Korruptionsskandal: Innenminister war schon seit Monaten informiert

Leipzig - Nach Bekanntwerden des Korruptionsskandals bei der sächsischen Polizei vergangene Woche ließ Innenminister Roland Wöller (49, CDU) den Vorwurf der Vertuschung umgehend zurückweisen. Ein internes Papier legt jedoch das Gegenteil nahe. Ende 2019 forderte Leipzigs Polizeichef Torsten Schulze (55) das Innenministerium explizit zur Transparenz auf. Vergebens.

Hielt auch nichts von Transparenz: Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar (60).
Hielt auch nichts von Transparenz: Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar (60).  © Thomas Türpe

Mehr als 1000 sichergestellte Fahrräder sollen Beamte der Leipziger Spezialeinheit "Zentrale Bearbeitung Fahrradkriminalität" (ZentraB) zwischen 2015 und Sommer 2019 illegal vertickt haben, die meisten an eigene Kollegen (TAG24 berichtete). 

Die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen gegen Dutzende Polizisten. Die ZentraB wurde Ende vergangenen Jahres aufgelöst.

Im Dezember war es auch, als Leipzigs Polizeipräsident Torsten Schultze dem Innenministerium eine dreiseitige Sachverhaltsdarstellung übermittelte. Brisant ist vor allem der letzte Absatz, in dem Schultze seinen Minister dringend ersucht, mit dem Vorfall an die Öffentlichkeit zu gehen. 

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"Aufgrund der Anzahl betroffener Beamter und veranlasster Maßnahmen ist jedoch damit zu rechnen, dass Informationen über kurz oder lang publik und - das Potential ist erkennbar - gegebenenfalls skandalisiert werden", warnte Schultze in dem Schreiben. Und forderte, "größtmögliche Transparenz herzustellen".

Der auf den 27. Dezember datierte Brief endet mit dem Satz: "Spätestens mit der abschließenden Aktenvorlage bei der Staatsanwaltschaft Leipzig erscheint nach hiesiger Auffassung ein proaktives Vorgehen angezeigt, um dem Vorwurf zu entgehen, man habe den ,Mantel des Schweigens‘ ausbreiten wollen."

Doch Innenminister Wöller und sein Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar (60) entschieden sich offenbar für den "Schweigemantel". Erst Recherchen der Morgenpost brachten den Korruptionsskandal an die Öffentlichkeit - fünfeinhalb Monate nach Schultzes Forderung nach Transparenz.

Die Morgenpost wollte am Montag vom Innenministerium wissen, was die Gründe für das weitere Verschweigen waren. "Über die Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen von laufenden Ermittlungsverfahren entscheidet die ermittlungsführende Staatsanwaltschaft - in diesem Fall die Staatsanwaltschaft Leipzig", kam kurz und ausweichend zur Antwort.

Zwei Männer ein Schreiben: Während Leipzigs Polizeipräsident Torsten Schultze (55, l.) im Dezember Transparenz forderte, zog Sachsens Innenminister Roland Wöller (49, CDU, r.) das Verschweigen des Korruptionsskandals vor.
Zwei Männer ein Schreiben: Während Leipzigs Polizeipräsident Torsten Schultze (55, l.) im Dezember Transparenz forderte, zog Sachsens Innenminister Roland Wöller (49, CDU, r.) das Verschweigen des Korruptionsskandals vor.  © Jan Woitas/dpa, Alexander Bischoff

Mit seiner Transparenz-Initiative hatte Polizeipräsident Schultze im Dezember vor allem gemeint, ungeschönt zu erklären, warum die 2012 mit viel öffentlicher Aufmerksamkeit ins Leben gerufene "ZentraB Fahrrad" aufgelöst werden musste.

Titelfoto: Jan Woitas/dpa, Alexander Bischoff

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