll zur Prestige-Immobilie werden

Frankfurt am Main - Verrammelte Fenster, abgeblätterter Putz, Graffiti: Vom einstigen Glanz des Alten Frankfurter Polizeipräsidium ist nach mehr als 20 Jahren Leerstand von außen wenig übrig.

Die Eingangshalle des Alten Frankfurter Polizeipräsidiums ist zwar heruntergekommen, der Glanz früherer Tage lässt sich dennoch erahnen.
Die Eingangshalle des Alten Frankfurter Polizeipräsidiums ist zwar heruntergekommen, der Glanz früherer Tage lässt sich dennoch erahnen.  © Boris Rössler/dpa

Dabei ist das Gebäude vor allem vom einstigen Haupteingang aus durchaus beeindruckend, wurde es doch von 1911 bis 1914 in einer Mischung aus neobarockem und neoklassizistischem Stil errichtet.

Jetzt bietet es vor allem auf der Seite des Erweiterungsbaus an der Mainzer Landstraße einen trostlosen Anblick. Auf der anderen Straßenseite sitzen Junkies auf den Stufen eines Drogenhilfezentrums, Schwerstabhängige, denen Sucht und Verelendung anzusehen sind.

Im Jahr 2002 zogen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Polizeipräsidiums in den Neubau im Frankfurter Nordend.

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Das alte Gebäude war einige Jahre lang als Off-Location für Partys gefragt, doch mehr und mehr wurde es zum "lost place". Abenteuerlustige Jugendliche, Obdachlose und Junkies suchten immer wieder nach Möglichkeiten, in das verrammelte Gebäude zu gelangen, häufig mit Erfolg.

"Kaum hat man ein Loch zugemacht, mache se zwei neue uff", klagt der Hausmeister. Aber, vorerst noch äußerlich unbemerkt: Der Wandel ist bereits im Gang.

Blick auf die historische Wendeltreppe: Das Alte Polizeipräsidium zählt zu den spektakulärsten "lost places" in Deutschland.
Blick auf die historische Wendeltreppe: Das Alte Polizeipräsidium zählt zu den spektakulärsten "lost places" in Deutschland.  © Boris Rössler/dpa

2027 soll das Gebäude bezugsfertig sein - Kosten: mindestens 800 Millionen Euro

Die Fenster des Gebäudes sind in Blei gefasst: Vieles in dem unter Denkmalschutz stehenden Polizeipräsidium soll erhalten bleiben.
Die Fenster des Gebäudes sind in Blei gefasst: Vieles in dem unter Denkmalschutz stehenden Polizeipräsidium soll erhalten bleiben.  © Boris Rössler/dpa

Denn nachdem das Land Hessen das Gebäude und das umgebende Areal für mehr als 212 Millionen Euro an die Düsseldorfer Gerchgroup verkauft hatte, soll hier ein gemischt genutztes Quartier mit Wohnungen und Büro, einer Kindertagesstätte und Räumlichkeiten für Einzelhandel entstehen.

Mindestens 800 Millionen Euro will das Unternehmen insgesamt in das Projekt investieren. Am Ende soll eine Symbiose von Altem und Modernen erreicht werden, denn insbesondere im alten Gebäudeteil muss der Denkmalschutz bedacht werden. Doch 2027 soll das Gebäude einschließlich eines neuen Wohn- und Büroturms bezugsfertig sein.

Für Developer ist die Lage des Alten Polizeipräsidiums ein Filetstück: Mit Blick auf das gleich angrenzende Bankenviertel, das die Skyline Frankfurts prägt, optimaler Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, zentraler Lage. "Hier werden ungefähr 4000 Menschen im Quartier leben und arbeiten", sagt Lukas Reichel, Development Manager der Gerchgroup.

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Auch auf das Thema Nachhaltigkeit soll gesetzt werden - etwa mit dem Sammeln von Dach- und Regenwasser, das aufbereitet für die Spülungen der Toiletten verwertet werden soll.

"Klar hat jede Wohnung auch einen Parkplatz", sagt Projektmanager Thomas Diehl. "Aber wir hoffen, genug Anreiz zu geben, damit die Leute das Auto stehen lassen und nur nutzen, um aus der Stadt rauszukommen."

Was erhaltenswert ist, wird wieder eingebaut

Alte Türen werden bereits im Obergeschoss gesammelt und warten auf Weiterverarbeitung.
Alte Türen werden bereits im Obergeschoss gesammelt und warten auf Weiterverarbeitung.  © Boris Rössler/dpa

Bei insgesamt 30 Prozent der Wohnungen werde es sich um geförderten Wohnungsbau handeln - jeweils zur Hälfte sozialer und preisgedämpfter Wohnungsbau.

Zwei Drittel wird das Unternehmen vermarkten - ob als Eigentumswohnungen oder Mietwohnungen, könne noch nicht gesagt werden. "Aber es ist schon hochwertig", räumt Reichel mit Blick auf vermutlich finanzstarke Bewohnerinnen und Bewohner einer Prestige-Immobilie ein.

Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Im Hof des einstigen Präsidiums sind Motorsägen zu hören - der Wildwuchs von Bäumen und Gestrüpp wird entfernt. In 20 Jahren wächst so manches ungeplante Stadtgrün heran. An den Außenwänden sind Graffiti, denen man künstlerisches Talent und Fantasie ansieht. "Das wird alles erfasst und dokumentiert", sagt Reichel.

Erfasst und dokumentiert werden auch Türen und Fenster des alten Hauptgebäudes, die in einigen Räumen im Obergeschoss bereits gestapelt sind und auf Weiterverarbeitung warten. "Was erhaltenswert ist, soll wieder in das bestehende Gebäude eingebaut werden", so Reichel.

Der alte Glanz soll wiederhergestellt werden

Die Treppe vom Dachboden in das Türmchen ("Dachreiter").
Die Treppe vom Dachboden in das Türmchen ("Dachreiter").  © Boris Rössler/dpa

Mit vier Konservatoren und Bauhistorikern hat sich der Bauherr Experten ins Boot geholt. "Für jedes Bauteil gibt es ein Dokument und eine Einschätzung und darüber wird dann mit der Denkmalschutzbehörde diskutiert und entschieden" berichtet er über die Besonderheiten beim Umgang mit dem historischen Gebäude.

Klar ist, dass das Haupttreppenhaus mit seinen geschwungenen Treppen, der hohen Decke und den hohen, ornamentreichen Glasfenstern bleiben werden. Derzeit strahlen sie einen maroden Charme aus, in Zukunft soll der alte Glanz wiederhergestellt werden.

Auch der Brunnen eine Etage höher, in dem einst die Mitarbeiter Wasser für Kaffee oder Tee holten, soll in irgendeiner Form revitalisiert werden.

In den einstigen Büros hält sich die alte Pracht in Grenzen. Auch ohne Schreibtische und Bürostühle wirken die Räume, die von langen Korridoren abgehen, klein. Auch hier sind überall Graffiti angebracht, allerdings nicht so künstlerisch wie draußen im Hof.

Aufsehen erregende Fälle wurden im Alten Frankfurter Polizeipräsidium bearbeitet

Das Eingangsportal zu beeindruckenden Sitzungssaal: Hier kam nach dem Zweiten Weltkrieg die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung zusammen.
Das Eingangsportal zu beeindruckenden Sitzungssaal: Hier kam nach dem Zweiten Weltkrieg die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung zusammen.  © Boris Rössler/dpa

Die Botschaften sind einfachere und stänkern gegen die Geschichte des Gebäudes an: "Fuck da Police" hatte jemand im Stil von Gangsta-Rap an eine Wand gesprüht, und auch mit dem Kürzel "ACAB" (aus dem Englischen: Alle Polizisten sind Bastarde) wurde wenig Sympathie für die früheren Bewohner bekundet.

Zu den Fällen, die im alten Frankfurter Präsidium einst bearbeitet wurden, gehörte der Alltag von Großstadtkriminalität, aber auch Aufsehen erregende Kriminalfälle wie der Mord an der Edelprostituierten Rosemarie Nitribitt in den 1950er Jahren oder der bis heute ungeklärte brutale Mord an dem 13-jährigen Tristan Brübach vor 25 Jahren.

Die alte Fernmeldestelle im Präsidium lässt sich heute nur noch erahnen.

Eindrucksvoll sind die Ausmaße des einstigen Sitzungssaals, in dem nach dem Zweiten Weltkrieg die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung zusammenkam.

Eine verwaiste Toilette, die die Renovierungsmaßnahmen sicherlich nicht überstehen wird.
Eine verwaiste Toilette, die die Renovierungsmaßnahmen sicherlich nicht überstehen wird.  © Boris Rössler/dpa
Eine Taube brütet in einem alten Spülkasten.
Eine Taube brütet in einem alten Spülkasten.  © Boris Rössler/dpa

Wesentlich beengter ging es hingegen in den einstigen Arrestzellen zu. Die gekachelten Räume mit der schmalen Holzbank und den vergitterten Fenstern wirken auch in leerem Zustand und mit offenen Türen deprimierend und wenig einladend: Kontraste, die angesichts des Frankfurter Alltags mit seinen eng nebeneinander existierenden Welten der Banker und der Junkies schon wieder passen.

Eigentlich wäre der noch vorhandene "lost place" die ideale Kulisse für einen Krimi im Noir-Stil - womöglich gar für einen Frankfurt-Tatort? "Wir hatten schon ein paar Filmteams hier", sagt Reichel. "Aber der "Tatort" hat sich bisher noch nicht bei uns gemeldet."

Titelfoto: Boris Rössler/dpa

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