Junger Lehrer spricht Klartext: "Die schlimmste Zeit Deines Lebens"
Von Sandra Trauner
Frankfurt am Main - Jan Steckelbroeck hat sich durchgebissen. Er hat das zweite Staatsexamen hinter sich und bewirbt sich gerade in Frankfurt um eine feste Stelle als Lehrer. Andere schaffen das nicht.
Sie geben auf, brechen das Lehramtsstudium oder den Vorbereitungsdienst ab und suchen sich einen anderen Job. Die Frage lautet deshalb: Was hielt den Ethik- und Informatik-Lehrer denn bei der Stange?
Nach Angaben des Kultusministeriums gibt es rund 5000 Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst aktuell in Hessen - früher hieß diese Zeit noch Referendariat.
Einer Umfrage der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) zufolge empfinden angehende Lehrerinnen und Lehrer diese Zeit als besonders belastend. Insgesamt 90 Prozent (!) der mehr als 1000 Teilnehmer der Befragung gaben bei dieser an, körperlich und emotional erschöpft zu sein.
Steckelbroeck kann das voll verstehen.
Jan Steckelbroeck: "War unglaublich hart"
"Man startet in den Vorbereitungsdienst mit dem Narrativ: Das wird die schlimmste Zeit Deines Lebens", erzählt der 30-Jährige. Diese Auffassung sei an der Uni, im Studienseminar und unter jungen Kollegen Konsens. Der Vorbereitungsdienst dauert in Hessen zur aktuellen Zeit - noch - 21 Monate.
Die Neulinge laufen erst drei Monate mit, dann unterrichten sie drei Halbjahre lang an drei Tagen insgesamt zehn bis zwölf Stunden in verschiedenen Klassen. An den beiden anderen Tagen drücken sie im Studienseminar weiter selbst die Schulbank. 16 Mal werden sie von einer Art Prüfungskommission im Unterricht besucht und zudem 14 Mal bewertet.
"Hinter jeder dieser 45 Minuten Unterricht stecken etwa 14 Stunden Vorbereitung", sagt Steckelbroeck. Manche brauchten etwas weniger, andere etwas mehr Zeit, 14 Stunden seien "guter Durchschnitt".
"Das war unglaublich hart", sagt der 30-Jährige heute. "Man ist immer unter Druck."
Das Hauptproblem seien die widerstreitenden Anforderungen: "Man will den Schülern etwas beibringen. Man will selbst etwas lernen. Und dabei muss man ständig performen." Das gehe einfach nicht zusammen.
Hälfte der Befragten arbeitete wöchentlich bis zu 50, knapp ein Drittel bis zu 60 Stunden
In seiner Seminargruppe hätten etwa zehn Prozent abgebrochen, sagt der junge Lehrer. Nach Angaben des Kultusministeriums brechen im Schnitt fünf bis zehn Prozent eines Jahrgangs das Referendariat ab.
Auch Steckelbroeck war fast so weit - kurz vor Weihnachten 2024. Vor den Ferien standen noch Klassenarbeiten an, er bereitete sich auf zwei Unterrichtsbesuche parallel vor, vier Nächte in Folge hatte er kaum geschlafen. Kurzzeitig schien ein Job im IT-Bereich eine Exit-Strategie zu bieten.
Die nicht repräsentative Befragung der GEW ergab ein ähnliches Bild: Fast die Hälfte der Befragten arbeitete wöchentlich bis zu 50 Stunden, knapp ein Drittel bis zu 60. Der Aussage "Ich bin durch den Vorbereitungsdienst überfordert" stimmte knapp die Hälfte teilweise und ein Viertel voll zu.
Dass Steckelbroeck es durchgezogen hat, hat er seinem "Netzwerk" zu verdanken, wie er sagt: seiner Freundin, Kollegen und Kommilitonen, denen es ähnlich ging, seiner Mentorin an der Schule, seiner Ausbildungsleiterin am Studienseminar.
Im Gegensatz zu vielen anderen wurde er an der Wöhlerschule auch nicht für Vertretungsstunden eingesetzt. Der wichtigste Grund aber seien die Schülerinnen und Schüler: "Der Job macht einfach so Spaß!", sagt der 30-Jährige.
Titelfoto: Andreas Arnold/dpa

