Rechtsradikale "Hetzjagden" in Chemnitz: Mutmaßliche Täter schweigen

Chemnitz - Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen hat am Chemnitzer Landgericht der zweite Prozess gegen mutmaßliche Beteiligte der rechtsradikalen Ausschreitungen vom 1. September 2018 begonnen. Vier junge Männer, damals zwischen 17 und 20 Jahre alt, müssen sich wegen gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung verantworten. Die Angriffe hatten als "Hetzjagden von Chemnitz" weltweit Schlagzeilen gemacht.

Kevin J. (27), Marvin C. (26), Lasse R. (26) und Robby S. (24) müssen sich wegen gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung verantworten.
Kevin J. (27), Marvin C. (26), Lasse R. (26) und Robby S. (24) müssen sich wegen gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung verantworten.  © Montage: Härtelpress

Laut Anklage gehörten Kevin J. (27), Lasse R. (26), Marvin C. (26) und Robby S. (24) zu einer Gruppe von etwa 30 Rechtsradikalen, die nach einem "Schweigemarsch" gezielt die Konfrontation mit Gegendemonstranten gesucht haben sollen.

Anlass der Demos war der Tod von Daniel H. (†35) zum Stadtfest eine Woche zuvor. Der Angriffszug führte von der Bahnhofstraße über die Moritzstraße zur Annenstraße.

Elf Menschen wurden verletzt, Fahnen und Plakate zerstört.

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Zum Auftakt herrschte Schweigen auf der Anklagebank. Keiner der Angeklagten äußerte sich - nur bei Marvin C. kündigte die Verteidigung eine spätere Aussage an.

Der Prozess startete zudem mit zweistündiger Verspätung: Eine Schöffin erschien nicht rechtzeitig.

Vor Prozessbeginn hatte es bereits scharfe Kritik an der Justiz gehagelt. Opferschutzverbände warfen dem Landgericht "Verschleppung" und "Unwillen zum Verhandeln" vor.

Kurz nach dem Tod von Daniel H. (†35) am Rande des letzten Chemnitzer Stadtfestes 2018 gab es immer wieder rechtsradikale Demos in der Stadt.
Kurz nach dem Tod von Daniel H. (†35) am Rande des letzten Chemnitzer Stadtfestes 2018 gab es immer wieder rechtsradikale Demos in der Stadt.  © IMAGO/Michael Trammer

Mindestens elf Verhandlungstage

Landgerichtspräsident Dominik Schulz (56) sieht keine Versäumnisse bei der juristischen Aufarbeitung der Geschehnisse im September 2018.
Landgerichtspräsident Dominik Schulz (56) sieht keine Versäumnisse bei der juristischen Aufarbeitung der Geschehnisse im September 2018.  © Ralph Kunz

Gerichtspräsident Dominik Schulz (56) wies das zurück. Corona-Folgen, Personalwechsel und die Belastung der Kammer hätten zur Verzögerung geführt.

"Eine Priorisierung erfolgt nicht nach politischer Relevanz, sondern nach objektiver Belastung", so Schulz. Haftsachen hätten Vorrang gehabt.

Schon 2023 hatte es einen ersten Prozess gegen mehrere Beschuldigte gegeben - mit ernüchterndem Ergebnis: Drei Verfahren wurden gegen 1000-Euro-Zahlungen eingestellt, andere gar nicht eröffnet. Begründung: bloßes Mitlaufen, kein aktives Handeln.

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Das neue Verfahren ist auf mindestens elf Verhandlungstage angesetzt, ein Urteil könnte frühestens im Juli fallen.

Kati Lang (45), Anwältin der Nebenklage, ist skeptisch: "Ich bezweifle, dass wir nach so langer Zeit noch ein Urteil bekommen."

Titelfoto: Bildmontage: imago/Michael Trammer, Härtelpress

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