Hanna-Mordprozess: Psychologe warnt vor "Gefahr von Falschaussagen" bei Zeugen
Von Cordula Dieckmann
Traunstein/Laufen - Hat der Angeklagte im Mordprozess um den Tod von Studentin Hanna W. (†23) aus Aschau die Tat gegenüber einem Mithäftling gestanden?

Was ist in jener Oktobernacht vor drei Jahren in Aschau geschehen? Stürzte Hanna nach einer ausgiebigen Partynacht in einen Bach und ertrank? Oder war es Mord, womöglich aus sexuellen Motiven?
Glaubt man dem bisherigen Hauptbelastungszeugen, war der Tod der Medizin-Studentin kein Unfall. Doch die Aussage des 25-Jährigen wird mittlerweile angezweifelt - nun auch von dem Gutachter Max Steller. In dem wegen einer Revision neu aufgerollten Prozess vor dem Landgericht Traunstein hat sich der Rechtspsychologe geäußert.
Er könne keine Indikatoren für den Wahrheitsgehalt der Aussage finden, trägt der Rechtspsychologe Max Steller im Prozess vor. Oder einfacher gesagt: Der Zeuge könnte gelogen haben.
Bewusst, aber auch unbewusst. Oder er könnte sich in eine Vorstellung hineingesteigert haben. Kennengelernt hatten sich der Zeuge und der Angeklagte, als sie beide im Gefängnis saßen, der eine wegen des Verdachts einer Sexualstraftat, der andere wegen Mordverdachts.
Beim Kartenspiel soll Sebastian T. den Mord gestanden haben

So wie damals bleibt der Zeuge jedoch auch dieses Mal bei seiner Aussage: Der Angeklagte habe in einem Gespräch gesagt, Hanna aus sexuellen Motiven angegriffen, bewusstlos geschlagen und in einen Fluss geworfen zu haben.
Stattgefunden haben soll die Unterhaltung beim gemeinsamen Kartenspiel im Gefängnis, wo sich die beiden Männer im Herbst 2022 kennengelernt hatten.
Dass der Angeklagte und sein Mithäftling sich unterhalten haben, glaubt Steller. Anschaulich habe der 25-Jährige das vorgetragen, sagt er. Sogar eine Skizze seiner Gefängniszelle hatte er gefertigt, wo sich die beiden Männer immer wieder mal getroffen hatten, um in Ruhe Karten zu spielen.
Auch dass sie sich ihre Haftgeschichten erzählten, hält er für möglich. Die Themen seien wohl über Wetter oder Essen hinausgegangen, vermutet der Psychologe.

Eltern von Hanna bleiben dem Mord-Prozess fern
Doch wie weit das Gespräch ging und ob der Angeklagte tatsächlich beschrieb, wie er Hanna angeblich angriff - das bleibt unklar. Steller sieht massive Widersprüche der Zeugenaussage, wenn es um Details geht. Etwa, ob der Angeklagte Hanna vom Sehen kannte oder ob er bei dem maßgeblichen Gespräch einen Gips an einem Arm hatte.
Dass der Zeuge lügen kann, davon ist der Psychologe überzeugt. Bei seinem psychiatrischen Krankheitsbild sieht er zudem eine "erhöhte Gefahr von Falschaussagen, seien sie unbewusst oder bewusst". Auch bei früheren Aussagen "in offiziellem Kontext" habe der 25-Jährige, der immer noch in Haft sitzt, bereits gelogen.
Bis zum 19. Dezember sind noch etliche Verhandlungstage angesetzt, aus Platzgründen im Amtsgericht Laufen, allerdings ohne die Eltern.
Der Vater hatte bis Ende vergangener Woche den Prozess als Nebenkläger verfolgt, sich dann aber zurückgezogen.
Titelfoto: Sven Hoppe/dpa