Prozess um Magdeburg-Anschlag: Ärztin spricht über getöteten André (†9)

Magdeburg - Der Prozess um den Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt geht weiter: Am Mittwoch stehen die Getöteten erneut im Mittelpunkt.

Der Prozess um den Todesfahrer vom Magdeburger Weihnachtsmarkt Taleb A. (51) geht weiter.
Der Prozess um den Todesfahrer vom Magdeburger Weihnachtsmarkt Taleb A. (51) geht weiter.  © Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Der 51-jährige Attentäter steht wegen sechsfachem Mord und über 300-fachem versuchten Mord vor Gericht. Ihm droht Sicherheitsverwahrung.

Grundlegende Informationen zu dem Attentat und dem langwierigen Gerichtsverfahren findet Ihr im Artikel "Eigenes Gerichtsgebäude gebaut: Mega-Prozess gegen Magdeburger Amokfahrer startet".

TAG24 ist vor Ort und berichtet live.

11.45 Uhr: Geschädigter (48) wurde "durch die Luft geschleudert"

Ein Augenzeuge (48), der am Anschlagsabend auf dem Weihnachtsmarkt verletzt wurde, sagt jetzt aus.

"Mich hat es durch die Luft geschleudert und ich bin da irgendwo in der Ecke gelandet", erklärt der Magdeburger. Er erlitt Hämatome an Kopf und Körper.

Er schildert, wie sein bester Freund neben ihm landete und eine große Kopfwunde aufwies. "Er hat geschrien 'mein Kopf ist auf, mein Kopf ist auf'", erinnert sich der Mann und betreute ihn bis zum Eintreffen der Einsatzkräfte.

Zwar ist der 48-Jährige nicht in psychologischer Betreuung, kämpft aber dennoch mit den Folgen des Vorfalls. "Man ist schreckhafter geworden bei lauten Geräuschen, zum Beispiel wenn ein Auto hinter einem quietscht", meint der Geschädigte. Auch leidet er unter Schlafstörungen.

11.33 Uhr: Anschlagsopfer (†75) wurde vom Tatwagen überrollt

Die Rechtsmedizinerin gibt Auskunft über die Obduktion einer weiteren Toten.

Die 75 Jahre alte Geschädigte erlitt ebenfalls ein stumpfes Rumpftrauma, eine zertrümmerte Leber und Milz sowie ein gebrochenes Becken und Schambein. Auch wurden einige Rippen gebrochen und die Frau am Kopf verletzt.

Die Sachverständige betont, dass die Tote vermutlich angefahren oder überrollt wurde und erläutert, dass die Dame nur "eine einstellige Minutenzahl" lang überlebt habe.

11.21 Uhr: Kleiner André (†9) starb aufgrund eines durchtrennten Luftleiters

Die 41-jährige Sachverständige gibt jetzt schockierende Einblicke in die Obduktion des getöteten Jungen.

Der neunjährige André wurde am Anschlagsabend von dem Tatauto erfasst, aber nicht überrollt. Dabei erlitt das Kind ein stumpfes Brustkorbtrauma, einen gebrochenen Brustwirbel sowie eine Einblutung am Kopf. Der Hauptluftleiter und die Spitze des linken Lungenflügels wurde durchtrennt, was zum Tod des Kindes führte.

Die Rechtsmedizinerin gibt an, dass der kleine André nur noch kurz weiterlebte und so gut wie keine Überlebenschance hatte.

11.14 Uhr: Ärztin nach Anschlag in psychologischer Betreuung

Die 55-Jährige erläutert, dass sie in ihren über 30 Jahren im Dienst noch nie so eine schlimme Situation erlebt hat.

"Ich war an diesem Abend nicht Ärztin, die dazugekommen ist, um zu helfen, ich war nur ein Gast auf dem Weihnachtsmarkt", erklärt sie.

Am Anschlagsabend wurde sie gegen die Scheibe einer Bude gedrückt, wurde körperlich aber nicht verletzt. Der Vorfall belastet sie weiterhin und sie hat unter anderem mit Stimmungsschwankungen zu kämpfen.

Auch bemerkte sie, dass sie radikale Gedanken gegenüber "Bürgern mit arabischen Migrationshintergrund" hegte. "Das wollte ich aber nicht zulassen", erläutert sie und gibt an, sich daraufhin professionelle Hilfe gesucht zu haben.

Bis heute ist die Ärztin in psychologischer Betreuung.

Am Mittwoch sagen Sachverständige der Rechtsmedizin aus.
Am Mittwoch sagen Sachverständige der Rechtsmedizin aus.  © Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

11 Uhr: Ärztin versuchte, getöteten André (†9) zu reanimieren

In der Nähe der Sparkasse wurde kurz nach dem Anschlag ein kleines Kind reanimiert, erinnert sich die Magdeburgerin. Dort stellte sie sich als Ärztin vor und half aus.

Das Kind blutete stark im Gesicht. Erst wenige Minuten später trafen die ersten Rettungswagen ein. Trotz aller Maßnahmen wurde schnell klar, dass das Kind den Vorfall nicht überleben würde.

"Wir konnten den Kleinen nicht für tot erklären, wir wollten das nicht", erklärt die 55-Jährige, während sie dauerhaft mit den Tränen ringt. Die Einsatzkräfte haben den Jungen dennoch in die Klinik gebracht, doch der kleine André überlebte den Abend nicht.

Die Ärztin erklärt, dass sie sich an nur zwei Geräusche des Anschlagsabends erinnert: Die Geräusche des Todeswagens und die Schreie von Andrés Stiefvater.

10.51 Uhr: Ärztin war am Tatabend Ersthelferin auf dem Weihnachtsmarkt

Die 55-jährige Magdeburgerin erinnert sich, dass sie am Tatabend mit Kollegen den Weihnachtsmarkt besuchte. Um kurz nach 19 Uhr vernahm sie ein seltsames Geräusch.

"Es klang wie eine Sturmböe oder eine brechende Welle", erinnert sich die Ärztin. Auf ihrer linken Seite sah sie dann das Todesauto, was kurz neben ihr hielt und dann weiterfuhr. "Mein erster Gedanke war, 'Großer Gott, doch nicht hier in Magdeburg'."

Die 55-Jährige setzte den Notruf ab und ist im Anschluss mit ihren elf unverletzten Kollegen "ausgeschwärmt", um den Verletzten zu helfen.

10.48 Uhr: Prozess wird fortgesetzt

Nach einer etwa 30-minütigen Pause, in der auf die nächste Geladene gewartet wurde, wird der Prozess jetzt fortgesetzt.

Eine zweite rechtsmedizinische Sachverständige (41) erstattet Bericht über die Obduktion einer toten Frau. Auch eine Zeugin, eine 55-jährige Ärztin, die am Anschlagsabend als Ersthelferin vor Ort war, steht vor Gericht.

Der Prozess um den Todesfahrer vom Magdeburger Weihnachtsmarkt geht weiter.
Der Prozess um den Todesfahrer vom Magdeburger Weihnachtsmarkt geht weiter.  © Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

10.10 Uhr: Prozess pausiert

Richter Dirk Sternberg verkündet nach dem ersten Sachverständigen eine kurze Pause. Jetzt muss abgewartet werden, bis der nächste Geladene vor Ort eintrifft.

Der Prozess soll 10.30 Uhr weitergehen.

9.48 Uhr: 52-jährige Frau starb an Lungenembolie

Als Erster sagt ein rechtsmedizinischer Sachverständiger (54) aus, der mit seinem Team die Obduktion einer Getöteten durchgeführt hat.

Die 52 Jahre alte Tote erlitt durch den Anschlag Hämatome am Kopf, der Hüfte und den Extremitäten. Das Becken war gebrochen, worauf es zu massiven Einblutungen kam. Das lässt darauf schließen, dass die Tote auf Hüfthöhe vom Todeswagen angefahren wurde, berichtet der 54-Jährige.

Die Frau lag noch knapp zwei Wochen im Krankenhaus, bevor sie kurz nach Neujahr verstarb. Sie starb an einer Lungenembolie, die durch die Einblutungen ausgelöst wurde, gibt der Sachverständige an.

9.28 Uhr: Prozesstag beginnt

Kurz vor Prozessbeginn wird der Angeklagte Taleb A. (51) wieder unter schwerem Personenschutz in seine Sicherheitszelle geführt.

Pressevertreter dürfen für kurze Zeit Fotos vom Todesfahrer machen, bevor der Verhandlungstag um kurz nach 9.30 Uhr beginnt.

Am mittlerweile zehnten Prozesstag sind die Besucherreihen im Gericht weiterhin gefüllt, nur wenige Plätze sind frei.

Titelfoto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

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