Familie berichtet über Chaos in Leipzigs Bürgerämtern! "Einfach ein katastrophaler Service"

Leipzig - Überlastete Websites, wochenlanges Hoffen auf einen Termin und überfüllte Ämter. Seit Beginn der Corona-Pandemie müssen Leipzigerinnen und Leipziger mit desolaten Zuständen im Bürgerservice der Messestadt kämpfen. Dies bekam nun auch Familie Hoffmann zu spüren. Die Beantragung eines Reisepasses für ihre eineinhalbjährige Tochter wurde für die Familie zu einer wochenlangen Tortur.

Stolz hält Florian Hoffmann den Kinderreisepass für seine Tochter in den Händen. Nachdem die Familie ihn erhalten hatte, konnten sie endlich guter Dinge in den Urlaub reisen.
Stolz hält Florian Hoffmann den Kinderreisepass für seine Tochter in den Händen. Nachdem die Familie ihn erhalten hatte, konnten sie endlich guter Dinge in den Urlaub reisen.  © Montage: Eric Mittmann + privat

"Wir haben vor ungefähr acht Wochen einen Urlaub gebucht und brauchten dafür diesen Kinderreisepass. Also haben wir zunächst versucht, online einen Termin zu buchen, aber auch nach mehrmaligen Anläufen wollte es einfach nicht funktionieren", erinnert sich Familienvater Florian Hoffmann gegenüber TAG24. "Es waren schlichtweg keine Termine verfügbar und fand sich dann doch mal einer, war beim nächsten Klick der Server tot und der Termin weg."

Im Bürgeramt in Schönefeld wurde die Familie abgewiesen, weil bereits um 9 Uhr, als die Türen geöffnet wurden, alle Termine weg waren. Florian Hoffmann versuchte es erneut, diesmal eine Stunde vor Öffnung, mit demselben Resultat. Von einem Besuch des Bürgeramts in Stötteritz wurde ihnen sogleich abgeraten. "Da hieß es, das ist das Amt, das aktuell die meisten Termine zu stemmen hat."

Freunde empfahlen ihnen Wiederitzsch. Erst an der Tür erfuhr der Familienvater, dass das Amt wegen Softwareumstellung bis 31. Oktober geschlossen bleibt. "Also bin ich am nächsten Tag um 6.30 Uhr zum Bürgerbüro Gohlis-Center gefahren und selbst da standen schon Leute - dafür, dass zweieinhalb Stunden später aufgemacht wurde. Da waren wir dann Nummer 19 von, ich glaube, 80 Terminen, die vergeben wurden. Alle anderen durften wieder gehen, dabei stehen die Leute bis auf die Straße und warten."

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Nach einer weiteren Stunde Warten, bei der auch das Töchterchen in dem überfüllten Raum dabei sein musste, hatte die Familie den Reisepass endlich in der Tasche. "Wir hatten dann noch jemanden in der Schlange getroffen mit der Nummer 68. Man mag sich gar nicht ausrechnen, wie lange sie in der Schlange stehen mussten."

Probleme mit Leipzigs Bürgerämtern: "Da muss eine Lösung ran"

Zwei Monate lang musste Familie Hoffmann um den Reisepass ringen. "Das ist einfach ein katastrophaler Service", kritisierte Marianne Küng-Vildebrand von Leipzigs Linken-Fraktion die Situation in Leipzigs Bürgerämtern.
Zwei Monate lang musste Familie Hoffmann um den Reisepass ringen. "Das ist einfach ein katastrophaler Service", kritisierte Marianne Küng-Vildebrand von Leipzigs Linken-Fraktion die Situation in Leipzigs Bürgerämtern.  © Eric Mittmann

Florian Hoffmann wandte sich mit seinen Erfahrungen schließlich an die Stadtverwaltung sowie die Fraktionen im Stadtrat. "Es kann doch nicht sein, dass die simpelste Daseinsvorsorge in unserer Stadt nicht mehr funktioniert", erklärte er in seiner Nachricht.

"Herr Hoffmann hat da vollkommen recht", sagte im TAG24-Gespräch Marianne Küng-Vildebrand, Sprecherin für Wirtschaft und Beschäftigung der Leipziger Linken und Mitglied im Ausschuss für Allgemeine Verwaltung. "Es ist einfach inakzeptabel, wie solche Angelegenheiten aktuell gehändelt werden. Das ist einfach ein katastrophaler Service."

Die Thematik sei schon mehrfach in den entsprechenden Ausschüssen behandelt worden, "aber Veränderungen wurden immer wieder vom Bürgermeister blockiert."

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Noch vor der Parlamentarischen Sommerpause habe die Linke einen Antrag eingereicht, der vorsieht, dass zumindest diejenigen Bürger angenommen werden, die sich zwischen 9 und 12 Uhr anstellen. Marianne Küng-Vildebrand hofft nun, dass der Antrag im Oktober behandelt wird. "Die Bürgerbüros sind die Schnittstelle zwischen der Stadt und den Bürgern. Da muss eine Lösung ran."

Vonseiten der SPD erfuhr TAG24, dass aktuell an Besserungen gearbeitet werde. Derzeit würden Softwareumstellungen erfolgen und auch zusätzliches Personal sei im Gespräch, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Anja Feichtinger. Auch sie äußerte eine klare Marschrichtung: "Die Bürger müssen schnell und unkompliziert ihre Anliegen abgearbeitet bekommen."

Das sagt die Stadt zur aktuellen Lage in den Bürgerämtern

Menschen warten vor einem von Leipzigs Bürgerämtern. Auch die Stadt ist sich der hohen Nachfrage bewusst, die sie vor allem in den Sommermonaten vor Herausforderungen stellt. Derzeit laufe zudem eine Systemumstellung. Diese soll im November abgeschlossen sein.
Menschen warten vor einem von Leipzigs Bürgerämtern. Auch die Stadt ist sich der hohen Nachfrage bewusst, die sie vor allem in den Sommermonaten vor Herausforderungen stellt. Derzeit laufe zudem eine Systemumstellung. Diese soll im November abgeschlossen sein.  © Christian Grube

Die Leipziger Stadtverwaltung erklärte auf Anfrage, dass besonders in den Sommermonaten die Terminlage in den Bürgerbüros angespannt sei. Die Stadt versuche, rechtzeitig darauf hinzuweisen, aber: "In vielen Fällen wird ein Urlaub gebucht und erst kurz vor Reiseantritt werden die Personaldokumente auf ihre Gültigkeit geprüft. Somit sind die Fälle dann meist sehr akut. Durch Sonderöffnungen und Zusatztermine versuchen wir dem Ansturm gerecht zu werden."

Corona sowie der Krieg in der Ukraine, der einen großen Strom an Schutzsuchenden insbesondere nach Leipzig brachte, habe den Bürgerservice vor weitere Herausforderungen gestellt. "Weitere wichtige Gründe liegen zum einen in der wachsenden Stadt, in der Zunahme an komplexen Fallkonstellationen in einer diverser werdenden Gesellschaft sowie rechtlich engen Vorgaben bei digitalen Angeboten von Land und Bund."

Hinzu käme, dass derzeit alle Datensätze des Melde-, Pass- und Personalausweisregisters sowie weitere Funktionen auf ein neues Verfahren umgestellt würden, um die Grundlage für schnellere und digitalere Prozesse zu schaffen. Mitarbeiter würden derzeit geschult, was zu Einschränkungen beim Personal führt.

Die Bürgerbüros in Böhlitz-Ehrenberg, Liebertwolkwitz, Wiederitzsch sowie in Reudnitz bleiben deshalb bis zum 31. Oktober geschlossen. Die Mitarbeiter der Büros würden an anderen Standorten eingesetzt. "Wir können nur mit den Ressourcen haushalten, die wir im Zuge der Haushalts- und Stellenplanung erhalten haben. Ein verkleinerter Personalkörper aufgrund der Sommerzeit, Schulungsmaßnahmen und krankheitsbedingter Ausfälle tragen derzeit nicht zu einer Besserung bei. Unsere Mitarbeiter geben täglich ihr Bestes, um allen Anforderungen gerecht zu werden."

Die Lage werde auch in Zukunft herausfordernd bleiben. Ab November erhofft sich die Stadt jedoch Besserung, sobald die Software-Umstellung abgeschlossen ist. "Zudem beginnt noch in diesem Monat die Ausschreibung von zehn weiteren Stellen für das Amt Bürgerservice."

Titelfoto: Montage: Eric Mittmann + Christian Grube

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