Darum schätzte das LKA den Magdeburg-Attentäter als "Vielschreiber" ein

Von Christopher Kissmann

Magdeburg - Der parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Aufarbeitung des Anschlags auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt hinterfragt, warum das Landeskriminalamt (LKA) den Attentäter nicht als Gefahr auf dem Schirm hatte.

LKA-Direktorin Birgit Specht im Landtag von Sachsen-Anhalt bei der Sitzung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Anschlag in Magdeburg.
LKA-Direktorin Birgit Specht im Landtag von Sachsen-Anhalt bei der Sitzung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Anschlag in Magdeburg.  © Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Die LKA-Direktorin Birgit Specht sagte den Abgeordneten, unter anderem basierend auf einer Einschätzung der Polizei Nordrhein-Westfalen wurde Taleb A. beim LKA Sachsen-Anhalt als "Vielschreiber" eingeordnet.

Eine Sachbearbeiterin habe ihn im Dezember 2023 in einer internen Mitteilung so benannt und den Bereich Gefährdungseinschätzungen einbezogen, so Specht im Landtag.

Die Sachbearbeiterin wies auch darauf hin, dass Taleb A. erstmals gedroht habe. Im Bereich Gefährdungseinschätzung war der Vorgang abgelegt und nicht weiter verfolgt worden, wie ein anderer LKA-Mitarbeiter schon zuvor im Ausschuss ausgesagt hatte.

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Der Grünen-Abgeordnete Sebastian Striegel (44) sagte, Taleb A. sei durch alle Raster gefallen, weil er keinem der festgelegten Phänomenbereiche zuzuordnen war. Specht sagte, mit dem Wissen zum damaligen Zeitpunkt habe es keine konkrete Gefahr gegeben.

Was ein "Vielschreiber" ist, ist nicht klar definiert

Specht betonte, es gebe keine abgestimmte Definition des Begriffs "Vielschreiber". Grundsätzlich wird darunter jemand verstanden, der sich besonders häufig an Behörden wendet. Aus Nordrhein-Westfalen habe es die Informationen gegeben, dass Taleb A. E-Mails an verschiedene Polizeidienststellen gesendet hat, in denen immer von ein und demselben Sachverhalt die Rede gewesen sei.

Seine Angaben seien wirr und nicht nachvollziehbar gewesen.

Taleb A. war dem LKA bekannt, aber nicht im Magdeburger Kontext

Taleb A. war dem LKA vor dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt bekannt.
Taleb A. war dem LKA vor dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt bekannt.  © IMAGO/Hanno Bode

Im Zusammenhang mit dem Weihnachtsmarkt sei der spätere Attentäter vor seiner Todesfahrt vom 20. Dezember 2024 nicht beim LKA bekannt gewesen. Laut Specht spielte er auch nicht eine solche Rolle, dass man in der Führungsebene des LKA über ihn gesprochen habe.

Insgesamt gab es im LKA keine Erkenntnisse zu einer konkreten Gefahr für Weihnachtsmärkte, es habe aber eine hohe abstrakte Gefährdung für die Sicherheitslage in Deutschland bestanden.

Auf eine potenzielle Gefahr insbesondere bei öffentlichen Veranstaltungen durch irrational handelnde, fanatisierte oder emotionalisierte Einzeltäter sei hingewiesen worden.

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Im Untersuchungsausschuss spielen die Begriffe "abstrakte Gefahr" und "konkrete Gefahr" eine zentrale Rolle bei der Bewertung der Sicherheitsmaßnahmen vor dem Anschlag. Die Frage ist, ob vor dem Anschlag eine generelle Gefährdung vorlag oder ob es auch konkrete Hinweise auf einen bestimmten Anschlag oder Tatort gab.

Kurz vor Weihnachten war der 50-jährige Attentäter aus Saudi-Arabien mit einem Auto über den Magdeburger Weihnachtsmarkt gefahren. Dabei wurden sechs Menschen getötet und über 300 weitere verletzt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat kürzlich Anklage erhoben, der Termin für den Prozessstart ist noch offen.

Titelfoto: Bildmontage: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa, IMAGO/Hanno Bode

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