Untreue, Bestechung, Vertuschung - Die Chronologie des Polizeiskandals

Leipzig/Dresden - Mehr als 1000 sichergestellte Fahrräder sollen Leipziger Polizisten seit 2015 für kleines Geld an Kollegen und Bekannte verkauft haben. Heute ist der Korruptionsskandal Thema im Innenausschuss des Landtages - Zeit für eine Chronologie der Ermittlungen.

Gut geschützt hinterm Stacheldrahtzaun liegen die Lager des Polizeiverwaltungsamtes. Hier soll ein Teil der illegalen Fahrradgeschäfte abgewickelt worden sein.
Gut geschützt hinterm Stacheldrahtzaun liegen die Lager des Polizeiverwaltungsamtes. Hier soll ein Teil der illegalen Fahrradgeschäfte abgewickelt worden sein.  © Alexander Bischoff

5. Juli 2019: Der Geschädigte eines Fahrraddiebstahls gibt der Leipziger Kripo den ersten Hinweis auf illegale Geschäfte der Asservatenverwaltung innerhalb der "ZentraB Fahrrad“. Interne Ermittlungen fördern zutage, dass die für Asservatenverwaltung zuständige Polizeibeamtin Anke S. (43) über den Kleingartenverein ihres Vaters illegal sichergestellte Fahrräder vertickt.

8. Juli: Krisensitzung der Kripo-Spitze mit dem Dezernatsleiter für Amtsdelikte. Das Dienstzimmer von Anke S., die sich zu diesem Zeitpunkt im dreiwöchigen Jahresurlaub befindet, wird versiegelt, damit keine Beweise verschwinden. Der amtierende Kripo-Chef Lutz Mädler informiert seinen Polizeipräsidenten Torsten Schultze, die Staatsanwaltschaft und den LKA-Präsidenten Petric Kleine. Das Innenministerium wird erstmals über eine WE-Meldung vom Korruptionsskandal informiert

9. Juli: Die Staatsanwaltschaft leitet die ersten Strafverfahren ein - gegen Anke S., ihren Vater Andreas E. (63) und dessen Bekannte Ilona B. (60). Die Ermittlungen übernimmt das LKA.

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15. Juli: Das Dezernat 25 des LKA teilt Präsident Kleine den aktuellen Stand der Ermittlungen mit. Die Führungsinformation wird auch dem Innenministerium zur Kenntnis gegeben.

LKA-Chef Petric Kleine, dessen Behörde jetzt ermittelt, war bis 2017 Kripo-Chef in Leipzig, mithin unterstand ihm auch die "ZentraB Fahrrad".
LKA-Chef Petric Kleine, dessen Behörde jetzt ermittelt, war bis 2017 Kripo-Chef in Leipzig, mithin unterstand ihm auch die "ZentraB Fahrrad".  © Thomas Türpe

Korruptionsskandal um Sachsens Polizei: Quittungen vom Januar 2015

Forderte vergeblich Transparenz: Leipzigs Polizeipräsident Torsten Schultze.
Forderte vergeblich Transparenz: Leipzigs Polizeipräsident Torsten Schultze.  © Petra Hornig

23. Juli: Razzia! Antikorruptionsermittler des LKA durchsuchen die Wohnungen aller Verdächtigen. In der PD Leipzig werden Diensträume des Kommissariats 26, zu dem die "ZentraB Fahrrad“ gehört, durchsucht. Die Ermittler finden dabei zahlreiche Quittungen und Belege der illegalen Fahrradverkäufe. Der älteste ist auf den 4. Januar 2015 datiert.

Juli-August: Inzwischen stehen neben Anke S. zwölf weitere Polizeibeamte der "ZentraB Fahrrad“ unter Korruptionsverdacht. Sie alle werden versetzt. In der ZentraB findet eine große Revision mit Inventur statt, die Asservatenverwaltung wird verändert.

22. Oktober: Die Staatsanwaltschaft bejaht auf LKA-Anfrage den Anfangsverdacht der Bestechung für all jene Polizeibeamte, die Fahrräder aus der Asservatenkammer gekauft haben. Per Verfügung wird dem LKA aufgegeben, alle Begünstigten zu ermitteln und sie als Beschuldigte im Verfahren zu erfassen.

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23. Dezember: In einer Führungsinformation kündet LKA-Kriminaldirektor Klaus Hecht von "zumindest 40 Beamten der PD Leipzig“, die in den Korruptionsskandal verstrickt sein sollen. Die Beschuldigten-Liste wächst wöchentlich.

27. Dezember: In einer Führungsinformation unterrichtet Leipzigs Polizeichef Schultze das Innenministerium über das Ausmaß des Skandals und empfiehlt, die Öffentlichkeit zu informieren, um "größtmögliche Transparenz“ herzustellen.

Versucht seinen Minister aus der Schusslinie zu nehmen: Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar.
Versucht seinen Minister aus der Schusslinie zu nehmen: Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar.  © Amac Garbe

Ermittler gehen von mehr als 100 Verdächtigen aus

Deckelte lange den Korruptionsskandal: Innenminister Roland Wöller (CDU) muss dem Innenausschuss am heutigen Mittwoch Rede und Antwort stehen.
Deckelte lange den Korruptionsskandal: Innenminister Roland Wöller (CDU) muss dem Innenausschuss am heutigen Mittwoch Rede und Antwort stehen.  © Amac Garbe

Januar 2020: Innenminister Roland Wöller (CDU) will nach eigenem Bekunden erst jetzt vom Korruptionsskandal erfahren haben. Die Öffentlichkeit wird nicht informiert.

11. Juni: Die Dresdner Morgenpost und TAG24 berichten über die Ermittlungen und bringen den Korruptionsskandal erstmals ans Licht.

Die Staatsanwaltschaft Leipzig bestätigt daraufhin die Ermittlungen "gegen eine Vielzahl von Beschuldigten“. Darunter seien zahlreiche Beamte der sächsischen Polizei, nicht nur der PD Leipzig. Die Tatvorwürfe reichen demnach von Strafvereitelung im Amt, Diebstahl, Unterschlagung bis hin zu den Tatbeständen des Korruptionsstrafrechts (Vorteilsgewährung, Vorteilsannahme, Bestechlichkeit, Bestechung).

16. Juni: Innenminister Wöller äußert sich erstmals (schriftlich) zu den Korruptionsvorwürfen und beauftragt Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar, die Asservatenverwaltung der Leipziger Direktion zu untersuchen.

17. Juni: Wegen des großen Ausmaßes des Korruptionsskandals entzieht die Generalstaatsanwaltschaft der Leipziger Staatsanwaltschaft die Ermittlungen und ermittelt fortan selbst. Die Zahl der Verdächtigen soll mittlerweile bei über 100 liegen.

22. Juni: Das LKA teilt Morgenpost/TAG24 mit, dass wegen der Berichterstattung unter der Überschrift "Dealer in Uniform“ (11. Juni) gegen einen Journalisten wegen des Verdachts der Verleumdung (§ 187 StGB) ermittelt wird.

Titelfoto: Montage: macor/123RF/Amac Garbe/Sebastian Willnow/dpa-Zentralbild/dpa/ Petra Hornig/Thomas Türpe

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