Was fasziniert uns an wahren Verbrechen? True-Crime-Autoren im TAG24-Interview

Hamburg - True-Crime-Formate boomen. Einer, der sich mit wahren Verbrechen bestens auskennt, ist der Hamburger Rechtsmediziner Klaus Püschel. Zusammen mit der Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher hat er jetzt für neuen Lesestoff unter Gruselfans gesorgt. Denn beide Autoren finden: "Die Wahrheit ist der beste Krimi". Im TAG24-Interview verraten sie, welche Fälle ihnen in ihrer Karriere besonders in Erinnerung geblieben sind.

Der Hamburger Rechtsmediziner Klaus Püschel hat in seiner Karriere mehr als 1000 Todesfälle durch Schusswaffen untersucht.
Der Hamburger Rechtsmediziner Klaus Püschel hat in seiner Karriere mehr als 1000 Todesfälle durch Schusswaffen untersucht.  © Christian Charisius/dpa

In ihrem neuen Buch "Tod durch Schuss" beleuchten Püschel und Mittelacher Fälle, mit denen sie als rechtsmedizinischer Sachverständiger auf der einen und als Gerichtsreporterin auf der anderen Seite direkt oder indirekt befasst waren.

Darunter etwa auch der Fall des "St. Pauli Killers" Werner "Mucki" Pinzner aus den 1980er-Jahren: Der Auftragsmörder hatte bei einer Vernehmung im Polizeipräsidium 1986 den Staatsanwalt, seine Frau und schließlich auch sich selbst erschossen.

Über den Fall wurde vielfach berichtet - bis heute fasziniert er True-Crime-Fans nachhaltig. So rollt etwa RTLZWEI die Mordserie in einer neuen Dokumentation mit dem Titel "Tatort Reeperbahn - Der Auftragskiller" am 5. Januar (22.15 Uhr) noch einmal auf.

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Auch Püschel und Mittelacher beschäftigten sich immer weiter mit dem Fall, brachten in intensiven Gesprächen mit Juristen neue Details ans Licht.

"Öffentlich vergleichsweise wenig beachtet wurde bisher, dass der Serienmörder im Gefängnis diverse Drogen zur Verfügung und auch konsumiert hatte", so Püschel im TAG24-Interview. "Bemerkenswert vor allem: Pinzner hatte - zusätzlich zum Drogenkonsum - Quecksilber geschluckt, um ganz sicherzugehen, dass er nach dem Finale im Polizeipräsidium als Suizident verstirbt."

Ein noch neuerer Fall dürfte vielen Hamburgern ebenfalls in Erinnerung geblieben sein - liegt er doch gerade einmal sieben Jahre zurück und ereignete sich mitten in einem beliebten Restaurant in St. Georg.

Einbetonierte Leiche in Hamburger Szene-Restaurant

Ein Polizist betritt in Hamburg das Restaurant "Casa Alfredo", in dem eine Leiche einbetoniert wurde. (Archivbild)
Ein Polizist betritt in Hamburg das Restaurant "Casa Alfredo", in dem eine Leiche einbetoniert wurde. (Archivbild)  © Axel Heimken/dpa

In dem Lokal "Casa Alfredo" nahe dem Hamburger Hauptbahnhof wurde 2016 eine einbetonierte Leiche gefunden. Der damals 51 Jahre alte Wirt gestand schließlich, einen 49-Jährigen, von dem er zuvor erpresst worden war, bei einer Rangelei mit dessen Waffe getötet zu haben.

Die Leiche betonierte er in einem Vorraum seines Restaurants ein - monatelang nahmen nur wenige Meter entfernt Gäste Platz, um sich einen schönen Abend zu machen.

Ein Fall, den Püschel und Mittelacher übrigens auch in ihrem gemeinsamen Podcast "Dem Tod auf der Spur" noch einmal aufgreifen.

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Für Mittelacher, die jahrelang als Gerichtsreporterin gearbeitet hat, gleicht kein Fall dem anderen. "Besonders spektakulär war unter anderem der Fall, bei dem der Angeklagte im Jahr 1994 im Gerichtssaal direkt vor meinen Augen erstochen wurde", berichtet sie.

Für solch ein Erlebnis habe sie keine der vorher gemachten Erfahrungen wappnen können. Doch ihrer Leidenschaft, sich mit den menschlichen Abgründen zu beschäftigen, scheint das keinen Abbruch getan zu haben.

Autoren widmen sich in "Tod durch Schuss" dem weiten Feld der Schussverletzungen

Die Buch-Autoren Klaus Püschel und Bettina Mittelacher haben auch einen gemeinsamen True-Crime-Podcast.
Die Buch-Autoren Klaus Püschel und Bettina Mittelacher haben auch einen gemeinsamen True-Crime-Podcast.  © Thiel/UKE/pr

Aber woher kommt eigentlich die Faszination für die wahren Verbrechen? "Beim Fernsehkrimi oder im Roman kann man sich immer damit 'trösten', dass die Geschichte der Fantasie des Autors entsprungen ist. True Crime aber ist unmittelbar, direkt", erklärt es Püschel. "Der Fall hat sich genau so abgespielt, das Opfer wirklich genau so gelitten, der Täter exakt so gehandelt - ob nun unbarmherzig oder verzweifelt. Das schafft eine Eindringlichkeit, die kein Roman erreichen kann."

Püschel hat in seiner Karriere als Rechtsmediziner insgesamt rund 1000 Todesfälle durch Schusswaffen untersucht. Den "einen spektakulärsten Fall" gibt es für ihn dabei nicht: "Vielmehr habe ich eine große Zahl extrem ungewöhnlicher Fälle untersucht, wobei die nach außen spektakulären, öffentlichkeitswirksamen Fälle keinesfalls die kniffeligsten waren."

Die interessantesten haben er und seine Co-Autorin in ihrem neuen Buch zusammengefasst. Hinzu kommen zeitgeschichtliche Ausflüge, die vor allem eines verdeutlichen: Das Feld der tödlichen Schussverletzungen ist ein weites.

"Tod durch Schuss - Die Wahrheit ist der beste Krimi" (2022), erschienen im Ellert & Richter Verlag, kann da nur punktuelle Akzente setzen.

Titelfoto: Thiel/UKE/pr

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