Prozess gegen Magdeburger Amokfahrer: Ukrainische Zeugin fühlte sich an Krieg erinnert
Magdeburg - Am Montag wird das Gerichtsverfahren um das Attentat auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt fortgesetzt. Es ist der vorletzte Verhandlungstag in diesem Jahr.
TAG24 ist vor Ort und berichtet in einem Liveblog direkt aus dem Gerichtsgebäude.
Grundlegende Informationen zu dem Attentat und dem langwierigen Gerichtsverfahren findet Ihr in folgendem Artikel: "Eigenes Gerichtsgebäude gebaut: Mega-Prozess gegen Magdeburger Amokfahrer startet".
13.50 Uhr: Bruder der ukrainischen Zeugin von Auto getroffen
Direkt nach der 30-Jährigen Ukrainerin folgt ihr Bruder in den Zeugenstand. Sie haben zusammen mit ihrer Mutter das Attentat in der nordischen Meile in der Hartstraße erlebt.
Auch er konnte das Geräusch der auf das Auto aufschlagenden Menschen zunächst nicht einordnen. Er dachte anfangs an Schnee, welches von einem Hausdach rutscht.
Er wurde von dem Auto erfasst und durch die Wucht der Kollision weggestoßen. Zuvor habe er gehört, wie Attentäter Taleb A. seinen Wagen beschleunigt hatte.
Weiterhin schildert er, was er nach dem Vorfall in den Straßen erblickt hatte. Blut, reglose Körper und viele helfende Menschen.
13.18 Uhr: Ukrainerin fühlte sich an Krieg erinnert
Nach der Mittagspause wurde die Verhandlung um 13 Uhr wieder aufgenommen. Jetzt wurden zwei Personen aus der Ukraine in den Zeugenstand gerufen, welche zum Zeitpunkt des Anschlags ebenfalls den Weihnachtsmarkt besucht hatten.
Zunächst sagt eine 30-jährige IT-Spezialistin aus. Den Aufprall der Menschen gegen das Attentäter-Auto konnte sie zunächst nicht einordnen. Weil sie vom Krieg in der Ukraine geflüchtet ist, dachte sie zunächst an ein einstürzendes Haus.
Wenig später habe sie jedoch mehrere Personen durch die Luft fliegen sehen. Ihrer Mutter, die ebenfalls vor Ort war, musste sie zunächst erklären, dass es sich um ein Anschlag handelte.
11.58 Uhr: Opfer lässt sich Weihnachten nicht vermiesen
Zum Ende ihrer Zeugenvernehmung teilte die 47-Jährige bewusst im Beisein des Attentäters mit, dass sie weiterhin den Weihnachtsmarkt mit ihren Kindern besuchen werde. "Ich lasse mir Weihnachten von niemanden verderben."
Der Vorsitzende ordnet anschließend eine Mittagspause an. Um 13 Uhr werden die nächsten Zeugenaussagen erwartet.
11.32 Uhr: Dritte Zeugin hörte "aufklatschende Geräusche"
Auch die dritte Zeugin ist direkte Betroffene des Anschlags. Die 47-Jährige war mit ihren Kindern auf dem Weihnachtsmarkt und ringt ebenfalls mit den Tränen.
Sie habe zunächst "aufklatschende Geräusche" gehört, schildert sie. Nur wenig später sei sie von einer Menschenmasse mitgerissen worden und ist erst einige Meter weiter zum Liegen gekommen.
Anschließend sei sie aufgestanden und über Personen gestiegen. "Wann kriegt man denn hier Hilfe, da sind überall Menschen, die hier liegen", soll sie sich gefragt haben.
Auf viele gute Helfer haben sie und ihre Kinder dennoch nicht lange warten müssen. Alle hinzugeeilten Menschen machten bei ihr einen guten Eindruck, sagt sie.
11.14 Uhr: Mutiger Besucher wollte Attentäter aus Auto holen
Während das Auto mit dem Attentäter darin an dem Zeugen vorbeifuhr, erblickte er einen mutigen Besucher des Weihnachtsmarktes.
Dieser habe versucht die Fahrertür des Autos aufzureißen und beleidigte den Attentäter darin lautstark. "Leider hat es nicht geklappt", schilderte er seine Erlebnisse.
Taleb A. soll dabei regungslos und mit fokussiertem Blick geradeaus geschaut haben.
10.59 Uhr: Zweiter Zeuge verstand Situation zunächst nicht
Der zweite Zeuge des Tages ist von Beruf Krankenpfleger. Die von ihm gesehenen Verletzungen beschäftigen ihn bis heute.
Unter anderem sei ein Mann mit dem Becken unter dem rechten Hinterrad des Anschlag-Autos verkeilt gewesen. Ein weiterer Teenager habe extrem laut geschrien und sei dadurch aus der Masse hervorgestochen.
Zum Zeitpunkt des Anschlags befand er sich am Karussell vor dem Rathaus und habe ein "irres lautes Donnern" wahrgenommen. "Warum ist hier ein Feuerwerk?", habe er sich gefragt. "Dann gab es ein Knacken und Knarzen."
Zunächst ging der Mann davon aus, dass es sich bei dem Auto um den Wagen eines Schaustellers handelte.
10.41 Uhr: Familie kritisiert deutschen Rechtsstaat
Der Zeuge ist für den heutigen Verhandlungstag extra aus den USA angereist. Seine Frau und der Sohn bleiben zu Hause.
In der Zeit nach dem Anschlag habe die Frau einen Brief geschrieben, von dem der Mann heute mündlich berichtet. Sie und ihre Familie kritisieren dabei das Rechtssystem in Deutschland.
Der Attentäter habe zu viele Rechte und wird viel zu gut behandelt, soll es darin heißen. "Wir wissen, was er gemacht hat. [...] Es scheint so als wenn ihn mit der Behandlung, die er weiter bekommt, der deutsche Staat ihn schützt."
10.20 Uhr: Zeuge betitelt Attentäter als "Monster"
Während sein Sohn auf der Intensivstation des Uniklinikums Magdeburg lag, suchte dieser offenbar nach Antworten und der Schuld, berichtet der Zeuge.
Nachdem der Fünfjährige nach der Operation aufgewacht war, wollte dieser wissen, was passiert war. "Ein böser Mann hat dich überfahren", habe der Vater geantwortet.
"Mami, warum hast du meine Hand nicht gehalten. Warum hast du mich nicht weggezogen?", soll der Junge gefragt haben. Diese Fragen beschäftigen die Eltern bis heute und geben ihnen Schuldgefühle. "Warum sind wir nicht getroffen worden, aber unser Sohn?"
Den Angeklagten bezeichnet er als "Monster": "Das alles nur, was ein Monster angestellt hat". Attentäter Taleb A. sitzt währenddessen teilnahmslos auf der Anklagebank.
Durch die heutige Aussage will die Familie einen Schlussstrich ziehen.
9.59 Uhr: Ärzte retten Sohn von Zeugen das Leben
Unter Tränen spricht der Mann von seinen Erlebnissen. Er kann sich an viele Schreie erinnern. Vor allem an denen seiner Frau und seines Sohnes im Rettungswagen.
Dabei habe er viele Menschen getroffen, die überaus hilfsbereit und einfühlsam waren. "Ich bin dankbar, dass wir so schnell Hilfe bekommen haben."
Im Universitätsklinikum Magdeburg wurde der Junge behandelt. "In der Notaufnahme haben viele Ärzte unseren Sohn in Empfang genommen. Wir wurden von ihm getrennt, was sich schrecklich angefühlt hat. Wir wussten nicht wie verletzt unser Sohn ist."
Wenig später durften sie ihn auf der Intensivstation besuchen. "Sie müssen jetzt ganz stark sein", habe der Chefarzt den Eltern gesagt.
Der Fünfjährige war mit Verletzungen übersät und habe seine Zunge abgebissen sowie bei dem Anschlag eine eingerissene Leber erlitten. "Aber er hat überlebt", erzählte der Mann stolz.
9.43 Uhr: Der erste Zeuge sagt aus und wird emotional
Mit ein wenig Verspätung beginnt der nächste Verhandlungstag. Ohne große Umwege werden die ersten beiden Zeugen aufgerufen und belehrt.
Der erste Zeuge lebt in den USA und kam zur Weihnachtszeit zu Besuch der Familie in seine alte Heimat. Zum Zeitpunkt des Anschlags befand er sich bereits auf dem Heimweg. Er blickte direkt in die Lichter des Tatautos. "Ich dachte, es wird ein Versorgungsfahrzeug sein", schildert er mit ruhiger und bedachter Stimme.
"Ich weiß nicht, warum das Auto mich nicht getroffen hat oder meine Frau nicht getroffen hat", beschreibt er weiter. Bei dem Anschlag wurde sein fünfjähriger Sohn verletzt.
Gleichzeitig mit den Erinnerungen fällt es dem Mann immer schwerer zu sprechen, seine Stimme zittert.
6.05 Uhr: Weitere Opfer wollen aussagen
Erwartet wird, dass gegen den Amokfahrer Taleb A. (51) acht weitere geladene Geschädigte aussagen wollen.
Sie sollen die Tat und das Erlebte aus ihrer Sicht beschreiben. Der Start der Verhandlung ist für 9.30 Uhr eingeplant.
Titelfoto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa