Die Kessler-Zwillinge: Von Sachsen in die weite Welt

Leipzig - Sie sind die berühmtesten Zwillinge im Showgeschäft und der schillerndste Showgirls-Export aus Sachsen: die Kessler-Zwillinge Alice und Ellen (86). Die beiden wurden in Sachsen geboren, lebten 15 Jahre zu Kriegs- und Nachkriegszeiten bei Leipzig. Diesen Monat versteigern sie ihre Bühnenkostüme für einen guten Zweck.

Alice und Ellen Kessler absolvierten in ihrer über 40-jährigen aktiven Karriere weltweit über 1000 Liveauftritte. Seit 1986 leben die Schwestern in einem gemeinsamen Haus im Prominentenviertel Geiselgasteig in Grünwald bei München.
Alice und Ellen Kessler absolvierten in ihrer über 40-jährigen aktiven Karriere weltweit über 1000 Liveauftritte. Seit 1986 leben die Schwestern in einem gemeinsamen Haus im Prominentenviertel Geiselgasteig in Grünwald bei München.  © imago/Future Image

Vier Jahrzehnte zählten die Kessler Zwillinge zu den erfolgreichsten deutschen Showgirls. Sie sprechen auch Englisch, Französisch und Italienisch, begeisterten auf den Bühnen von Paris, Brüssel, Las Vegas, Tokyo, Sydney, Buenos Aires und in Italien, ließen sich sogar für den italienischen Playboy fotografieren.

Sie sangen, tanzten und feierten unter anderem mit Hollywood-Größen wie Frank Sinatra, Dean Martin, Fred Astaire, Burt Lancaster, Elvis Presley, Harry Belafonte oder Liz Taylor. Seit ihrem 70. Geburtstag sind sie Ehrenbürgerinnen ihres Geburtsortes Nerchau.

Noch bis 30. Oktober versteigern sie online ihre Showkostüme beim renommierten Münchner Auktionshaus Neumeister, um den Wiederaufbau von Kurhaus und Kurpark in Bad Neuenahr im Ahr-Tal zu unterstützen. Über 50 Kostüme und Accessoires kommen dabei unter den Hammer und vielleicht zu einem Höchstbietenden nach Sachsen?!

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In einem Interview erinnerten sie sich noch einmal an ihre Schulzeit in Sachsen, die Flucht in den Westen und ihre freizügigen Fotos im Playboy.

Alice und Ellen Kessler im Interview: Nach dem Krieg arbeiteten sie als Straßenkünstler

"Auf der Bühne waren wir nicht wirklich angezogen, aber auch nicht ausgezogen": Das Duo aus Sachsen schlürft genüsslich "ä Schälchen Heeßen".
"Auf der Bühne waren wir nicht wirklich angezogen, aber auch nicht ausgezogen": Das Duo aus Sachsen schlürft genüsslich "ä Schälchen Heeßen".  © imago images/United Archives

TAG24: Sie sind in Nerchau bei Grimma geboren, gingen in Taucha in die Grundschule und schon als Kinder in Leipzig-Lindenau zum Ballettunterricht - immer freiwillig?

Alice: Unser Vater hat uns in die Ballettschule geschickt. Er wollte, dass wir dadurch eine gute Körperhaltung bekommen. Beim Ballett haben wir Disziplin und Präzision gelernt. Doch im Sommer haben wir manchmal geschwänzt, haben den Badeanzug statt Balletttrainingssachen eingepackt und sind ins Schwimmbad von Taucha gegangen.

TAG24: Eineiige Zwillinge spielen gern Streiche, weil keiner weiß, wer Ellen und Alice ist. Gab es einen Trick, wie man Sie auseinanderhalten konnte?

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Ellen: Nein, bei uns war immer alles identisch, selbst der kleine Ohrring. Das wollte unser Vater so.

TAG24: Haben Sie diese Unverwechselbarkeit ausgenutzt und ihren Mitschülern und Lehrern Streiche gespielt?

Alice: Streiche hat immer nur die Ellen gespielt. Sie war der Klassenclown, ich war die Streberin. Ich war Klassenbeste und wollte es bleiben. Ellen musste in der Schule ganz vorn sitzen, damit der Lehrer sie im Auge hatte, während ich hinten sitzen durfte.

TAG24: Erinnern Sie sich noch an Erlebnisse aus dieser Zeit?

Ellen: Wir hatten nach dem Krieg als Straßenkünstler für GIs in einer Kaserne Akkordeon gespielt, gesungen und getanzt. Sie haben uns dafür sehr verwöhnt. Als Ausgangssperre war, haben sie uns nach Hause gefahren und für Mutti noch Seife und Kaffee mitgegeben. Alice: Wir hatten auch noch lange Kontakt zu unserer Grundschullehrerin. Doch sie ist inzwischen längst verstorben.

Kessler-Zwillinge über ihre Playboy-Fotos: Nach drei Tagen war er ausverkauft

Erhielten 1987 das Bundesverdienstkreuz: Die Kesslers Anfang der 1960er-Jahre mit Frank Sinatra in Las Vegas.
Erhielten 1987 das Bundesverdienstkreuz: Die Kesslers Anfang der 1960er-Jahre mit Frank Sinatra in Las Vegas.  © picture alliance /

TAG24: Dann sind sie 1952 mit 15 Jahren zu Ihrem Vater nach Düsseldorf geflüchtet...

Ellen: Das war sehr abenteuerlich. An der Grenze wurden unsere Visa, die im Pass einer fremden Person waren, nicht anerkannt und man schickte uns auf Viehwagen zurück nach Leipzig. Beim zweiten Mal hatten wir eigene Besuchervisa und wir sagten den Grenzern, dass wir unseren Vater aus dem Westen zurückholen wollten. Das war natürlich gelogen, aber wir kamen an.

TAG24: In Düsseldorf wollte sie Ihr Vater dann nicht mehr in die DDR zurücklassen und Sie traten im großen Revuetheater Palladium als Tänzerinnen auf.

Ellen: Die große Bühne kannten wir schon aus Leipzig, wo wir als Kinder und Teenager an der Oper als Statisten oder im Kinderballett mitgewirkt hatten. In Düsseldorf sollten wir Mambo tanzen, was gar nicht zu uns gepasst hat, weil wir spindeldürr waren.

TAG24: Wie stehen Sie heute zu Ihren freizügigen Fotos im Playboy? Bereut man das oder sind Sie stolz darauf?

Alice: Weder noch. Die Fotos waren sehr ästhetisch, die konnte man sich ruhig ansehen.

TAG24: Haben Sie lange überlegt, ob Sie's machen?

Ellen: Ja, die Alice hat lange überlegt, musste sehr überzeugt werden. Alice: Wir hätten es nicht gemacht, wenn wir den Fotografen nicht gut gekannt hätten. Er war schwul und wie eine Schwester für uns. Mit einem fremden Fotografen hätten wir es wahrscheinlich nicht gemacht.

TAG24: Nach drei Tagen war der Playboy ausverkauft, musste nachgedruckt werden. Haben Sie heute noch ein Heft davon?

Ellen: Nein, wir haben nur ein paar Seiten aufgehoben.

Ihr erster Film musste synchronisiert werden

Das Meerjungfrauenkleid ist das Highlight der Online-Auktion.
Das Meerjungfrauenkleid ist das Highlight der Online-Auktion.  © ©Kosta Potezica

TAG24: An welchem Kleid, das jetzt versteigert wird, hängen noch schöne Erinnerungen?

Alice: Das orangefarbene Kostüm haben wir extra für unsere Las-Vegas-Show mit Frank Sinatra in München schneidern lassen, weil Orange seine Lieblingsfarbe war. Ellen: Das Wassernixenkostüm ist mein Lieblingskleid. Es wurde 1956 für unseren Auftritt in der Lido-Revue in Paris angefertigt. Es ist vom Ausschnitt bis zu den Füßen handbestickt. Das könnte man heute gar nicht mehr herstellen oder wäre unbezahlbar. Alice: Wir trugen dieses Kostüm auch auf einer Gala in London, dazu Schmuck und sogar eine Krone. Wir waren schon komplett fertig, da entdeckte ich im Bad am Bidet einen Knopf, den ich nicht kannte. Das war eine Dusche von unten! Ich war klatschnass...

TAG24: Hatten Sie eigentlich Probleme mit dem sächsischen Dialekt?

Alice: Oh, ja. Als wir unseren ersten Film in München drehten, mussten wir eine Sprachlehrerin aufsuchen. Bei Frau Professor Langen sollten wir mit einem Korken im Mund Hochdeutsch lernen. Ellen: Trotzdem musste unser erster Film noch synchronisiert werden. Erst im zweiten redeten wir dann selbst.

Die Versteigerung findet Ihr unter: www.neumeister.com

Titelfoto: Montage:

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