"Drachenlord" erneut vor Gericht: Muss der YouTuber ins Gefängnis?

Nürnberg - Hass und Hetze kommen im Internet ständig vor. Trotzdem ist der Fall des YouTubers "Drachenlord" auch für Fachleute einmalig. Seit Jahren streitet sich der Videoblogger im Internet und in der realen Welt mit seinen Gegnern. Und immer wieder mussten sich Polizei und Justiz mit Straftaten beider Seiten beschäftigen. Jetzt steht der "Drachenlord" erneut in Nürnberg vor Gericht - und hofft, eine Haftstrafe noch einmal abwenden zu können.

Der YouTuber "Drachenlord" (32) bei dem Gerichtsprozess im Oktober.
Der YouTuber "Drachenlord" (32) bei dem Gerichtsprozess im Oktober.  © Daniel Karmann/dpa

Zu zwei Jahren Haft hatte das Amtsgericht Rainer Winkler (32), wie der Drachenlord im realen Leben heißt, im vergangenen Oktober verurteilt, weil er unter anderem in mehreren Fällen nach gegenseitigen Beschimpfungen handgreiflich geworden war.

Dagegen hatten Staatsanwaltschaft und Verteidigung Berufung eingelegt, sodass das Landgericht sich am 23. März wieder mit den Vorwürfen und dem Urteilsspruch beschäftigen wird.

Vor Gericht hatte der 32-Jährige damals zugegeben, dass er unter anderem einen Mann vor seinem Haus mit einer Taschenlampe attackiert und einen anderen in den Schwitzkasten genommen hatte.

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Doch wie konnte der Streit so eskalieren? Begonnen hatte alles 2014, als der Blogger seine Adresse in einem seiner Videos nannte und seine sogenannten Hater aufforderte, zu ihm zu kommen. Und das taten diese auch.

Sein Wohnort kam seitdem nicht mehr zur Ruhe. Nahezu täglich machten sich Schaulustige zu "Mobbing-Wallfahrten" - wie es der Kölner Internetanwalt Christian Solmecke (48) nennt - in das mittelfränkische Dorf Altschauerberg auf. Immer wieder musste die Polizei wegen Ruhestörung, Hausfriedensbruchs und anderer Anzeigen ausrücken.

"Drachenlord" und seine Hater: Eine Geschichte, die kein Ende nimmt

Zu zwei Jahren Haft wurde Rainer Winkler (32) alias "Drachenlord" damals verurteilt. Dagegen hatten Staatsanwaltschaft und Verteidigung Berufung eingelegt.
Zu zwei Jahren Haft wurde Rainer Winkler (32) alias "Drachenlord" damals verurteilt. Dagegen hatten Staatsanwaltschaft und Verteidigung Berufung eingelegt.  © Daniel Karmann/dpa

"Es handelt sich hier um eine neue Form der Gruppendynamik, die sich im Laufe der Zeit verselbstständigte", erklärt Solmecke. Ihm sei weltweit kein weiterer Fall bekannt, der über so viele Jahre eine solche Dimension angenommen habe.

"Der Fall ist so herausragend, weil er kein Ende nimmt", meint auch Medienwissenschaftler Christian Gürtler von der Universität in Erlangen.

Der YouTuber steuere selbst viel dazu bei. "Er geht immer auf die Hater und ihre Kommentare ein, wohingegen sich die Hater auch bemühen, ihn immer wieder zu provozieren."

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Die Aussagen der Opfer vor Gericht, die sich zum Teil in anderen Verfahren selbst wegen Vergehen verantworten müssen, zeigten das deutlich. Viele fuhren betrunken nach Altschauerberg und lockten den "Drachenlord" mit lauten Beschimpfungen oder durch Randale an seinem Zaun aus dem Haus.

In einem im Gerichtsprozess gezeigten Video ist zu hören, wie sie dadurch planen, "ihn in den Knast zu bringen". Der Blogger ist zu dem Zeitpunkt schon wegen Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Die Richterin bezeichnete ihn bei der Urteilsbegründung deshalb als Täter und Opfer zugleich. "Dieses Verfahren ist ein trauriges Beispiel dafür, welche Folgen Hass und Mobbing im Internet haben", sagte sie.

"Es wird nicht aufhören, bis er aufhört zu streamen"

Eine Hassdemo zieht im Jahr 2018 durch den damaligen Wohnort des YouTubers in Mittelfranken.
Eine Hassdemo zieht im Jahr 2018 durch den damaligen Wohnort des YouTubers in Mittelfranken.  © David Oßwald/NEWS5/dpa

Der Blogger Sascha Lobo (46) bezeichnete das Urteil damals als "empörend". Der "Drachenlord" sei "ein Opfer, das unsagbar gequält wurde und dem nichts blieb, als sich zu wehren", schrieb er in seiner Online-Kolumne beim Spiegel.

Der Fall zeige: "Wenn ein Tausende Köpfe starker Hassmob im Netz beschließt, eine Person fertig zu machen - kann die Bundesrepublik dem nichts entgegensetzen. Schlimmer noch - der Hassmob ist durch die Unwissenheit und den Zynismus von Staatsorganen und der medialen wie sozialmedialen Öffentlichkeit in der Lage, den Staat zum Komplizen zu machen."

Sein Haus hat der 32-Jährige inzwischen an die Gemeinde verkauft und ist weggezogen. Doch auch danach tauchten immer wieder Hater dort auf, um Fotos zu machen oder Innenansichten zu filmen, wie auf einem Telegram-Kanal zu sehen ist. Die Gemeinde machte deshalb kurzen Prozess und ließ das Elternhaus des umstrittenen Internet-Stars abreißen.

Um den "Drachenlord" ist es dagegen alles andere als still geworden. Er reist jetzt mit seinem Auto umher und postet davon Videos - und auch jetzt beobachten ihn die Hater, teilen auf Telegram Fotos von seinem Auto und versuchen, seinen Aufenthaltsort herauszufinden.

"Es gleicht einer Verfolgungsjagd", meint Gürtler. Ein Ende ist seiner Ansicht nach nicht in Sicht. "Es wird nicht aufhören, bis er aufhört zu streamen", sagt der Experte. Ähnlich sieht es Solmecke: Man dürfe nicht vergessen, dass er als YouTuber mit Aufmerksamkeit sein Geld verdiene, sagt er. Die Provokation sei auch Teil seines Geschäfts.

Titelfoto: Daniel Karmann/dpa

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