Akkordarbeit: Das passiert am Flughafen Leipzig zwischen Landung und Neustart
Leipzig - Gepäck verstauen, Sandwich fassen, anschnallen bei Turbulenzen: Was in einem Flugzeug zwischen Start und Landung geschieht, wissen Flugreisende aus eigenem Erleben. Doch was passiert eigentlich zwischen Landung und Neustart? Wir waren während der Bodenwendezeit - dem sogenannten Turnaround - einer Urlaubsmaschine auf dem Flughafen Leipzig/Halle dabei und lüften drei Geheimnisse.
Alles in Kürze
- Flughafen Leipzig/Halle: Bodenwendezeit einer Urlaubsmaschine
- 189 Passagiere steigen aus, neue Passagiere ein
- Gepäck wird be- und entladen, Maschine betankt
- Boeing 737-800 startet nach Antalya
- In nur 55 Minuten ist der Neustart abgeschlossen

Zuerst ist es nur ein kleiner Punkt am Himmel, der immer größer wird. Erst kurz vor dem Aufsetzen auf der Landebahn erreicht die Boeing 737-800 für das Auge Flugzeuggröße: Der SunExpress-Flug XQ 276 aus Antalya ist planmäßig in Leipzig gelandet.
Kaum hat die Maschine festen Boden unter den Rädern, stürzt eine Armada von Flugabfertigern heran. Nur den kellenschwenkenden Einweiser gibt es nicht mehr.
"Das übernimmt längst eine Anzeigetafel, die dem Piloten sagt, wann er das Flugzeug beim Anfahren ans Gate stoppen soll - zentimetergenau", erklärt Tobias Hantke (37), der als Ramp Agent während der Flugpause am Boden für die Boeing verantwortlich ist.
Wer darf als Erstes ran an die Maschine, wenn die Triebwerke aus sind? Es ist ein totes Rennen zwischen Tank- und Gepäckwagen. Dann öffnen sich fast zeitgleich Gepäck- und Tankklappe.
Doch der Tankwart muss sich noch gedulden. "Das Betanken darf aus Sicherheitsgründen erst beginnen, wenn alle Passagiere von Bord gegangen sind", erklärt Stefan Kullick (43) und montiert schon mal den Schlauch unter der Tragfläche an. 11.200 Kilo Kerosin hat der Pilot geordert.

Gepäck muss schnell be- und entladen werden

Während die 189 Passagiere auf der einen Flugzeugseite über zwei Gangways aussteigen, rollen ihre Koffer auf der anderen Seite über Förderbände aus dem Bauch der Maschine.
"Für das Be- und Entladen des Gepäcks haben wir bei dieser Maschine jeweils 25 Minuten Zeit und weitere fünf Minuten als Pufferzeit", schaut Hantke prüfend auf die Uhr.
Im leeren Flugzeug kümmern sich jetzt zwei Mitarbeiterinnen der Reinigungsfirma darum, dass die Kabine wieder sauber wird. In ihren blauen Müllsäcken landen Papier von Schokoriegeln und Plastikmüll.
Die kleineren Reste wie Krümel lässt sich ihr Staubsauger schmecken. "Manchmal werden Handys, iPads, Kissen oder Teddybären vergessen, die ich dann zu unserem Fundbüro bringe", sagt Ramp Agent Hantke.
Alles muss raus

Da hat auch schon der "Würstchenwagen" an die Boeing angedockt. Das Kesselfahrzeug heißt im Flughafenjargon so, weil damit Fäkalien aus dem Abwassertank der Boeing abgepumpt werden.
"Aber ich fülle mit einem weiteren Schlauch auch Frischwasser auf", erklärt "Würstchenfahrer" Sven Pollok.
Allein der Schmutzwassertank seines Toilettenservice-Fahrzeugs hat ein Fassungsvermögen von 3000 Litern. "... noch 3, 2, 1 und Stopp", sagt Stefan Kullick und zählt damit die letzten betankten Liter runter.
Dann stöpselt er die Tankleitung unter der Tragfläche ab. Sein Countdown ist gleichzeitig das Startsignal, damit die neuen Passagiere einsteigen dürfen.
Passagiere freuen sich auf den Urlaub

"Wir haben den Urlaub dringend nötig", freut sich Michele Binder (40) aus Magdeburg. "Im vergangenen Jahr wurde fünf Tage vor unserem Flugtermin unser Hund krank, und wir mussten die Flugreise stornieren."
Auch die dreiköpfige Familie Dahms aus dem brandenburgischen Lehnin fliegt mit "in ein schönes Hotel mit Rutschen", wie Klein-Lea (9) verrät.
Alles an Bord? Dann verwandelt sich die Maschine zu Flug XQ 277 als Rückflug nach Antalya. Doch noch ist sie flügellahm. Weil Flugzeuge nicht rückwärts fahren können, gabelt ein Pushback-Fahrzeug das Vorderrad auf und drückt den Ferienflieger nach hinten auf den Rollweg.
Tobias Hantke begleitet die Maschine dabei zu Fuß, ist über ein langes Kabel und Kopfhörer mit dem Piloten verbunden. Ist der startklar, stöpselt sich Hantke ab.

Was wie eine Tagesaufgabe für die Bodentruppen klingt, spielt sich in nur knapp 55 Minuten ab. Dann muss die Maschine wieder abgehoben haben, denn nur ein Flugzeug in der Luft verdient Geld.
Und so verwandelt sich die Boeing nach dem flotten Neustart wieder langsam in einen kleinen Punkt am Himmel.
Kofferkunde aus Packer-Perspektive

Wenn Tobias Hantke seine Urlaubskoffer packt, dann so, dass sie seinen Kollegen nicht schwer zur Last fallen.
Er weiß aus täglicher Erfahrung: "Reisegepäck aus Stoff lässt sich im Gegensatz zu Hartschalenkoffern besser stapeln. Während übereinander angeordnete Plastikkoffer gern herumrutschen, blockieren andererseits Taschen, die mit Stretchfolien gegen Regen geschützt wurden, jegliches Sortieren und Bugsieren auf den Gepäckwagen."
"Koffer mit vier Rollen lassen sich zudem leichter in die Gepäckabteile der Maschinen rollen als welche mit nur zwei Rädchen." Größtmögliches Übel für die Kofferplackerer: Gepäckgürtel, die um Koffer gespannt werden. "Sie lösen sich gern in der Gepäckförderanlage ab und verkanten dann am Band", klagt Hantke.
Und natürlich gilt immer: Je leichter ein Koffer ist, desto leichter macht man's den Gepäckträgern.
Leipzig/Halle: Sachsens Tor in den Urlaub

In den laufenden Sommerferien starten und landen allein am Flughafen Leipzig/Halle 189 Passagiermaschinen - pro Woche!
"Diese Zahl wird in den kommenden Herbstferien sogar noch übertroffen", sagt Uwe Schuhart (49), Sprecher der Mitteldeutschen Flughafen AG.
"Dann werden bis zu 236 Abflüge in einer Woche erwartet." Spitzenreiter bei den Urlaubszielen ist Antalya.
Allein über 30 Mal starten in Leipzig jede Woche Flugzeuge in Richtung der Küstenstadt an der Türkischen Riviera.
Zu den beliebtesten Zielen zählen außerdem Palma de Mallorca, Heraklion und Hurghada. Schuhart: "Bei den beliebtesten Reiseländern liegt Spanien vor der Türkei und Ägypten sowie Griechenland."
Titelfoto: Bildmontage: Susann Friedrich