Wie Todesraser "King Bilal" unter den Augen der Justiz zum Intensivtäter wird

Leipzig - Es war einer der schlimmsten Unfälle, die es je in Sachsen gab: Im März 2023 raste in Eilenburg ein damals 18-Jähriger vier Menschen in den Tod. Der Syrer hatte keine Fahrerlaubnis, aber einen schweren Mercedes, mit dem er illegal unterwegs war. Im Februar wurde Bilal A. in erster Instanz zu einer Haftstrafe verurteilt, blieb aber auf freiem Fuß. Und entwickelt sich seitdem zum Intensivtäter.

Vier Menschen starben am 9. März 2023 auf der B87 in Eilenburg, weil der damals 18-jährige Flüchtling Bilal A. illegal ohne Führerschein und viel zu schnell im Mercedes unterwegs war.
Vier Menschen starben am 9. März 2023 auf der B87 in Eilenburg, weil der damals 18-jährige Flüchtling Bilal A. illegal ohne Führerschein und viel zu schnell im Mercedes unterwegs war.  © Jan Woitas/dpa

Es war gerade mal 16 Tage, nachdem Bilal A. in einem Geheimprozess von der Jugendschöffenkammer des Leipziger Amtsgerichtes wegen fahrlässiger Tötung in vier Fällen, zweifacher fahrlässiger Körperverletzung, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Unfallflucht zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt wurde, als eine dunkle Gestalt nachts mit Farbspraydose an einer Tankstelle im Leipziger Nordosten erschien.

"King Bilal" war kurz darauf in großen Lettern auf eine Wand der Waschboxen gesprüht.

Anhand der Bilder aus der Videoüberwachung konnte die Polizei den Täter schnell identifizieren: Es war Bilal A., der Todesraser von Eilenburg. Warum der Mann, der vier Menschen auf dem Gewissen hat, sich bis heute lesbar als "König" verewigte, bleibt sein Geheimnis.

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Aber es war nur eine von zahlreichen Straftaten, die der Syrer nach dem schweren Unfall beging - und die die Behörden bislang unter der Decke hielten.

Er nennt sich selbst "King Bilal": Bilal A. (20) tötete mit seiner Raserei vier Menschen. Nach seiner Verurteilung zu einer Haftstrafe blieb er auf freiem Fuß und schmierte sein "King Bilal" auf die Wand einer Tankstellen-Waschanlage (kl. F.).
Er nennt sich selbst "King Bilal": Bilal A. (20) tötete mit seiner Raserei vier Menschen. Nach seiner Verurteilung zu einer Haftstrafe blieb er auf freiem Fuß und schmierte sein "King Bilal" auf die Wand einer Tankstellen-Waschanlage (kl. F.).  © Bildmontage: Hassan Nazari ; Ralf Seegers

Vier Tote - doch er fährt nach Unfall weiter illegal Auto

Todesraser Bilal A. ließ sich von seinem Bruder im Mercedes CL 500 zum Gericht fahren und wurde dort zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt, die er aber bislang nicht antreten musste.
Todesraser Bilal A. ließ sich von seinem Bruder im Mercedes CL 500 zum Gericht fahren und wurde dort zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt, die er aber bislang nicht antreten musste.  © Hassan Nazari

Es begann schon vor dem Prozess am Amtsgericht. Wie die Staatsanwaltschaft auf TAG24-Anfrage bestätigte, wurde der seinerzeit unter Anklage stehende Todesraser am 31. August und am 4. September des vorigen Jahres erneut beim Fahren ohne Fahrerlaubnis erwischt. In einem Fall soll er mit einem falschen Führerschein ein Auto gemietet haben.

Geahndet wurden diese Straftaten nicht. Die Staatsanwaltschaft erklärte auf Anfrage hierzu: "Die Staatsanwaltschaft hat nach Eingang der Akten hierzu im Hinblick auf die am 11.02.2025 noch nicht rechtskräftig ausgesprochene Einheitsjugendstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten insoweit mit Verfügung vom März 2025 gemäß § 154 Abs. 1 StPO von der Strafverfolgung vorläufig abgesehen, da eine nach Anklageerhebung unter Anwendung des Jugendstrafrechts für diese beiden Taten zu erwartende Strafe aufgrund der gebotenen Einbeziehung in die in dem anderen Verfahren ausgesprochene Einheitsjugendstrafe nicht mehr ins Gewicht fallen würde."

Dass der Erziehungsgedanke des deutschen Jugendstrafrechts bei "King Bilal" offenbar nicht fruchtet, zeigt die Latte weiterer Ermittlungsverfahren.

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Seit November 2024 steht er unter Verdacht des Drogenhandels, im Januar kamen Ermittlungen wegen Bedrohung hinzu, im Februar die Sachbeschädigungen an der Tankstelle, im März eine weitere Anzeige wegen Bedrohung und im Mai wurde der Syrer bei einer spektakulären Drogenrazzia im Leipziger Osten kurzzeitig festgenommen.

Polizisten stehen bei einer Drogen-Razzia vor dem Leipziger Lokal "Goldener Löwe". Nach einem größeren Drogenfund hier wird gegen Bilal A. nun auch wegen des Verdachts des Drogenhandels ermittelt.
Polizisten stehen bei einer Drogen-Razzia vor dem Leipziger Lokal "Goldener Löwe". Nach einem größeren Drogenfund hier wird gegen Bilal A. nun auch wegen des Verdachts des Drogenhandels ermittelt.  © Christian Grube

Hinterbliebene der Unfallopfer sind schockiert

Rechtsanwalt Jan Siebenhüner (43) vertritt die Kinder eines beim Unfall getöteten Ehepaares in Nebenklage. Seine Mandanten erhielten bis heute keine persönliche Entschuldigung des Todesrasers.
Rechtsanwalt Jan Siebenhüner (43) vertritt die Kinder eines beim Unfall getöteten Ehepaares in Nebenklage. Seine Mandanten erhielten bis heute keine persönliche Entschuldigung des Todesrasers.  © PR

Polizisten hatten damals einen weißen Golf mit mutmaßlichen Dealern verfolgt, die sich einer Kontrolle entzogen hatten. Wer am Steuer saß, konnte bislang nicht ermittelt werden.

Der Wagen wurde später vor dem Lokal "Goldener Löwe" an der Wurzener Straße aufgefunden. Ein Spürhund der Polizei nahm die Spur direkt ins Lokal auf, in dem kurz darauf Depots mit Crystal, Haschisch und Kokain sowie größere Mengen Bargeld gefunden wurden. Seither hat Bilal A. ein weiteres Verfahren wegen Drogenhandels an der Backe.

"Für die Angehörigen der Unfallopfer ist es schockierend, zu sehen, dass dieser Mensch offenbar keinerlei Reue zeigt und rotzfrech weiter Straftaten begeht", sagt der Leipziger Rechtsanwalt Jan Siebenhüner (43), der die Kinder eines getöteten Ehepaares (†67, †68) als Nebenkläger vertritt. Bis heute habe sich der Syrer bei den Hinterbliebenen nicht persönlich entschuldigt.

Und die Justiz? Die steht sich bei der Aufarbeitung teilweise selbst im Wege. Die Jugendkammer, die am Landgericht den Berufungsprozess führen soll, ist mit einem beisitzenden Richter besetzt, der damals noch als Bereitschaftsstaatsanwalt an den Unfall-Ermittlungen beteiligt war, folglich in der Sache nicht verhandeln kann.

Die Kammer muss nun umbesetzt werden, was das Verfahren weiter verzögert.

Das Leipziger Landgericht kann den Berufungsprozess aufgrund eines Besetzungsproblems erst Ende des Jahres durchführen.
Das Leipziger Landgericht kann den Berufungsprozess aufgrund eines Besetzungsproblems erst Ende des Jahres durchführen.  © Jan Woitas/dpa

Keine Haft - Berufungsprozess lässt weiter auf sich warten

"Der Prozess soll noch in diesem Jahr beginnen, die Kammer ist gerade in der Terminabstimmung", erklärte eine Gerichtssprecherin diese Woche. Eventuell startet die Berufung, in der die Verteidigung eine Bewährungsstrafe anstrebt, nun Mitte November.

So lange bleibt der selbst ernannte "King Bilal" weiter auf freiem Fuß - und hat damit alle Möglichkeiten, sein Strafregister weiter anwachsen zu lassen.

Titelfoto: Bildmontage: Jan Woitas/dpa ; Hassan Nazari

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