Bundespolizei schmeißt Rollstuhlfahrerin aus ICE: "Unkooperativ und beratungs­resistent!"

Göttingen - Schockierende Bilder und Videos verbreiten sich im Netz: Schreiend wird eine Rollstuhlfahrerin von zwei Bundespolizisten aus einem ICE geschleift. Doch was ist hier passiert?

Die 40-jährige Rollstuhlfahrerin Cécile Lecomte wurde von zwei Bundespolizisten aus einem ICE geschleift.
Die 40-jährige Rollstuhlfahrerin Cécile Lecomte wurde von zwei Bundespolizisten aus einem ICE geschleift.  © Bildmontage: Screenshot/Twitter/HoernchenCecile

Die 40-jährige Umweltaktivistin und Rollstuhlfahrerin Cécile Lecomte war am vergangenen Montag mit dem ICE T unterwegs. Doch ihre Reise endete anders als erwartet: Am Bahnhof Göttingen wurde sie von zwei Bundespolizisten aus dem Zug geschleppt.

Die Aktivistin schilderte den Vorfall ausführlich auf Twitter: Sie habe bereits im Voraus ihre Mitfahrt beim Mobilitätszentrum der Deutschen Bahn angemeldet und eine gültige Fahrkarte gekauft.

Rollstuhlfahrer müssen durch Personal der DB über einen Hublift in den Zug transportiert werden. Wenige Tage vor Fahrtantritt habe das Mobilitätszentrum diese Anfrage jedoch abgelehnt, sodass sie sich privat organisieren musste.

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Am Tag der Reise stieg die 40-Jährige mithilfe eines Bekannten in den Zug und stellte ihren Rollstuhl vor den Toiletten ab, da dort genügend Platz sei. Der vorgesehene Rollstuhlplatz sei für ihren Stuhl zu knapp bemessen, ständig würden Gäste oder Koffer dagegenstoßen.

Sie selbst setzte sich zunächst auf ihren vorgesehenen Platz, entschied sich dann jedoch aufgrund von starken Schmerzen, sich auf dem Rollstuhlplatz hinzulegen und auszustrecken. Bis zu diesem Zeitpunkt habe es keine Probleme mit anderen Fahrgästen oder Personal gegeben, schilderte Lecomte.

Mitreisende beschwerten sich über "aggressives Verhalten"

Wenige Minuten später habe sich ein Fahrgast beschwert, da sich Lecomte und ihre Begleitung zu laut unterhalten hätten, und das im Ruhebereich. Ihr Verhalten wurde von Mitreisenden und vonseiten der Deutschen Bahn als "sehr aggressiv" beschrieben. Die Aktivistin konterte, dass sie sich aufgrund fehlender Barrierefreiheit im ICE nirgends anders aufhalten könne.

Schließlich soll die 40-Jährige von einer Schaffnerin unter Androhung der Polizei dazu aufgefordert worden sein, Platz für einen Kinderwagen zu machen. Auch dagegen verwehrte sich Lecomte.

Wie die Deutsche Bahn mitteilte, sei die Rollstuhlfahrerin "absolut unkooperativ und beratungs­resistent" gewesen, weshalb der Einsatz von polizeilicher Unterstützung nötig gewesen sei.

Zwei Beamten der Bundespolizei hoben dann schließlich am Bahnhof Göttingen Lecomtes Rollstuhl gegen ihren Willen aus dem ICE und forderten sie auf aufzustehen.

Bundespolizei: "Verhalten selbst herbeigeführt, um Videos für Kampagne zu bekommen!"

Lecomte hatte sich auf dem Rollstuhlplatz auf den Boden gelegt, um sich etwas ausstrecken zu können.
Lecomte hatte sich auf dem Rollstuhlplatz auf den Boden gelegt, um sich etwas ausstrecken zu können.  © Screenshot/Twitter/HoernchenCecile

Als sie dieser Bitte nicht nachkommen konnte, soll sie von den Beamten an beiden Armen aus dem Zug geschleift worden sein. Die stark Rheuma-kranke Rollstuhlfahrerin berichtet, dass die Beamten ihr durch die "nicht behindertengerechte" Behandlung starke Schmerzen zugefügt hätten.

Ihre Begleitung dokumentierte den Vorfall in einem Video.

Auf TAG24-Nachfrage bestätigte ein Sprecher der Bundespolizeiinspektion Hannover den geschilderten Vorfall und fügte hinzu, dass "dieser sogenannte 'unmittelbare Zwang' eingesetzt wird, wenn die erforderliche Einsicht fehlt".

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Zum Verhalten der Aktivistin äußert sich der Sprecher außerdem wie folgt: "Die zwangsweise Durchsetzung des Platzverweises hat die Aktivistin letztlich durch ihr Verhalten selber herbeigeführt."

Schließlich war die Rollstuhlfahrerin ohne jegliche Mobilitätshilfe am Bahnhof Göttingen gestrandet. Lecomte gab an, dass sie glücklicherweise ihre Reise in einem anderen ICE fortsetzen konnte, wo "alle sehr freundlich" zu ihr gewesen sein sollen. Unterstützung erhielt sie von der Polizei dabei allerdings keine.

Die Deutsche Bahn antwortet auf Lecomtes Twitter-Beitrag: "Deine Schilderung hat uns betroffen gemacht. Toleranz und Respekt sind Grundwerte der Deutschen Bahn. Diskriminierungen jeglicher Art widersprechen unseren Unternehmenswerten." Dieses Vorgehen solle nun geprüft werden, hieß es weiter.

Die Aktivistin nimmt diesen Vorfall zum Anlass, um erneut auf die fehlende Barrierefreiheit an öffentlichen Plätzen und besonders in öffentlichen Verkehrsmitteln aufmerksam zu machen.

Titelfoto: Bildmontage: Screenshot/Twitter/HoernchenCecile

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