Sanierung nach Seen-Sperrung bei Leipzig: "Lässt sich nicht in Monaten realisieren"

Markkleeberg - Die Sperrung von zwei Seen hat die Tourismusanbieter im Leipziger Neuseenland kalt erwischt. Auch viele Jahre nach Ende des Bergbaus zeigt sich: Was schön aussieht, kann auch Risiken bergen.

Ende März wurden Risse am Kanal und der Schleuse festgestellt, weshalb der Markkleeberger See und der Störmthaler See nun erstmal gesperrt sind.
Ende März wurden Risse am Kanal und der Schleuse festgestellt, weshalb der Markkleeberger See und der Störmthaler See nun erstmal gesperrt sind.  © Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

Für Stephan Mann haben sich im März die Aussichten für die Tourismussaison 2021 verdüstert – und das liegt nicht an Corona. Mann ist Betriebsleiter der Personenschifffahrt im Leipziger Neuseenland. Die drei großen Ausflugsboote des Unternehmens sind auf dem Markkleeberger und dem Störmthaler See unterwegs.

Doch bis Mai werden sie nicht ablegen können. Der Landkreis Leipzig hat die beiden Bergbaufolgeseen gesperrt, nachdem Risse in der Böschung des Kanals gefunden wurden, der die beiden Gewässer verbindet. "Das war ein Risiko, mit dem man nicht rechnen konnte", sagt Mann.

"Die Situation ist nicht positiv. Wir müssen jetzt sehen, dass wir das Geschäft am Laufen halten und den Urlaubern, die hoffentlich weiter kommen, was bieten können", sagt der Betriebsleiter.

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Schon das Corona-Jahr 2020 sei schwierig gewesen. Nachdem sich das Ausflugsgeschäft immer besser entwickelt habe, sei die Gästezahl voriges Jahr um 45 Prozent eingebrochen.

Bis zur Pandemie habe die Personenschifffahrt 60.000 bis 65.000 Besucher befördert. Highlight der Bootstouren sei immer die Schleusenfahrt zwischen den Seen gewesen. Wann das wieder möglich sein wird, ist aber völlig unklar.

Karsten Schütze (54), SPD-Oberbürgermeister der Stadt Markkleeberg und Vorsitzender des Tourismusvereins Leipziger Neuseenland, rechnet mit langwierigen Sanierungsmaßnahmen. Er hoffe, dass die Arbeiten an dem Kanal und der Schleuse "nur einige wenige Jahre" in Anspruch nehmen werden, sagt der SPD-Politiker.

Die Reparatur werde in jedem Fall aufwendig und kostspielig. Schütze hofft, dass der Bund die Bezahlung übernehmen wird. Der Schaden wurzele schließlich "ursächlich im Bergbau". Aber ob das so kommt, ist noch offen.

Saisonverlust von minus 20 Prozent durch Sperrung der Seen

Normalerweise tummeln sich im Sommer zahlreiche Badegäste am Markkleeberger See, darunter viele Touristen. (Archivbild)
Normalerweise tummeln sich im Sommer zahlreiche Badegäste am Markkleeberger See, darunter viele Touristen. (Archivbild)  © Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

Der Bergbausanierer Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV) ist gerade erst dabei, Sofortmaßnahmen zur Gefahrenabwehr umzusetzen.

Der 850 Meter lange Kanal wird zunächst mit Spundwänden gesichert. Ist das abgeschlossen, sollen die Seen zumindest jeder für sich wieder freigegeben werden. Danach werde geprüft, was an Kanal und der erst 2013 eröffneten Schleuse gemacht werden muss.

Schon jetzt stehe fest, dass für die Arbeiten unter anderem eine wasserrechtliche Genehmigung nötig sei. "Dies lässt sich tatsächlich nicht in Monaten realisieren", erklärt LMBV-Sprecherin Claudia Hermann.

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Oberbürgermeister Schütze sagt, die überraschende Sperrung der gefluteten ehemaligen Braunkohletagebaue sei ein harter Schlag für den Tourismus in der Region. Der Wirtschaftszweig habe sich in der Bergbaufolgelandschaft gut entwickelt. Allein das rund 25.000 Einwohner zählende Markkleeberg habe vor Corona jährlich 150.000 Übernachtungsgäste begrüßt.

"Aber wir befinden uns nun mal auf der größten Landschaftsbaustelle Europas. Man muss sich eingestehen, dass manches nicht so einfach geht, wie man es mal gedacht hat", sagt Schütze.

Auch Rüdiger Pusch stellt sich auf Rückschläge ein. Er gehört zum Team des Krystallpalast Varietés, das am Störmthaler See mehrere Ausflugsziele bewirtschaftet. Dazu zählt die schwimmende Kirche "Vineta" – eine beliebte Location für Brautpaare. 16 Trauungen mussten nun abgesagt werden.

April und Mai seien extrem wichtige Veranstaltungsmonate. Die Sperrung werde wohl einen Saisonverlust von minus 20 Prozent bringen, sagt Pusch. Auch die Gesamtentwicklung werde weiter zurückgeworfen – obwohl bis Corona alle Zeichen auf Wachstum gestanden hatten.

Jeder, der sich Vorgaben hält, ist zu 99,9 Prozent sicher

Doch nun bleiben die Strände voraussichtlich für lange Zeit leer.
Doch nun bleiben die Strände voraussichtlich für lange Zeit leer.  © Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

Dass die gefluteten Überbleibsel des Braunkohleabbaus zwar schön aussehen, aber auch Risiken bergen können, zeigte sich zuletzt auch in der Lausitz. Dort rutschte im März ein Stück des Ufers des Knappensees ab. Das Areal war allerdings ohnehin gesperrt, weil die LMBV dort seit Jahren den instabilen Kippenboden saniert.

Anrufe von potenziellen Gästen, die sich um die Sicherheit sorgen, habe es deswegen nicht gegeben, sagt Kathrin Winkler, Geschäftsführerin des Tourismusverbandes Lausitzer Seenland. Dafür sei der Knappensee schon zu lange gesperrt.

Anders sei das gewesen, als es 2018 eine Rutschung am Senftenberger See gegeben habe.

Aus Sachsen-Anhalt ist noch der abgerutschte Hang in Nachterstedt am Concordia-See in Erinnerung. 2009 rutschten mehrere Millionen Kubikmeter Erdreich in den künstlichen See in einem früheren Bergbaugebiet und rissen mehrere Häuser mit in die Tiefe. Drei Bewohner starben. Nach dem Unglück war der See zehn Jahre für jede touristische Nutzung gesperrt.

Auch Winkler redet von der "größten Landschaftsbaustelle Europas", und dass man vor unvorhergesehenen Ereignissen nie ganz gefeit sei. "Wir gehen damit aber ganz offen um", sagt die Tourismusmanagerin.

Es gebe gesperrte Bereiche, Seen in der Zwischennutzung und freigegebene Freizeitmöglichkeiten. Jeder Gast, der sich an die vorgegebene Wege halte und keine Sperrschilder missachte, sei zu 99,9 Prozent sicher.

Titelfoto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

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