Amoklauf in Hamburg: Gutachter beschreibt Täter als "religiösen Fanatiker"

Hamburg - Auch bald zwei Wochen nach dem Amoklauf in Hamburg bei den Zeugen Jehovas mit acht Toten und neun Verletzten ist das Motiv des Täters Philipp F. (†35) unklar. Ein Erklärungsansatz könnte sein krudes Buch geben. Die Polizei Hamburg ließ es von einem Experten analysieren.

Zahlreiche Menschen legten Blumen am Tatort ab.
Zahlreiche Menschen legten Blumen am Tatort ab.  © Christian Charisius/dpa

Demnach sah sich der Extremismusforscher Peter Neumann vom Londoner King's College das Buch des Amokläufers genau an und fertigte ein elfseitiges Gutachten an, berichtete der Spiegel. Ein Sprecher der Polizei Hamburg bestätigte auf TAG24-Nachfrage den Vorgang. Außerdem sei ein weiteres Gutachten beauftragt. Dieses solle das Buch mit dem übersetzten Titel "Die Wahrheit über Gott, Jesus Christus und Satan" aus psychiatrischer Sicht beleuchten.

Dem Spiegel sagte Neumann, dass F. ein "religiöser Fanatiker" gewesen sei. Er sei wütend gewesen, weil die Religionsgemeinschaften Gläubigen die "Wahrheit" vorenthalten haben sollen, die er aber anscheinend gekannt haben wollte.

Obwohl der Amokläufer schrieb, dass Adolf Hitler "der menschliche Vollstrecker Jesu Christi" gewesen sei und er die Judenverfolgung als eine "Handlung des Himmels" bezeichnete, seien "Rückschlüsse auf eine rechtsextreme Gesinnung" laut Neumann "unbegründet". Auch sei eine antisemitische Einstellung von F. "alles andere als klar". Die Sprache des Buchs nannte der Forscher "brachial", die Theorien "wirr".

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Außerdem sei das Pamphlet "kein Manifest". Auch habe es darin keinen Hinweis auf ein Attentat gegeben.

Polizei Hamburg steht nach Hinweis vor Amoklauf in der Kritik

Der Amokläufer erschoss sieben Menschen und sich selbst in diesem Gebäude der Zeugen Jehovas in Hamburg.
Der Amokläufer erschoss sieben Menschen und sich selbst in diesem Gebäude der Zeugen Jehovas in Hamburg.  © Daniel Bockwoldt/dpa

Die Hamburger Polizei steht wegen des Buchs in der Kritik. Am 24. Januar 2023 ging der Waffenbehörde, die in der Hansestadt der Polizei zugeordnet ist, ein anonymes Schreiben ein. Darin wurde auf eine mögliche psychische Erkrankung F.s und die eventuell fehlende Eignung, eine Waffe zu besitzen, hingewiesen.

Beamte führten daraufhin im Februar eine unangekündigte Kontrolle bei ihm durch - ohne Beanstandungen. Das Buch, auf das in dem Brief ebenfalls verwiesen wurde, fanden sie aber nicht.

Dabei wurde es auf der Internetseite des späteren Amokläufers und ebenso auf Amazon gelistet. Daher ist fraglich, ob die Mitarbeiter der Waffenbehörde eine Suchmaschine korrekt bedienen können oder zu oberflächlich recherchiert haben.

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Über allem steht die große Frage: Hätte man Philipp F. die Pistole entziehen können und so das Blutbad verhindern können? Zur Klärung dient Neumanns Gutachten nicht. Da es von der Polizei in Auftrag gegeben wurde, kann es kaum als unabhängig bezeichnet werden.

Titelfoto: Christian Charisius/dpa

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