Von Marion van der Kraats
Berlin - Der wegen 15-fachen Mordes angeklagte Palliativarzt wird sich zunächst vor dem Landgericht Berlin nicht äußern. Das erklärte sein Verteidiger Christoph Stoll. Der Prozess begann am Montag unter großem Medien- und Publikumsandrang.
Er soll sich als Herr über Leben und Tod geriert haben: Fast ein Jahr nach seiner Verhaftung steht der Palliativarzt in Berlin wegen 15-fachen Mordes vor Gericht. In schwarzem Sakko und weiß-gemustertem Hemd sitzt er im Saal 700 hinter seinen drei Verteidigern.
Aufmerksam, äußerlich regungslos verfolgt er, wie Staatsanwalt Philipp Meyhöfer die Anklage mit perfiden Details verliest, ab und an blickt er während der rund 20 Minuten auf. Zu den Vorwürfen schweigt der 40-Jährige mit den dunkelblonden, kurzen Locken.
"Unser Mandant wird zunächst keine Erklärung abgeben", sagte Verteidiger Christoph Stoll in dem voll besetzten Saal.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem deutschen Arzt Mord aus Heimtücke und sonstigen niedrigen Beweggründen vor. Der 40-Jährige soll zwischen September 2021 und Juli 2024 ohne "medizinische Indikation und ohne deren Wissen und Zustimmung" zwölf Frauen und drei Männern jeweils ein "tödliches Gemisch verschiedener Medikamente" verabreicht haben.
Als erstes und jüngstes Opfer nennt die Anklage eine 25-Jährige, als ältestes eine 87 Jahre alte Frau.
Das Landgericht Berlin hat für den Prozess zunächst 35 Verhandlungstermine bis zum 28. Januar 2026 geplant. 13 Angehörige von Gestorbenen sind nach Gerichtsangaben als Nebenkläger vertreten.
Berlin: Rund 150 Zeugen sind geladen
Zu jedem Fall gibt es mehrere Zeugen, insgesamt könnten rund 150 Menschen vor Gericht gehört werden.
Der Mediziner soll die Taten im Rahmen seiner Tätigkeit für einen Pflegedienst in Berlin begangen haben. Palliativärzte begleiten schwerstkranke Menschen, um deren Schmerzen zu lindern. Der verheiratete Vater eines Kindes hat sich bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert.
Auch auf ein Gespräch mit einer psychiatrischen Sachverständigen ließ er sich nicht ein. Die Gutachterin wird das Verhalten des Angeklagten nun vor Gericht beobachten und Angaben von Zeugen hören, um ihre Einschätzung zu Charakter und Schuldfähigkeit des Mannes abzugeben.
Bislang ist unklar, was das Motiv des Palliativmediziners gewesen sein könnte. Die in der Anklage genannten Opfer waren alle schwerstkrank, ihr Tod stand aber nicht unmittelbar bevor.
Seit Bekanntwerden der Vorwürfe gegen den Mediziner wird in Medienberichten auf die Dissertation des Mannes verwiesen: "Warum töten Menschen?", heißt es in der Promotionsschrift aus dem Jahr 2013, in der er Tötungsdelikte von 1945 bis 2008 in Frankfurt/Main untersucht.
Für den Fall wurde eine Ermittlungsgruppe des Morddezernats im Berliner Landeskriminalamt (LKA) eingerichtet. Diese hat Hunderte Unterlagen von Patienten des Mediziners ausgewertet. Derzeit werden laut Staatsanwaltschaft noch 72 Fälle überprüft.
Erstmeldung: 6.33 Uhr, aktualisiert: 15.40 Uhr.