Nach sechs Jahren: Neonazi-Übergriffe von 2018 landen erst jetzt vor Gericht

Chemnitz - Mehr als sechs Jahre nach den rechtsradikalen Übergriffen vom 1. September 2018 stehen ab nächster Woche vier junge Männer vor dem Chemnitzer Landgericht.

Auch zum Prozessauftakt nächste Woche gelten hohe Sicherheitsvorkehrungen am Chemnitzer Landgericht.  © Haertelpress

Sie sollen Teil einer organisierten Neonazi-Gruppe gewesen sein, die gezielt Gegendemonstranten eines "Trauermarsches" angegriffen hatten. Opferverbände und Nebenkläger erheben schwere Vorwürfe gegen die Justiz.

Die Angeklagten müssen sich ab Dienstag vor der Jugendkammer verantworten, da sie zur Tatzeit zwischen 17 und 20 Jahre alt waren. Die Anklage lautet auf schweren Landfriedensbruch und gefährliche Körperverletzung.

Rechtsanwältin Kati Lang (45), die mehrere Nebenkläger vertritt, übt scharfe Kritik am Vorgehen der Justiz: "Selbst für die sächsische Justiz ist die Verfahrensdauer ungewöhnlich lang. Am Landgericht Chemnitz fällt nach meiner Einschätzung ein großer Unwillen auf, diese Fälle überhaupt zu verhandeln."

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Ob nach so langer Zeit noch echte Aufklärung möglich ist, sei fraglich.

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Opfer-Anwältin Kati Lang (45) hatte bereits im ersten Prozess 2023 mehrere Nebenkläger vertreten.  © Haertelpress

Noch keiner der 27 ursprünglich Verdächtigen bisher verurteilt

Nach der Messerstecherei zum Chemnitzer Stadtfest gab es am Tatort eine spontane Demo.  © Haertelpress

Rückblick: Am 1. September 2018 hatten rechte Gruppen einen "Trauermarsch" für den kurz zuvor erstochenen Daniel H. (†35) organisiert. Danach soll es eine regelrechte Hetzjagd auf Gegendemonstranten gegeben haben.

Es ist nicht der erste Prozess zu den damaligen Übergriffen. Bereits im Dezember 2023 stand ein erstes Verfahren vor dem Landgericht Chemnitz an - mit ernüchterndem Ergebnis: Von neun Angeklagten erschienen damals nur fünf. Zwei Verfahren wurden ohne Auflagen eingestellt.

Zwei Männer entzogen sich dem Verfahren: Der bekannte Neonazi Steven F. tauchte unter, wurde später in Bulgarien gefasst. Doch das Verfahren gegen ihn in Chemnitz wurde eingestellt - mit der Begründung, ein anderes Verfahren sei wichtiger. Die übrigen Angeklagten kamen mit Geldauflagen von 1000 Euro davon.

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Für Opferverbände ist die schleppende Aufarbeitung inakzeptabel: "Chemnitz ist 2025 Kulturhauptstadt Europas", so Anna Schramm vom Verein "Support". "Aber ein Teil dieser Stadt wartet noch immer auf Anerkennung und Gerechtigkeit."

Am 1. September 2018 gab es in Chemnitz eine rechtsextreme Demo und eine Gegendemo mit insgesamt rund 11.000 Teilnehmern. Die Stimmung war aufgeheizt.  © Haertelpress

Von 27 ursprünglich Verdächtigen sei kein Einziger verurteilt worden. Immerhin soll ab Herbst zwei weiteren Beteiligten der Prozess gemacht werden.

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